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Justiz: Wende im Totschlag-Prozess: „Heroin ist ein Teufelszeug“

Justiz

Wende im Totschlag-Prozess: „Heroin ist ein Teufelszeug“

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    Ein 36-Jähriger aus dem Kreis Donau-Ries ist nach dem Konsum von Heroin gestorben. Ein beteiligtes Paar aus dem Kreis Dillingen muss sich deswegen vor dem Augsburger Landgericht verantworten..
    Ein 36-Jähriger aus dem Kreis Donau-Ries ist nach dem Konsum von Heroin gestorben. Ein beteiligtes Paar aus dem Kreis Dillingen muss sich deswegen vor dem Augsburger Landgericht verantworten.. Foto: Boris Roessler, dpa (Symbol)

    Wende im Dillinger „Totschlag-Prozess“: Die beiden Angeklagten, ein 32-Jähriger sowie eine 30-Jährige aus dem Landkreis Dillingen, müssen nicht mehr mit langjährigen Haftstrafen rechnen. Die Anklage der Staatsanwaltschaft hatte den beiden Totschlag durch Unterlassen vorgeworfen (lesen Sie hier mehr dazu). Sie sollen im November 2017 beim gemeinsamen Drogenkonsum mit einem befreundeten 36-Jährigen diesem trotz seines lebensbedrohlichen Zustands eine Heroinspritze verabreicht und dadurch dessen Tod mitverantwortet haben.

    Ein Vorwurf bestätigt sich nicht

    Der Prozess am Augsburger Landgericht hat diesen Anklagepunkt nicht bestätigt. Zwei Sachverständige waren sich uneinig darüber, wann genau eine Einstichstelle auf der Hand des Verstorbenen entstanden war. So war nicht eindeutig feststellbar, ob die Angeklagten überhaupt eine Spritze verabreicht hatten. Aus dem anfänglichen Vorwurf des Totschlags durch Unterlassen bleibt so voraussichtlich nur noch unterlassene Hilfeleistung. Das Pärchen hatte, obwohl der 36-Jährige aus dem Kreis Donau-Ries nach Drogen- und Alkoholkonsum Atemprobleme bekam und in einem lebensbedrohlichen Zustand war, keinen Arzt gerufen. Stattdessen beseitigte es, nachdem es am nächsten Morgen den Tod des Freundes festgestellt hatte, den Leichnam an einem B16-Parkplatz bei Günzburg.

    Wie schuldfähig waren die beiden Angeklagten?

    Im Rahmen der Verhandlungen in dieser Woche ging es um die Frage, inwieweit die beiden Angeklagten angesichts ihres eigenen Rauschmittelkonsums schuldfähig gewesen waren. Hauptbeweismittel hierfür war ein Video, das die Angeklagte an jenem Abend mit ihrem Handy angefertigt hatte. Anhand dieser Aufnahmen versuchten Sachverständige, den Grad des Rausches der Beteiligten auszumachen. Diese hatten zuvor unter anderem Heroin, Cannabis und Alkohol konsumiert. Die 30-Jährige selbst machte im Video einen verhältnismäßig fitten Eindruck. Sie kann für ihr Urteil mit keiner verminderten Schuldfähigkeit rechnen.

    Anders sieht es beim 32-Jährigen aus. Ein Sachverständiger bescheinigte ihm eine erheblich herabgesetzte Steuerungsfähigkeit, die eine verminderte Schuldfähigkeit rechtfertigen würde. Außerdem führte er ins Feld, dass es in der Drogenszene verpönt sei, einen Arzt zu rufen. Für eine komplette Schuldunfähigkeit sei der Rausch jedoch nicht schlimm genug gewesen. Auf dem Video sehe man, dass der Mann auf Ansprachen reagierte und dem späteren Todesopfer sogar Hilfe in Form von Wasser und frischer Luft zukommen ließ.

    Angeklagte lehnen stationäre Therapie ab

    Ein Punkt, den Verteidiger Georg Zengerle, neben dem Rausch, zugunsten seines Mandanten ins Feld führte. Zengerle sowie Verteidiger-Kollege Florian Wurtinger betonten in ihren Plädoyers, dass man keineswegs mehr von einem Tötungsdelikt sprechen könne, sondern, wenn überhaupt, von unterlassener Hilfeleistung. Und selbst diesen Vorwurf stellten die Rechtsanwälte infrage. Sie forderten eine Bewährungsstrafe von sieben Monaten für ihn beziehungsweise zehn Monaten für sie – der Frau wird zusätzlich die unerlaubte Beschaffung von Drogen vorgeworfen. Eine stationäre Unterbringung zur Therapie lehnten die Verteidiger im Namen ihrer Mandanten ab.

    „Sie sind eine Gefahr für die Gesellschaft“

    Ein Punkt, den Staatsanwalt Michael Nißl kritisierte. „Sie sind eine Gefahr für die Gesellschaft“, richtete er sich an die Angeklagten, die zuletzt drogenabhängig waren. Laut Nißl würde eine Therapie, die lediglich ambulant verläuft, nicht helfen. Bezüglich der Tat sprach er davon, dass es auch der freie Entschluss des 36-Jährigen war, Drogen zu konsumieren – und damit in den Grenzbereich zum Tod zu kommen. Nißl forderte für die 30-Jährige eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und einem Monat. Bezüglich des 32-Jährigen sprach er sich für eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten aus – ohne Bewährung. Da der Mann zur Tatzeit bereits unter Bewährung gestanden hatte, bezeichnete ihn Nißl als „Bewährungsversager“ mit keiner positiven Sozialprognose.

    Weil sich der Vorwurf des Totschlags nicht erhärtete, wurden die Haftbefehle gegen die Angeklagten fallengelassen. Der 32-Jährige sitzt jedoch wegen eines vorangegangenen Drogendelikts weiter in Haft. Er betonte im Schlusswort, ebenso wie die 30-Jährige, wie leid ihm alles tue, und sprach vom „größten Schock seines Lebens“. „Heroin ist ein Teufelszeug“, verwies er auf den Rausch an jenem Abend. Das Urteil fällt am kommenden Montag.

    Lesen Sie hier die Hintergründe zu diesem Prozess:

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