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Interview: Strasser: Mit Solarstrom Krankenhaus-Defizite ausgleichen

Interview

Strasser: Mit Solarstrom Krankenhaus-Defizite ausgleichen

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    Hinten der dampfende Kühlturm des Gundremminger Kernkraftwerks, im Vordergrund der Solarpark Helmeringen bei Lauingen, den der frühere Landtagsabgeordnete Johannes Strasser entwickelt hat. Der Gundelfinger hat ausgerechnet, dass Lauingen dadurch jährlich etwa 250000 Euro Gewerbesteuer erhält.
    Hinten der dampfende Kühlturm des Gundremminger Kernkraftwerks, im Vordergrund der Solarpark Helmeringen bei Lauingen, den der frühere Landtagsabgeordnete Johannes Strasser entwickelt hat. Der Gundelfinger hat ausgerechnet, dass Lauingen dadurch jährlich etwa 250000 Euro Gewerbesteuer erhält. Foto: Berthold Veh

    Was treibt Sie im Alter von 73 Jahren an, zu arbeiten, während andere ihren Ruhestand genießen?

    Johannes Strasser: Im Jahre 2003 bin ich mit 58 Jahren aus der aktiven Politik ausgeschieden, nachdem ich 14 Jahre Bürgermeister in Tapfheim und 17 Jahre Abgeordneter im Bayerischen Landtag war. Für mich kam es zu früh, mich zur Ruhe zu setzen. Ich war dann an der Universität Augsburg und Bundeswehr-Universität in München als Dozent tätig, und als Energieberater und Energiemanager für erneuerbare Energien. Mein Büro Energy Forever ist für verschiedene Firmen und Zweckverbände tätig.

    Sie haben immer wieder kritisiert, dass die Landkreise Dillingen und Günzburg nach dem Atomausstieg die Energiewende verschlafen. Warum?

    Strasser: Zu dieser Aussage stehe ich nach wie vor. Gundremmingen hat jahrzehntelang Bayern und die Bundesrepublik mit Strom versorgt, und somit wesentlich zum wirtschaftlichen Aufschwung beigetragen. Jetzt hierfür mit einem Zwischenlager, einer Atommüllhalde oder einem Reservegaskraftwerk abgespeist zu werden, ist nicht in Ordnung. Gundremmingen und das Donauried sollen weiterhin ein Energiezentrum bleiben. Daher mein Konzept aus dem Jahr 2011 mit einem Energiezentrum Donauried. Das muss von unten gefordert werden gegenüber der Politik und den Energiekonzernen.

    Sie haben ein Forschungsprojekt für die Speicherung regenerativer Energie gefordert. Funktioniert diese Power-to-Gas-Methode?

    Strasser: Die „Power-to-Gas-Technologie“ ist nicht neu. Zum ersten Mal haben wir, Dr. Stephan Pohlner aus Nördlingen und ich, 2010 die „Power-to-Gas“-Technologie im Konzept für das Donauried erstellt, dem Ministerium vorgestellt und die Kommunalpolitik informiert. Das Interesse daran war gleich null. Im ganzen Bundesgebiet entstehen Forschungszentren für diese Technologie, nur bei uns nicht. Im Zusammenhang mit dem Abschalten von Gundremmingen wäre dies eine Chance für die Region gewesen. Die Kommunalpolitik ließ sich mit einem Standort für ein Reservegaskraft abspeisen. Allein die Planungskosten verschlingen Millionen Euro, die der Stromkunde letztendlich zu leisten hat.

    Forschung kostet vorab Geld. Warum hätte sich das Projekt für die Region gerechnet?

    Strasser: Rechnet sich ein Reservegaskraftwerk? Nein! Der Steuerzahler muss drauflegen, obwohl es ein Projekt von „Gestern“ ist. Doch die Kommunen wollen es. Eine Milliarde Euro hat die Bundesregierung 2017 für die Forschung, Entwicklung und Demonstration von Energietechnologien aufgewendet. Die Forderung für einen nachhaltig angelegten Energiepark im Donauried wäre doch berechtigt, Anschubfinanzierung ja, dauernde Subventionen nein. Auch die Errichtung des Atomkraftwerks Gundremmingen benötigte eine Anschubfinanzierung.

    Wie sieht das „Power-to-Gas“-Projekt aus, das Sie mit den Stadtwerken Augsburg realisiert haben?

