Johannes Winkler arbeitet mit auf dem elterlichen Hof in Binswangen. Bullenmast und Ackerbau sind die beiden Standbeine, die für ein Einkommen sorgen. Der 21-Jährige will in diesem Jahr seinen Meistertitel erwerben. Er soll einmal den Betrieb übernehmen und selbstständig weiterführen. Dazu muss er unternehmerisch denken und handeln können. Jetzt hat ihn die Praxis eingeholt in der aktuellen Corona-Krise – wie viele Landwirte im Landkreis.
Die Rahmenbedingungen wandeln sich
Auf den stetigen Wandel der Rahmenbedingungen müssen Betriebsleiter angemessen reagieren. „Derzeit können wir kaum noch kostendeckend arbeiten“, beschreibt Winkler die schwierige Lage auf dem Hof. Vor allem die Bullenmast lohne sich nicht mehr. Weil Gastronomen kein Rindfleisch mehr bezögen, sei der Absatz in diesem Bereich in den vergangenen Monaten total ausgefallen. Entsprechend gab es einen deutlichen Preisverfall von rund 15 Prozent.
Corona hat große Auswirkungen auf den Fleischmarkt
Der Leiter des Wertinger Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Magnus Mayer, bestätigt die Auswirkungen. „Ein nennenswerter Teil des in Deutschland und in der EU verzehrten Rindfleisches wird in der Gastronomie gegessen. Durch den Shutdown ist dieses Marktsegment weitgehend weggefallen.“ Der Verzehr zu Hause sei dagegen kaum gestiegen. Weil viele Bauern traditionell Rindfleisch oder Schlachttiere nach Italien importieren, habe der Export in den Süden durch die Epidemie ebenfalls stark gelitten.
Der Binswanger Hof ist einer von 259 (Stand 2018, Quelle AELF) landwirtschaftlichen Betrieben, die im Landkreis Dillingen 12877 Bullen mästen. „Es bleibt zu hoffen, dass die Exporte nach Italien wieder steigen und dass wieder mehr Rindfleisch in Gaststätten verzehrt wird“, sagt Mayer.
Beim Schweinefleischmarkt sieht die Lage etwas anders aus: „Er ist immer noch erheblich besser als vor einem Jahr, aber deutlich schlechter als noch zu Beginn dieses Jahres.“ 2019 mussten Landwirte eine Unterdeckung der Kosten von etwa 20 Prozent verkraften. Danach aber zog der Absatz vor allem nach China an. Wegen des dortigen Ausbruchs der Afrikanischen Schweinepest war plötzlich Schweinefleisch aus Deutschland gefragt. Bedingt durch die Corona-Krise sind ab März jedoch die Lieferketten ins Stocken geraten. Das in chinesischen Häfen gelandete gefrorene Schweinefleisch aus Deutschland ist nur zögerlich ins Inland abgeflossen. Gleichzeitig lieferten Brasilien und die USA verstärkt nach China.
Zuhause wird nicht mehr Fleisch gegessen
Was den inländischen Verbrauch angeht, könne man nur spekulieren, ob der fast zum Erliegen gekommene Außer-Haus-Verzehr zu einem Teil durch den Verzehr zu Hause kompensiert werden konnte, sagt Magnus Mayer.
Ein starker Preisdruck seit Beginn der Corona-Krise ist auch im Bereich der Geflügelproduktion deutlich zu spüren. Im Landkreis Dillingen sind 347 Betriebe davon betroffen. Auf den Höfen werden rund 120000 Puten und 200000 andere Geflügel aufgezogen. Der Absatz über Gaststätten, Hotels und Kantinen fehlt. Bei Milch und Milchprodukten zeigt sich ein gegenläufiges Bild. Hier konnte ein verstärkter privater Verbrauch den Verlust in der Gastronomie größtenteils wieder ausgleichen.
Der Kartoffelmarkt ist hingegen stark eingebrochen. Pommes frites waren kaum mehr gefragt, seit die Gaststätten schließen mussten. Ein Teil sei zu einem geringeren Preis für die Stärkeproduktion verwendet worden.
Die Wertinger Schwabenhalle bleibt leer
Trübe Aussichten herrschen im Moment in der Wertinger Schwabenhalle. Wo sonst pulsierende Märkte abgehalten werden, herrscht Menschenleere. Die in der Halle abgehaltenen Märkte leben davon, dass in normalen Zeiten nicht nur die zum Verkauf stehenden Jungkühe, Kälber, Zuchtbullen am Marktort sind, sondern auch Verkäufer und Käufer. „Die bisherige Verfahrensweise hätte sich allerdings schnell zum Corona-Hotspot entwickeln können“, berichtet Mayer. Deshalb laufe die Vermarktung geändert ab. „Die Verkäufer laden ihre Tiere ab und verlassen das Gelände sofort wieder. Käufer sind nur wenige da, maximal einer pro 20 Quadratmeter Hallenfläche.“ Die meisten Tiere würden über Kaufaufträge durch den Zuchtverband für die Käufer erworben.
Die Auswirkungen auf die Landwirtschaft machen sich bereits in den Geldbeuteln der Verbraucher bemerkbar: Nach den vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes sind die Preise für Nahrungsmittel im April 2020 um 4,8 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen. „Bei uns kommt davon leider nichts an“, sagt Johannes Winkler.
Lesen Sie den Kommentar unseres Redakteurs Benjamin Reif: Weg vom Fleischmarkt
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