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Kreis Dillingen: Baby ausgesetzt: Dieses Paar hat den Säugling wohl gerettet

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Baby ausgesetzt: Dieses Paar hat den Säugling wohl gerettet

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    Hier, an dieser Stelle im Gras, hat Wolfgang Heilmann aus Unterglauheim am Montagmittag einen ausgesetzten Säugling gefunden. Seine Frau Angelika brachte das Neugeborene, das unterkühlt war, ins Haus und kümmerte sich um das Findelkind.
    Hier, an dieser Stelle im Gras, hat Wolfgang Heilmann aus Unterglauheim am Montagmittag einen ausgesetzten Säugling gefunden. Seine Frau Angelika brachte das Neugeborene, das unterkühlt war, ins Haus und kümmerte sich um das Findelkind. Foto: Andreas Schopf

    Wolfgang Heilmann ist seit Montagmittag mehrfach an diese Stelle zurückgekehrt. An diese weitläufige Wiese mit dem kniehohen Gras und dem Weg, der eigentlich gar kein offizieller Weg ist. Und natürlich dieses kleine, platt gedrückte Stück Erde, umgeben von Gras und Löwenzahn. „Ich musste hier noch einmal in mich gehen und die Gedanken sortieren“, sagt er.

    Säugling ausgesetzt: Rettung hat viel mit Zufall zu tun

    Das, was Heilmann und seine Frau Angelika am Montag erlebt haben, wird die beiden so schnell nicht loslassen. Die Unterglauheimer haben auf einer Wiese in der Nähe ihres Hauses einen ausgesetzten Säugling gefunden (lesen Sie hier mehr dazu). Die Umstände sind dramatisch. Dass das Paar das Neugeborene wohl retten konnte, hat viel mit Zufall zu tun. „Es war eine Verkettung von glücklichen Umständen“, sagt Wolfgang Heilmann.

    Der 62-jährige Rentner geht normalerweise morgens mit den beiden Pudeln Gassi. In dieser Woche hat seine berufstätige Frau Urlaub. Deshalb ist er am Montag erst mittags mit den Hunden aufgebrochen. Gleich angrenzend zum Grundstück der Heilmanns führt ein offizieller Weg, den viele zum Spazieren nutzen. Manchmal auch die Heilmanns. Nicht aber am Montag. An diesem Tag nimmt Wolfgang Heilmann einen anderen Pfad – eine Art Feldweg, als solcher kaum zu erkennen, der zwischen angrenzenden Grundstücken und einer Wiese verläuft. „Hier kommt nie jemand vorbei“, sagt Heilmann. „Außer vielleicht mal ein Bulldog.“

    Beim Gassigehen hört er aus der Wiese neben sich plötzlich ein „Quieken“, wie er es nennt. Sein erster Gedanke: Katzenbabys. Er ist still und hört noch einmal genau hin. Wieder hört er dieses Winseln, und geht ein paar Schritte in die Wiese. Und da sieht er es. Ein verlassenes, hilfloses Baby, mitten im Gras. Es liegt völlig nackt auf der Erde, ohne Windel, Tuch oder Körbchen. Vom Bauch hängt noch ein Stück Nabelschnur ab. An den Füßen klebt vertrocknetes Blut. Über den Körper klettern Ameisen. Das Köpfchen des winselnden Geschöpfes ist nach rechts gedreht, die Beinchen bewegt es hin und her. „Der Anblick war ein Schock“, sagt Heilmann, der sich in diesem Moment plötzlich selbst hilflos fühlt.

    Das Neugeborene ist unterkühlt

    Er streicht einmal mit dem Finger über den Bauch des Säuglings, dann rennt er los. Zu seinem Haus sind es etwa 50 Meter. Heilmann wählt den Notruf. In der Zwischenzeit eilt seine Frau hinaus zur Wiese. Dort angekommen, kann Angelika Heilmann selbst kaum glauben, was sie sieht. Sie hat eine Decke dabei, um das Baby vor den Strahlen der Mittagssonne zu schützen. Doch Heilmann schaut sich den Bub genauer an. Dessen Lippen sind blau, die Haut ist kalt. Der Kleine ist unterkühlt. „Mir war klar, dass ich schnell handeln muss“, sagt Angelika Heilmann. Die 59-Jährige nimmt das Findelkind auf den Arm, bringt es ins Haus und erhitzt Wasser für eine Wärmflasche.

    Dann kommen auch schon die Rettungskräfte, die im Haus der Heilmanns den Säugling untersuchen. Er bekommt eine Sauerstoffmaske aufgesetzt, eine Infusion gelegt und wird in eine Wärmedecke eingewickelt. Auch durch Handauflegen versuchen die Helfer, den Körper des Babys zu wärmen. In der Zwischenzeit ist auf der Wiese nebenan ein Hubschrauber der Polizei gelandet, der das Neugeborene in eine Kinderklinik nach Augsburg bringt. Nach Angaben des Ehepaars stellt ein Arzt fest, dass das Baby etwa drei Stunden auf der Welt war, als es Wolfgang Heilmann im Gras fand.

    Baby im Kreis Dillingen ausgesetzt: Mutter sitzt in U-Haft

    Nachdem der Hubschrauber aus Unterglauheim abgehoben ist, ist der Trubel im Blindheimer Ortsteil noch nicht vorbei. Rund ein Dutzend Fahrzeuge der Polizei ist vor Ort. Einsatzkräfte durchforsten das Gebiet um die Wiese, auch ein Suchhund ist im Einsatz. Von der Mutter fehlt zunächst jede Spur. Polizisten befragen Anwohner, ob sie eine hochschwangere Frau gesehen haben. Die Spur führt schnell nach Dillingen. Nach Angaben der Polizei finden Beamte bereits um kurz nach 13 Uhr die 31-Jährige dort in ihrer Wohnung – nur rund eineinviertel Stunden nach dem ersten Notruf von Wolfgang Heilmann. Die Dillinger Kriminalpolizei befragt die Frau. Am Dienstag wird sie dem Ermittlungsrichter beim Amtsgericht Augsburg vorgeführt. Anschließend muss sie hinter Gitter – in Untersuchungshaft. Gegen die Frau wurde ein Haftbefehl wegen versuchten Totschlags, gefährlicher Körperverletzung und Aussetzung erlassen. Zum Zustand des Säuglings kann Siegfried Hartmann, Sprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Nord, auf Anfrage mitteilen, dass er am Leben ist. Doch er betont: „Der Zustand ist kritisch.“

    Dass das Neugeborene die Angelegenheit überlebt, ist für Wolfgang und Angelika Heilmann das Wichtigste. Den Anblick, wie der Kleine hilflos und verlassen im Gras liegt, werden sie so schnell nicht vergessen. „Die Bilder holen mich immer wieder ein“, sagt Wolfgang Heilmann. Und sie sind sich bewusst, welches Glück der Säugling wohl hatte. Wäre der 62-Jährige nicht zufällig zu dieser Zeit an diesem Ort vorbeigelaufen, und hätte das Baby nicht in diesem Moment gewinselt – wer weiß, ob es rechtzeitig von irgendjemandem gefunden worden wäre. „Das mag man sich nicht vorstellen“, sagt Angelika Heilmann.

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