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Kriegsende: Als ein Inferno über Gundelfingen, Bächingen und Medlingen hereinbrach

Kriegsende

Als ein Inferno über Gundelfingen, Bächingen und Medlingen hereinbrach

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    Der Schulkamerad von Wilhelm Rochau, Wilhelm Grandel, vor den Trümmern des zerstörten Stadelgebäudes seines Großvaters Friederich Grandel, Kirchenbauer in Bächingen. In der kleinen Gemeinde Bächingen an der Brenz wurden an einem Tag 32 Anwesen zum Teil oder ganz zerstört. Vier Zivilpersonen verloren ihr Leben.
    Der Schulkamerad von Wilhelm Rochau, Wilhelm Grandel, vor den Trümmern des zerstörten Stadelgebäudes seines Großvaters Friederich Grandel, Kirchenbauer in Bächingen. In der kleinen Gemeinde Bächingen an der Brenz wurden an einem Tag 32 Anwesen zum Teil oder ganz zerstört. Vier Zivilpersonen verloren ihr Leben. Foto: Veh

    Wie die beiden Städte Dillingen und Lauingen waren auch in den letzten Apriltagen 1945 die Stadt Gundelfingen und die Dörfer Bächingen, Ober- und Untermedlingen zwischen die Fronten von Amerikanern, Wehrmachts- und SS-Einheiten geraten.

    Das heutige Gemeindegebiet Medlingen geriet zwischen dem 23. und 24. April in die unmittelbare Kampfzone – und dies von zwei Seiten zugleich. So berichtet Maximilian Wiehler in seinem Buchporträt mit dem Titel „Fackelhund, Hirschspuren und Zinnenschnitt“ über die zwei Dörfer Unter- und Obermedlingen. Ein Kapitel darin ist den Ereignissen vom 22. April bis 25. April 1945 gewidmet. Wiehler schreibt: „Bereits am 22. April erwartete die Bevölkerung von Obermedlingen den Einmarsch der Amerikaner.“ Dies sei jedoch an diesem Tag nicht der Fall gewesen.

    Brenzbrücke wurde in die Luft gejagt

    Größere Waffen-SS-Einheiten bezogen Quartier in Brenz und in Sontheim, was dazu geführt habe, dass die Brenzbrücke am 23. April gegen 18 Uhr im württembergischen Brenz in die Luft gejagt wurde. Am selben Abend folgte auch noch die Sprengung der Brenzbrücke in Bächingen.

    Am folgenden Tag, Dienstag, 24. April, zerstörte in Gundelfingen ein Sprengkommando der SS zwischen 6.30 und 7.30 Uhr fünf Brücken, darunter auch die Eisenbahnbrücke am Nordrand der Stadt. Wie andernorts im Landkreis gab es auch in Gundelfingen Bürger, die dabei in diesen Tagen ihr Leben riskiert hatten, die Stadt kampflos an die Amerikaner zu übergeben, um weiteres sinnloses Blutvergießen zu vermeiden. Christian Hörger, Franz Winkler und Karl Stricker versuchten, die Verteidigung der Stadt durch SS-Einheiten zu verhindern. Dies sei jedoch nicht gelungen, da die anrückenden amerikanischen Soldaten von Lauingen kommend in Echenbrunn umgekehrt seien und somit angenommen wurde, dass die Stadt Gundelfingen verschont werde.

    Amerikanische Artillerie beschoss Gundelfingen

    Dies sollte sich jedoch nach der Sprengung der Brücken anders darstellen. Bereits am frühen Morgen des 24. April war nach der Sprengung der Brücken Gefechtslärm in Gundelfingen zu hören. Amerikanische Artillerie beschoss die Stadt, die von SS-Soldaten verteidigt wurde, aus Richtung Lauingen. Heftige Kämpfe waren im Gange. Teile der Gundelfinger Bevölkerung waren von Obermedlingen aus mit weißen Fahnen auf der Flucht in Richtung Untermedlingen zu sehen. Die Lage in Gundelfingen schien an diesem Tag bis Nachmittag unverändert. Vorstöße der Amerikaner gegen Obermedlingen erfolgten vorerst nicht. Doch gegen 15 Uhr brach das Inferno über den wehrlosen Ortschaften aus. Drei amerikanische Jagdbomber griffen mit Sprengbomben und Phosphorgeschossen Obermedlingen und Bächingen in wiederholten Wellen an.

    Ihre Attacken lösten sofort überall Brände aus. Ganz Medlingen war in schwarzen Rauch gehüllt. Neun Wohnhäuser und 22 landwirtschaftliche Gebäude waren getroffen worden. Doch nicht genug des Grauens. Am Hohlen Stein bei Untermedlingen, einer Höhle am Rande eines Steinbruchs, in dem Leute aus Gundelfingen Schutz gesucht hatten, entdeckte ein Aufklärungsflugzeug die Zivilisten, die mit weißen Fahnen und Tüchern winkten. Trotzdem wurde die Höhle aus rund 1200 Metern von amerikanischen Panzern unter Beschuss genommen. Zehn Menschen starben, fünf Kinder, drei Frauen und zwei Männer. Heute ist dort eine Gedenktafel für die Opfer angebracht.

