Seit dem 8. Juni dürfen die Musikvereine, Kapellen und Spielmannszüge in ganz Bayern wieder proben. Anfangs gab es die Bedingung, dass nicht mehr als zehn Personen im Raum sein dürfen und bei Mitwirkung von Blasinstrumenten ein Mindestabstand von drei Metern eingehalten werden. Dagegen wehrten sich die bayerischen Musikverbände mit Erfolg: Mittlerweile beträgt der vorgeschriebene Mindestabstand nur noch zwei Meter. Auch dürfen es nun mehr als zehn Musiker sein, die gestattete Anzahl hängt von der Größe der Örtlichkeit ab.
Die Jugendlichen in Buttenwiesen haben sich "wahnsinnig gefreut"
In der Theorie klingt das recht gut umsetzbar, praktisch sieht es jedoch anders aus. Bei vielen Kapellen herrscht große Unsicherheit, ob der Probenbetrieb unter den gegebenen Voraussetzungen überhaupt möglich ist. Bei den Zusamtaler Musikanten haben am vergangenen Samstag die Jugendkapelle und die Bläserklasse wieder gemeinsam geprobt, berichtet der Vorsitzende des Musikvereins, Sebastian Huber. „Die Jugendlichen haben sich wahnsinnig gefreut“, sagt Huber.
Die Erwachsenenkapelle hat zuletzt in kleinen Gruppen geübt. Am Montagabend sollte die Entscheidung fallen, ob noch vor oder erst nach der Sommerpause die regulären Proben beginnen. Alle freuen sich Hubers Worten zufolge auf das gemeinsame Proben. „Und wir fiebern darauf hin, dass wir wieder einmal Musik vor Publikum machen dürfen“, sagt der Vorsitzende der Zusamtaler.
„Wir hatten am Donnerstag eine Probe mit ein paar Musikern, die sich einfach mal wieder zusammensetzen wollten“, sagt die Dirigentin der Lauinger Stadtkapelle, Ingrid Philipp. Dabei werde ein striktes Hygienekonzept eingehalten: Mindestabstand zwei Meter, aufgrund der Größe des Probenlokals eine begrenzte Anzahl an Musikern, Maskenpflicht sowie eine 20-minütige Lüftungspause nach jeder Probe. Zudem muss das entstandene Kondensat durch eine Wasserklappe am Instrument abgelassen, in einem Behälter aufgefangen und von jedem Musiker zu Hause entsorgt werden. „Wir haben ja auch zwei Ein- und Ausgänge, so kommen sich aufeinanderfolgende Gruppen nicht in die Quere“, sagt Philipp. Auch in Gundelfingen laufen die Proben wieder langsam an, wie Christian Lang, der Dirigent der Stadtkapelle, bestätigt. Demnach habe in der vergangenen Woche eine Probe mit zehn Personen stattgefunden, inklusive angepassten Hygienekonzepts und neuer Probenpläne. „Weil sich die Vorgaben ja wieder geändert haben, werden wir auch die Konzepte anpassen. Pro Woche werden wir mehrere Proben in kleineren Besetzungen anbieten“, berichtet Lang. Das habe den Vorteil, dass man das Repertoire erweitern und auch das Musizieren in kleineren Ensembles üben könne.
Die Unsicherheit ist jedoch deutlich zu spüren. Vielerorts wird damit gerechnet, dass nicht alle Musizierenden die neuen Probenkonzepte wahrnehmen werden. Philipp nennt hierfür mehrere Gründe. „Manche sind schlichtweg aus der Übung und hören ganz auf. Einige wollen kein Ansteckungsrisiko eingehen, aber viele sehen keinen Sinn darin, ohne Auftritte zu proben.“ Bis auf Weiteres seien die meisten Auftritte und Veranstaltungen auf das nächste Jahr verschoben oder abgesagt worden, so unter anderem das alljährliche Schnellefest und ein großes Jahreskonzert der Stadtkapelle Gundelfingen. Für die Fanfare-Brass-Band in Lauingen fällt durch die Corona-Krise sogar ein Auftritt bei der Landesgartenschau in Ingolstadt weg. Auch deswegen hat man hier den Probenbetrieb noch nicht wieder aufgenommen. „Warum sollen wir proben, wenn wir keine Auftritte spielen können? Unser Terminkalender war dieses Jahr prall gefüllt, besonders über die Sommermonate, aber es fällt ja alles flach. Außerdem macht es mit zehn Leuten einfach keinen Sinn, da kommt auch fast keiner“, sagt Norbert Ruchti, Erster Vorsitzender der Fanfare-Brass-Band.
