Die Erschöpfung ist den beiden Frauen noch anzumerken. „Wir sind völlig fertig“, sagen sie und zeigen auf die Energydrinks in ihren Händen. „Das ist unser Schlafersatz.“ Die vergangenen Tage waren für die Pferdeliebhaber turbulent. Fast vier Nächte lang waren sie wach und lagen auf einer Pferdekoppel in Landshausen auf der Lauer.
Sie wollten denjenigen erwischen, der es auf ihre Stute abgesehen hatte. Geschafft haben sie das zwar nicht. Jetzt wollen die betroffene Stallbetreiberin sowie die Pferdebesitzerin aber andere warnen und zur Vorsicht aufrufen. Ihre Namen möchten sie dafür nicht in der Zeitung lesen. „Es soll nur um die Pferde gehen“, sagen sie.
Nachtwache in Landshausen: Ein Brecheisen zur Verteidigung
Los geht alles am vergangenen Donnerstag. Durch Zufall bemerkt die Besitzerin eine Verletzung ihres Pferdes, das im Syrgensteiner Ortsteil steht. Die Stute blutet im Genitalbereich. Die Besitzerin zieht eine Tierärztin zurate. Dem Anschein nach wurde dem Pferd ein Gegenstand eingeführt, der dort nicht hingehört. Die Polizei wird eingeschaltet. Doch die Beteiligten sind sich nicht sicher. Tags darauf, am Freitag, schaut sich die Besitzerin ihre Stute erneut genau an – und entdeckt eine frische Verletzung, wohl eine Schnittwunde, mit hellrotem Blut im Genitalbereich.
Jetzt sind sich die Betroffenen sicher: Ihre Befürchtungen haben sich bewahrheitet. Um den Täter auf frischer Tat zu erwischen, startet am Freitagabend eine große „Nachtwache“. Stallbetreiberin und Pferdebesitzerin legen sich zusammen mit Verwandten und Freunden auf die Lauer. Um sich im Ernstfall verteidigen zu können, haben sie sich unter anderem mit einem Brecheisen ausgerüstet. Auch die Polizei ist mit Zivilbeamten und einem Hundeführer vor Ort und observiert die Koppel.
Etwa gegen ein Uhr nachts bemerkt die Pferdebesitzerin, die an der Straße neben der Koppel Wache hält, den Scheinwerferkegel einer Taschenlampe. Wenige Momente später schreckt auch die Stallbesitzerin an der Pferdebox auf. Sie sieht, wie sich eine Person der Stute nähert. „Das war der Adrenalinstoß meines Lebens“, berichtet die Frau. „So gezittert wie in diesem Moment habe ich noch nie.“ Die Tiere um sie herum spüren offenbar auch, dass etwas nicht stimmt. Ein Wallach stürmt von den Stallungen auf die unbekannte Person zu und schlägt sie in die Flucht. Der Eindringling entkommt über ein Nachbargrundstück. So berichten es die beiden Frauen. Die Polizei kann dies nicht bestätigen. Laut Augenzeugen haben sich die Beamten an der anderen Ecke der Koppel befunden und konnten deshalb nichts sehen.
Falscher Alarm auf Facebook
Nach der Gewissheit, dass es jemand auf ihre Stute abgesehen hat, herrscht unter den Beteiligten des Stalls endgültig Aufregung. „Für einen Pferdeliebhaber ist es das Schlimmste, was passieren kann“, sagt die Besitzerin. Rückblickend beschreibt sie die Gefühlslage von sich und anderen Betroffenen als „hysterisch“ und „paranoid“. Als die Stallbetreiberin am Morgen nach der ersten Nachtwache in Landshausen einen Mann in einem Auto sieht, der seine Schuhe wechselt, schlägt sie auf Facebook Alarm. Möglicherweise handele es sich bei dem Mann in dem roten Kleinwagen um den Verdächtigen, schreibt sie in einer Gruppe für das Bachtal.
Dumm nur, dass die Pferdebesitzerin selbst einen roten Kleinwagen fährt. Am Abend versammeln sich die Pferdeliebhaber zur nächsten Nachtwache an der Koppel. Einem Nachbarn fällt der rote Wagen auf, der eigentlich der Pferdebesitzerin gehört. Er stellt ein Foto ihres Kennzeichens ins Internet. Viel Aufregung, die von der Suche nach dem Täter ablenkt. Den vagen Verdacht bezüglich des Autos einfach so im Netz zu posten, bezeichnen die Beteiligten im Nachhinein als „Fehler“. Auch deshalb spricht die Polizei von „irritierenden“ Angaben in diesem Fall.
Pferd verletzt: Dreieinhalb Nächte durchgemacht
Insgesamt dreieinhalb Nächte halten die Pferdefreunde Wache. Das Adrenalin lässt sie nicht an Schlaf denken. „Wir waren hellwach.“ Und ihnen fällt auf, wie dunkel und verlassen so eine Pferdekoppel in der Nacht ist. Nach dem ersten Vorfall legen sich zwei Frauen stundenlang im nassen Grass auf die Lauer, um bei einer möglichen Rückkehr des Täters bessere Chancen zu haben, ihn zu erwischen. Doch noch einmal lässt er sich nicht blicken.
Mittlerweile haben die Frauen aufgerüstet und den Stall mit Sicherheitstechnik ausgestattet. Die Stute wird keine bleibenden Schäden davontragen. „Ihre Wunde verheilt“, sagt die Besitzerin. Sie selbst ist nach wie vor aufgekratzt. „Das ist eine sehr emotionale Sache“, sagt sie. „Ich bin erst beruhigt, wenn der Täter geschnappt ist.“
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