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Landkreis Dillingen: Das sagen Geistliche aus dem Kreis Dillingen zu aktuellen Kirchenproblemen

Landkreis Dillingen

Das sagen Geistliche aus dem Kreis Dillingen zu aktuellen Kirchenproblemen

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    Die Katholische Kirche ist wegen Kardinal Marx in Aufruhr. Was sagen Geistliche aus dem Landkreis dazu?
    Die Katholische Kirche ist wegen Kardinal Marx in Aufruhr. Was sagen Geistliche aus dem Landkreis dazu? Foto: Karl Aumiller

    Ein Donnergrollen erschütterte die katholische Kirche, als Kardinal Reinhard Marx kürzlich Papst Franziskus bat, seinen Rücktritt anzunehmen. Selten hat sich ein hoher kirchlicher Würdenträger so drastisch geäußert: Nach den Missbrauchsfällen in den vergangenen Jahrzehnten sei die Kirche „an einem toten Punkt“ angelangt, so der

    Wie sind Marx' Aussagen im Landkreis Dillingen angekommen?

    International haben diese Aussagen für Aufsehen gesorgt, doch wie wurde das Rücktrittsgesuch an der Basis aufgenommen?

    Nachfrage bei Kirchenvertretern aus dem Landkreis: „Meiner Meinung nach kann man nicht stellvertretend für fremde Schuld zurücktreten, sondern man muss seine Möglichkeiten einsetzen, dafür zu sorgen, dass die Dinge künftig ihren rechten Weg gehen“, sagt Monsignore Paul Sinz, Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft Steinheim. Er halte es für gut und richtig, dass der Papst den Rücktritt nicht angenommen habe, sondern eher Kardinal Marx freundlich ermutigte, seine Aufgaben zu erfüllen.

    Rücktritt darf kein Weg aus der Verantwortung sein

    Ein Rücktritt dürfe niemals ein bequemer Weg aus der Verantwortung sein. Überhaupt sei es eine Mode geworden, immer bei allen Fehlern schnell den Rücktritt zu fordern. Es gebe nun einmal keine fehlerlosen Menschen.

    Bei seiner Arbeit an der Basis spiele das Kirchenbeben jedoch eher eine untergeordnete Rolle: „Unsere Sorgen im Alltag unserer Pfarrgemeinden liegen uns allen viel näher. Hilfreich ist die Situation aber leider auch nicht.“

    De Blasi: Es ist nicht an der Zeit, eine Totenmesse auf die Kirche zu singen

    Kardinal Marx bei einem Besuch in Dillingen. Dort sprach er die Laudatio für Wolfgang Schäuble. Der hatte 2016 in Dillingen den Europäischen St.-Ulrichspreis erhalten.
    Kardinal Marx bei einem Besuch in Dillingen. Dort sprach er die Laudatio für Wolfgang Schäuble. Der hatte 2016 in Dillingen den Europäischen St.-Ulrichspreis erhalten. Foto: Bissinger (Archiv)

    Lauingens Stadtpfarrer Raffaele De Blasi hat die Kirche noch lange nicht abgeschrieben: „Vielleicht haben bestimmte Teile der Kirche, bestimmte Strömungen in der Kirche, oder auch Amtsträger in der Kirche ihren persönlichen toten Punkt erreicht, aber daraus generalisierend eine „Totenmesse“ auf die Kirche zu singen, ist alles andere als lauter und legitim. Die Kirche lebt, wenn auch gewiss anders als noch vor einigen Jahren.“

    Dass die „Männer der Kirche“ Heilsbringer sein sollten, sei unbestritten, denn die Heilsbotschaft sei die Botschaft der Kirche. Natürlich gelte auch hier: Je „heiler“ der Bote ist, desto besser, denn nur so komme seine Botschaft auch als authentisch bei den Menschen an.

    Missbrauchsskandale schmerzen

    Kardinal Reinhard Marx habe seines Erachtens recht, dass manches in der katholischen Kirche „vorüber“ sei, sagt Dillingens Dekan und Gundelfinger Stadtpfarrer Johannes Schaufler. „Ich möchte diesen Tatbestand in einem Bild darstellen und unsere Kirche mit einem Olivenbaum vergleichen“ führt der Stadtpfarrer weiter aus. Wenn man ihn umhaue oder absäge, wüchsen dennoch aus dem verbliebenen Wurzelstamm neue Zweige. „Auch wenn einige Äste am Baum Kirche am Absterben sind, ragen die Wurzeln in den vitalen Bereich hinein und erneuerten den ganzen Stamm samt Verzweigungen.“

    Johannes Schaufler schmerzt es, wenn er „wahrnehmen muss, welche ungeheuerlichen Geschichten und Fakten in der kirchlichen Vergangenheit ans Licht kommen. Das muss aufgearbeitet werden“. Immer wieder werden Missbrauchsfälle in katholischen Pfarreien oder Organisationen bekannt, Betroffenenvertreter schätzen, dass sich seit der Veröffentlichung einer umfassenden Missbrauchsstudie im Jahr 2018 bereits 250 weitere Betroffene gemeldet haben.

    Auch von evangelischer Seite kommt Zustimmung zur Franziskus Ablehnung: Pfarrerin Ingrid Rehner aus Wertingen fragt sich, was wichtiger ist: „Zeichen setzen oder Verantwortung übernehmen? Meines Erachtens sollte Verantwortung nicht durch Rückzug, sondern durch aktives Weiterwirken wahrgenommen werden.“ Die Kirche brauche Menschen, die positive Zeichen setzen und mithelfen die Konsequenzen zu tragen.

    Schneck: "Ich verstehe die Forderungen um Erneuerung der Kirche"

    Das Rücktrittsangebot von Kardinal Marx hat Dillingens Stadtpfarrer Wolfgang Schneck überrascht – und beeindruckt. Es sei ein handfestes Zeichen für eine persönliche, wie auch stellvertretende Übernahme von Verantwortung, so der Geistliche. Kardinal Marx spreche von institutionellen und systemischen Fragen und Problemen. „Hinsichtlich der Forderungen um Erneuerung der Kirche verstehe ich die Anliegen etwa der Missbrauchsbetroffenen und vieler anderer Christen,“ sagt Schneck.

    Die Schritte und Geschwindigkeit dieser Erneuerung seien für alle ungenügend und zu langsam. Schneck findet, dass sich jede Leitungsfunktion in der Kirche an der Haltung Jesu messen lassen müsse. „Ich bin gespannt, ob es uns durch diese Reinigungszeit gelingt, als „Leib Christi“ zu leben und nicht irgendwelche Macht- und Leitungsstrukturen zu kopieren und kläglich zu scheitern.“

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