So sind die Musikvereine momentan auch finanziell schwer angeschlagen. Da die meisten Termine abgesagt oder verschoben wurden, fließen auch fast keine Einnahmen mehr in die Vereinskassen. „Wir machen das meiste ja ehrenamtlich. Außerdem laufen ja trotz der Pandemie ständige Fixkosten unverändert weiter“, betont Philipp. „Da braucht man schon auch ein gewisses Polster.“ Kleinere Vereine kämen dabei wesentlich schwerer über die Runden. „Wir sind da wirklich auf größere Spenden angewiesen und müssen in bestimmten Bereichen massiv einsparen, sonst könnten wir uns nicht über Wasser halten“, betont Ruchti. In einem bekannten Sprichwort heißt es: „Not macht erfinderisch.“
Auch der Gundelfinger Dirigent sieht das so. „Man kann unter den gegebenen Umständen auf jeden Fall proben, man muss eben die Probenpläne und anderes anpassen. Zudem muss man als Orchesterleiter oder im Vorstand kreativer denken und nach neuen Wegen suchen, eventuell braucht man auch andere Literatur“, sagt Lang. In Lauingen ist man ebenfalls kreativ geworden. „Wir haben ja nicht aufgehört zu proben. Ich habe den Musikern beispielsweise eine Liste mit dem Repertoire zur Verfügung gestellt, einige haben Tonspuren laufen lassen und dabei mitgespielt“, erzählt Philipp. „Wir haben auch das Proben mit Videochat ausprobiert, zum Beispiel mit Zoom, aber das war eher unbefriedigend. Vor allem haben wir uns da halt wieder mal gesehen und konnten miteinander sprechen.“
Somit sei hier auch die soziale Komponente wesentlich. „Als Musikern fehlt uns das gemeinsame Spielen natürlich sehr. Vor allem der Zusammenhalt im Orchester, das aufeinander Hören und Reagieren, das ja den schwierigsten Teil des Musizierens ausmacht“, betont Christian Lang. Dem Vorsitzenden der Stadtkapelle Dillingen, Harald Winter, fällt ebenfalls ein Stein vom Herzen, nachdem nun unter Auflagen wieder gemeinsam geprobt werden kann. „Wir waren alle sehr glücklich, das gemeinschaftliche Musizieren hat uns sehr gefehlt“, sagt Winter. Etwa 30 Musiker probten am Donnerstag im Freien im Dillinger Schlossgarten und spielten dabei zum Auftakt unter der Leitung von Marie-Sophie Schweizer den Bozner Bergsteigermarsch. Auch Norbert Ruchti spricht vom Miteinander und der Kameradschaft in der Gruppe. Das habe gefehlt. „Man kommt ja nicht nur zum Musikmachen. Nach dem Proben will man doch noch beisammen sitzen, etwas trinken und sich gemütlich unterhalten.“
Vor allem in der Situation um abgesagte oder verschobene Termine sieht Ingrid Philipp eine Chance. „Vorher hatten wir ja bisweilen ziemlichen Druck aufgrund verschiedener Konzerte oder Auftritte, der fällt jetzt natürlich weg. So kommen wir auch wieder zum eigentlichen Sinn eines Musikvereins zurück: Gemeinschaft, Geselligkeit und vor allem die Musik an sich.“ Auch über Möglichkeiten im Sommer denkt sie nach, weniger über Konzerte oder Auftritte, vor allem über mögliche Proben im Freien. „So können wir womöglich auch mal wieder in voller Besetzung proben, wenn das Wetter mitspielt. Wir sind ja nahe am Bauhof und würden das Areal auch zur Verfügung gestellt bekommen. Aber eines nach dem anderen, wir machen in kleinen Schritten weiter.“
Das Wichtigste sei laut Lang aber, „dass wir alle beim Musizieren gesund bleiben“.
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