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Kreis Dillingen: Alter Vertrag: Lauingen will nicht mehr für Kirche zahlen

Kreis Dillingen

Alter Vertrag: Lauingen will nicht mehr für Kirche zahlen

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    Das mächtige Martinsmünster dominiert das Lauinger Stadtbild.
    Das mächtige Martinsmünster dominiert das Lauinger Stadtbild. Foto: Marcus Merk (Archivfoto)

    Das Thema der jüngsten Lauinger Stadtratssitzung schien unspektakulär. Zumal mit der Ansiedlung des neuen Einkaufszentrums und dem gewünschten Schuldenschnitt richtige Kracher auf der Tagesordnung standen. Da schien die anstehende Sanierung des Turmdachs des Lauinger Martinsmünsters eher eine Marginalie. In der Sitzung entbrannte allerdings eine Debatte, die vor fast 200 Jahren schon einmal im Rathaus der Mohrenstadt geführt worden war. Der Tenor: Lauingen hat es satt, wegen eines nahezu 500 Jahre alten Vertrags weiter für die Sanierung des Martinsmünsters aufzukommen. Und weil beim angedachten Schuldenschnitt – ein Programm des Freistaats – auch der Verzicht auf freiwillige Leistungen gefordert wird, riet SPD-Stadtrat Walter Gruber, die Stadt möge doch bitte einmal bei der Baulast für die Kirchen aussetzen. Seine Anmerkung: Das sei nicht so schlimm, denn die Kirche schwimme ja im Geld.

    Zweiter Bürgermeister von Lauingen beklagt "extreme Kostenexplosion"

    Konkret befassten sich die Räte mit einer Kostensteigerung bei der Turmdachsanierung. Noch im Mai ging das Planungsbüro von Kosten in Höhe von 229.000 Euro aus. Bei einer Ortsbegehung kamen Planer, Kirchenvertreter sowie Experten der Denkmalpflege und der Stadt zu der Einsicht, dass neben der Innensanierung des Turms gleich auch die Mängel an der Fassade und an den Blechverwahrungen beseitigt werden sollten. Die Kostenschätzung stieg damit auf 347.000 Euro. Zweiter Bürgermeister Dietmar Bulling zeigte sich verärgert über die „extreme Kostenexplosion“. Und er forderte, noch einmal mit der Diözese Augsburg über höhere Zuschüsse zu reden.

    Martin Knecht (SPD) wiederum erinnerte daran, dass das Thema schon vor zwei Jahren auf der Tagesordnung stand. Er habe damals eine komplette Aufstellung der notwendigen Sanierungsarbeiten gefordert, sagte das frühere Kirchenverwaltungsmitglied von St. Martin. Dies hätte 25.000 Euro gekostet. Der Rat habe zunächst dagegen gestimmt, weil er die Rechtsgrundlage für die Baulast in Zweifel zog. Als ein Kirchenrechtler die Sache geklärt hatte, habe das Gremium einer anteiligen Kostenübernahme bei dieser Voruntersuchung zugestimmt, erläutert Knecht auf Anfrage unserer Zeitung. Leider hätten dies weder die Stadt noch die Pfarrei oder die Diözese weiterverfolgt.

    Dies könnte laut Knecht aber jetzt dazu führen, dass es bei nun anstehenden Turmdachsanierung ständig Überraschungen gibt, weil man sich im Vorfeld kein Gesamtbild über den Sanierungsaufwand verschafft habe. 2021 könne die Pfarrei St. Martin das 500-jährige Bestehen des Münsters feiern. Und der Wunsch vieler Pfarreiangehörigen sei es wohl, dass bis dahin die notwendigsten Sanierungsarbeiten erledigt sein sollten, vermutet Knecht. Das Stadtratsgremium genehmigte schließlich vorige Woche gegen die Stimmen von Gruber, Bulling und Bernhard Zenetti (FW) die Kostensteigerung und verschob die Turmdachsanierung ins Jahr 2020.