    Maximilian Wiehler mit seinem Buch zur Geschichte von Unter- und Obermedlingen.
    Maximilian Wiehler mit seinem Buch zur Geschichte von Unter- und Obermedlingen. Foto: Veh

    So schnell wie dieser drei bis vier-tägige Kriegsspuk die Region überfallen hatte, war auch wieder alles vorbei. Die Amerikaner zogen weiter über die Donau in Richtung Süden und von Wehrmachts- und Waffen-SS-Soldaten war nichts mehr zu sehen. Dennoch, die Grauen dieser kurzen aber heftigen Kampfhandlungen hatten ihre Spuren nicht nur an den Gebäuden, sondern auch bei den Menschen in den beiden Dörfern hinterlassen. So muss an dieser Stelle nach 75 Jahren Frieden in Deutschland auch der Zeitzeugenbericht des damaligen Ortspfarrers Schwarz aus der kleinen Landkreisgemeinde Bächingen wiedergegeben werden, den der frühere Bürgermeister Wilhelm Rochau, selbst Augenzeuge dieser Zeit, archiviert hat. Pfarrer Schwartz berichtet zu diesen Vorgängen im Dorf unter der Überschrift „Als der Krieg zu uns kam“: Am 23. April 1945 abends werden die Brücken gesprengt, die Schlossbrücke zunächst nicht. In der Nacht ziehen die deutschen Truppen in Bächingen ein. Schleppend und müde bewegt sich der Zug am Pfarrhaus vorbei, stumm, überanstrengt. Eintönig klappern die Seitengewehre am Kochgeschirr, Trinkbecher und Schanzzeug. Der einzige Weg, der noch gangbar ist, führt über die noch stehende Schlossbrücke.

    Rauch und Qualm stand in den Gundelfinger Straßen

    In der Nacht vom 23. auf 24. April kommt eine SS-Einheit ins Dorf. Sie lagert kurz und zieht dann wieder weiter. Doch neue Einheiten rücken nach. Diese bleiben im Schloss. Sie verschanzen sich im Pfarrgarten und im Schlosshof. Verschiedene Einwohner ziehen ab auf das freie Feld. Auf Wagen verpackt, nehmen sie den wichtigsten Hausrat mit. Ab und zu machen Flieger ihre Aufklärungsflüge. Mittags ist die Meinung im Dorf, alles ist vorüber, es besteht keine Gefahr mehr. Der Mesner meldet, durch die Sprengung der Brücke in Brenz sind etliche Fenster an der Kirche zerbrochen. Nachmittags kreisen wiederholt Flieger über den Ort.

    Plötzlich setzt der Angriff ein. Es ist um 15.30 Uhr. Im Tiefangriff erfolgt der Beschuss. Bald hängen Rauch und Qualm in den Straßen. Es gibt 45 Brandstellen. Unter den Toten sind Peter Seeßle, ehem. Schuster und Landwirt, Christian Schauz, ehemaliger Landwirt, Friedrich Brachert, Landwirt und Max Rosengart, ein vierjähriges Kind. Viele Menschen werden verwundet. Teils sind sie von Geschossen getroffen, teils erleiden sie bei Räumungsarbeiten im eigenen brennenden Haus Brand- und andere Wunden. Das Pfarrhaus wird geräumt, als die herrschaftliche Remise brennt. Doch das Feuer greift über. Nun geht’s ans Löschen. Die Hilfsbereitschaft der Schlossbewohner, die eifrig Wasser zutragen und die in Tätigkeit gesetzte Luftschutzspritze, bannen die Gefahr eines Pfarrhausbrandes. Dann bricht die Nacht herein.

    Entlang der Straße Richtung Bächingen verschanzt

    Der Feind rollt nachts mit seinen Panzern an und beschießt aus nördlicher Richtung die heimischen Truppen, die sich entlang der Straße Bächingen-Gundelfingen verschanzt haben. Etwa 30 eilig gegrabene Deckungslöcher werden gezählt. Die aufs Feld geflüchteten Bächinger geraten genau in die Schussrichtung. Werden jedoch nicht verletzt. Dagegen erleiden die Soldaten einige Verluste.

    Der Bächinger Keller wird zum Hauptverbandsplatz. Die meisten Gefallenen werden von dort nach Gundelfingen überführt. Ein paar hundert Meter weiter vor dem Keller wird nach den Kampfhandlungen ein Gefallener aufgefunden. Rechts an der Straße, wo er sich am Samstag, 28. April, eingegraben hat, ist er morgens um 7 Uhr gefallen. Danach flaut das Schießen ab. Die SS hat sich zurückgezogen und den Ort verlassen. Der Krieg im Dorf ist nach diesem Inferno endgültig vorbei.

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