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Landkreis Dillingen: Down-Syndrom: Bedenken wegen kostenloser Bluttests

Landkreis Dillingen

Down-Syndrom: Bedenken wegen kostenloser Bluttests

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    Die aktuelle Diskussion um Bluttests als Kassenleistung bei Risikoschwangerschaften (Symbolfoto) hat auch die Region erreicht.
    Die aktuelle Diskussion um Bluttests als Kassenleistung bei Risikoschwangerschaften (Symbolfoto) hat auch die Region erreicht. Foto: Ralf Lienert (Symbolfoto)

    Es gab keine Auffälligkeiten. Alles war so, wie es in einer ganz normalen Schwangerschaft sein soll. Als Steffi am 15. Juni 2000 auf die Welt kam, war aber plötzlich nichts mehr normal. Nach zwei Blutproben hatten die Eltern Angela und Xaver Bühlmeyer die Gewissheit: Ihr Mädchen hat Trisomie 21, das sogenannte Down-Syndrom. Für die Eheleute aus Oberringingen war es ein Schock. Trotzdem wurde den Bühlmeyers schnell klar: „Wir schaffen das.“ Und sie haben es geschafft. „Jeder Mensch hat ein Recht auf Leben. Aber nicht jede Familie kommt mit so einer Diagnose klar“, sagt Mama

    Der Druck auf werdende Eltern steigt

    Grundsätzlich findet es Angela Bühlmeyer gut, dass es die Möglichkeit gibt, frühzeitig zu wissen, ob ein Kind gesund ist. „Aber hundertprozentig sicher sind diese Tests auch nicht und alles ausschließen können sie sowieso nicht. Es gibt nicht nur Trisomie 21.“ Die Kesseltalerin glaubt, dass durch solche Diskussionen vor allem der Druck auf werdende Eltern steigt – falls sie vor der Entscheidung einer Abtreibung stehen. „Eltern müssen ganz alleine entscheiden, ob sie sich der Herausforderung mit einem behinderten Kind stellen können. Es muss viel mehr aufgeklärt werden“, sagt Bühlmeyer. Darüber, wie ein Leben mit Down-Syndrom-Kindern ist, was es für Fördermöglichkeiten gibt, und wo die Grenzen sind. „Jeder redet mit und es gibt so viel Unwissenheit.“ Auch deshalb ist die dreifache Mutter froh, dass sie vor der Geburt von Steffi nicht wusste, dass sie behindert ist. Als sie mit ihrer zweiten Tochter schwanger war, hat sie eine Fruchtwasseruntersuchung machen lassen.

    Die Mutter sagt: „Steffi ist phänomenal. Sie ist einfach toll und voller Selbstbewusstsein. Sie macht so viel Freude.“ Dank des unermüdlichen Einsatzes der Eltern, die ihr ganzes Leben umgekrempelt haben, kann die heute 18-Jährige ein fast normales Leben führen. Steffi hat eine Ausbildung als Beiköchin angefangen, geht zur Berufsschule, arbeitet in einer Gastwirtschaft. „Aber der Weg ist steinig und es ist ein stetiger Kampf“, sagt Angela Bühlmeyer. Vor allem deshalb, weil die Gesellschaft von Leistungsdenken geprägt sei. Hinzu komme, dass die Förderung und Pflege von kranken und behinderten Menschen zuhause kaum bis gar nicht gefördert werde. „Aber jeder hat das Recht auf ein Leben. Nur weil die meisten Menschen ein Chromosom mehr haben, müssen sie keine besseren Menschen sein“, betont die Mutter.