    Seit mehreren Jahren laufen Versuche, aus der Verpflichtung herauszukommen

    Vom Tisch ist die Debatte über den Bauunterhalt damit aber noch lange nicht. Nach Informationen unserer Zeitung laufen seit mehreren Jahren Versuche, aus dieser Verpflichtung herauszukommen. Wie der Geschäftsleiter der Stadt Lauingen, Martin Winkler, auf Anfrage erläutert, stammt der Vertrag, der Lauingen wie eine Laus auf der Leber liegt, aus dem Jahr 1531. Damals habe die Stadt vom Kloster Ettal den Anspruch erworben, den Zehnt (eine Art Steuer in Naturalien oder Geld) bei den Katholiken einzutreiben. Und daran sei die Verpflichtung geknüpft worden, für den Bauunterhalt des Martinsmünsters aufzukommen. Winkler glaubt, dass die Erhebung des Zehnts damals ein gutes Geschäft war. Das habe sich natürlich verändert, den Zehnten gebe es längst nicht mehr, geblieben sei aber die Verpflichtung. In den 1980er Jahren habe die letzte große Sanierung des Martinsmünsters Millionen gekostet. Und deshalb laufen laut Winkler seit Jahren Gespräche mit der Pfarrei und der Bischöflichen Finanzkammer, ob man diese Verpflichtung nicht ablösen könne. Zumal Lauingen bisher auch noch am Unterhalt der Augustinerkirche (Eigentümer Freistaat Bayern) beteiligt ist.

    „Die Bauverpflichtung können wir nur in gegenseitigem Einvernehmen losbekommen“, sagt Winkler. Bisher ohne Erfolg. Bereits im Jahr 1842 habe der Stadtmagistrat einen Anlauf unternommen. Das Gremium wollte nur eine „subsidiäre“ Unterhaltspflicht für das Münster anerkennen – also zahlen, wenn die Kirche nicht kann – und keine grundsätzliche. Die Prüfung habe aber ergeben, dass die Stadt „von Haus aus den Unterhalt für die Stadtpfarrkirche zahlen muss“.

    Stadtpfarrer Raffaele De Blasi sagt, er sei sehr dankbar, dass die Stadt ihre Aufgaben so zuverlässig wahrgenommen habe. Dies sei nicht selbstverständlich. Der Vertrag zum Bauunterhalt sei „hieb- und stichfest“. Er wolle auch nicht, dass die Stadt unter der Last zusammenbreche und könne auch die Stadträte gut verstehen. Ihm sei an einem guten Miteinander gelegen, betont De Blasi. Und er habe sich auch jetzt noch einmal an das Bistum Augsburg gewandt, damit es die Zuschüsse erhöht. „Die Kirche in Lauingen schwimmt sicher nicht im Geld“, sagt der Stadtpfarrer. Und die Stadt habe auch ein Patronatsrecht: Die bedeutet, dass sich der Lauinger Stadtrat unter den Bewerbern den Stadtpfarrer heraussuchen kann. Wenn es allerdings nur einen Bewerber gibt, sei die Wahl nicht groß, räumt De Blasi ein. Er empfiehlt, das Martinsmünster auch als Schatz und nicht nur als Last zu sehen. „Dieses Gotteshaus ist etwas ganz Grandioses.“ Es ziehe viele Touristen an, und er liebe diese Kirche sehr. Sie sei prägend für Lauingen. Und es müsse im Interesse der Stadt sein, gemeinsam mit der Pfarrei dieses Juwel zu erhalten.

    "Jährlich fallen sechsstellige Beträge im Haushalt an"

    Stadtrat Knecht wiederum sagt, er könne den Unmut seines Fraktionskollegen Gruber nachvollziehen. Lauingen sei durch eine Vereinbarung geknechtet, die fast 500 Jahre alt ist. In den Nachbarstädten Dillingen und Gundelfingen sei dies nicht der Fall. Wenn man die millionenschweren Sanierungen herunterrechne, „dann fallen jährlich sechsstellige Beträge im städtischen Haushalt an“, glaubt Knecht. Im ganzen Bistum Augsburg gebe es nur noch ein halbes Dutzend Kommunen, in denen das Patronatsrecht gilt.

    Bürgermeisterin Katja Müller (CSU) sagt, sie werde weitere Gespräche führen, um aus dieser Verpflichtung herauszukommen. „Die Kosten bei den Sanierungen des Martinsmünsters sind extrem hoch“, stellt die Rathauschefin fest. Die Stadt werde es juristisch prüfen lassen, ob die Grundlage dieser alten Vereinbarung heute noch gültig sein kann.

    Lesen Sie dazu den Kommentar: Lauingen sollte sich von dieser Last befreien

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