    Zahl der Kinder mit Down-Syndrom ist deutlich zurückgegangen

    Die Lebenshilfe in Dillingen nimmt kaum noch Menschen mit Down-Syndrom auf, sagt Dominik Kratzer, Geschäftsführer der Kreisvereinigung. Die Zahl der Betroffenen sei in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen. Kratzer führt das darauf zurück, dass bei einer entsprechenden Diagnostik die Schwangerschaft wohl häufig abgebrochen wurde. „Es gibt ja eine Wahrscheinlichkeit für Down-Syndrom-Erkrankungen, aber immer weniger Menschen mit dieser Behinderung.“ Dabei seien die Menschen, die bei der Geburt eines so behinderten Kindes noch schockiert waren, im Nachhinein meist sehr glücklich über den Nachwuchs. Manche Frauen würden sich gar nicht untersuchen lassen und ihr Kind so annehmen, wie es kommt. Kratzer fürchtet, wenn die Krankenkassen einen Bluttest während der Schwangerschaft bezahlen, werden Frauen, die dennoch ein behindertes Kind bekommen, hinterher mit Vorwürfen konfrontiert werden, nach dem Motto: „Das hätte doch nicht sein müssen.“

    Die Entwicklung der Geburtenzahlen von Kindern mit Trisomie 21 sieht Rainer Remmele als eindeutigen Beweis dafür, dass Ungeborenen mit einer diagnostizierten Behinderung in vielen Fällen verwehrt werde, zur Welt kommen zu dürfen. Dies gelte für ganz Europa, sagt Remmele, Geistlicher Direktor der Regens-Wagner-Stiftungen: Mit der Einführung von vorgeburtlichen medizinischen Tests sinke die Zahl der Kinder mit einer Behinderung, die das Licht der Welt erblicken. „Menschen mit und ohne Behinderung haben aber dieselbe unauslöschliche Würde und das gleiche Recht auf Leben. Wer darf sich anmaßen, festzulegen, welcher Mensch leben darf und welcher nicht? Wer darf festlegen, welcher Mensch lebenswert ist und welcher nicht?“, fragt Remmele. Der Pfarrer glaubt, dass Eltern, die ein positives Testergebnis erhalten, persönlich wie gesellschaftlich unter psychischen Druck geraten. Deren Freude über das Geschenk neuen Lebens werde in Zweifel gezogen. Statt Verunsicherung bräuchten sie dringend Beratung, Begleitung und Unterstützung. Dieser Meinung ist auch Helmut Holland, Vorsitzender der Lebenshilfe Dillingen. Er fordert Respekt vor allen Eltern und ihrem Selbstbestimmungsrecht. Die Unterstützung für sie sollte vorangetrieben werden. Sie sollten aufgeklärt werden – und die Gesellschaft müsste ihre Entscheidung respektieren. Wer sich gegen solch ein Kind entscheidet, wer seine Überforderung erkennt, der dürfe nicht verteufelt werden.

    Wo geht eine Behinderung überhaupt los?

    Holland stellt auch eine andere Frage: „Wo geht eine Behinderung überhaupt los?“ Er befürchtet, dass eine Down-Syndrom-Erkrankung als unwertes Leben gelte, und verweist auf die Aktion der Lebenshilfe Deutschland „Down ist in – nicht out“. Zu unserer Gesellschaft würden eben auch behinderte, alte oder kranke Menschen gehören. Bluttests auf Kassenkosten findet Holland nicht gut. Krankenkassen sind laut Remmele dazu da, Leben zu fördern. „Mit den kostbaren Mitteln unseres Gesundheitswesens sollte nicht die Basis geschaffen werden, Menschen das Leben auf dieser schönen Welt zu verwehren.“ Jeder Mensch sei ein Geschenk Gottes und habe der Welt und den Menschen in seiner ganz persönlichen Art viel zu geben. Dominik Kratzer erinnert zudem noch an etwas anderes: Die Mehrheit der Behinderungen entstünde im Laufe eines Lebens etwa durch Schlag- oder Herzanfälle. Das Down-Syndrom sei nur ein kleiner Bestandteil für die Vielfalt der Ursachen einer geistigen Behinderung. „Zu denken, das könnte man ausschließen und sei dann davor sicher, ist eine Illusion.“

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