    Strasser: Im September 2018 wird das Projekt in Betrieb genommen. Auf einem Wohnblock mit 80 Wohneinheiten wird eine Fotovoltaik-Anlage mit einer Leistung von 140 Kilowatt Peak (Spitzenleistung, kWp) installiert. Sie liefert Strom in die Wohnungen. Allerdings besteht vormittags kein Strombedarf, da die Bewohner in der Arbeit sind. Daher wird mit überschüssig erzeugtem „grünen“ Strom mittels eines Elektrolyseurs synthetisches Erdgas hergestellt, in unterirdischen Tanks gespeichert und am Abend, wenn Strom und Wärme benötigt werden, damit ein Blockheizkraftwerk betrieben und damit die Wohnungen mit Strom und Wärme versorgt. Zum ersten Mal im Bundesgebiet, also einmalig, es ist eine Weiterentwicklung der bisherigen „Power-to-Gas“-Technologie.

    Wie sieht es mit den schwimmenden Fotovoltaikanlagen aus. Wo haben Sie Projekte verwirklicht?

    Strasser: Es gibt eine von uns entwickelte Pilotanlage. Wir haben zum ersten Mal im Bundesgebiet eine wasserrechtliche Genehmigung für schwimmende Fotovoltaik- Anlagen erhalten. 32 Inseln mit einer Leistung von 96 kWp werden in diesem September in Asbach-Bäumenheim installiert, mit dem erzeugten Strom wird zum Teil ein Dieselaggregat ersetzt. 35 Inseln von uns hat ein großer Zweckverband im Schwarzwald für eine Trinkwassertalsperre im Wirtschaftsplan 2018 fest vorgesehen. Der erzeugte Strom wird selbst verbraucht. Ein Konzept für eine Sauerstoffzufuhr in tiefere Gewässerschichten mit einer schwimmenden PV-Insel, auf der ein Pumpensystem installiert ist, wurde für die Trinkwassertalsperre erstellt. Dadurch soll das „Kippen“ der Seen verhindert und der Algenwuchs gestoppt werden. Anfragen aus dem ganzen Bundesgebiet für schwimmende PV-Anlagen liegen vor.

    Wie viele Solarparks haben Sie bereits geplant? Und wie viele stehen im Landkreis Dillingen?

    Strasser: Insgesamt wurden elf Solarparks mit einer Leistung von 79 Megawatt errichtet, davon stehen sieben mit einer Leistung von 39,6 Megawatt im Landkreis Dillingen, mit Helmeringen der größte in Bayern. Und die erste Genossenschaft in Nordschwaben gibt es in Bachhagel. Sie läuft hervorragend und wirft ordentliche Rendite ab. Außerdem war mein Büro bei sechs Windparks in Bayern mit 21 Windenergieanlagen tätig – aber nicht beim Windpark Zöschingen.

    Wieviel Gewerbesteuer fließt dadurch an Kommunen in der Region?

    Strasser: Wenn das Investorenkonzept richtig gewählt wird, fließen beachtliche Summen an kommunaler Gewerbesteuer und somit über die Kreisumlage in den Landkreis. Die Stadt Lauingen dürfte für die Anlagen zwischen Lauingen und Gundremmingen – Leistung 25,4 Megawatt – zwischen 250000 und 300000 Euro jährlich an Gewerbesteuer erhalten. Hinzu kommt noch, dass für die Flächen nicht mehr Grundsteuer A, sondern Grundsteuer B zu entrichten ist. Für die Anlagen in Bachhagel und Harthausen dürfte die Gewerbesteuereinnahme ähnlich positiv sein.

    Die Anklage gegen Sie wegen Betrugs ist inzwischen endgültig vom Tisch. Haben Sie in dieser Sache Fehler gemacht?

    Strasser: Jedes Verfahren belastet. Das Problem liegt doch darin, dass ich für eine Vergütung für erbrachte Leistungen nicht, wie vereinbart, bezahlt wurde und daher prozessieren musste. Wäre die später erstrittene Vergütung rechtzeitig geleistet worden, hätte es keine Verbindlichkeiten gegeben.

    Welche Projekte werden Sie demnächst angehen?

    Strasser: Mit der Errichtung einer Fotovoltaik-Anlage auf der Bauschuttdeponie in Lauingen wird demnächst begonnen, im nächsten Jahr folgt der 2. Abschnitt, insgesamt 1,5 kWp (Lesen Sie dazu: Auf einer alten Lauinger Deponie wird Strom erzeugt). Rechnerisch können etwa 450 Haushalte jährlich mit Strom versorgt werden und 724000 Kilo CO2 pro Jahr eingespart werden. Weitere sieben Projekte sind in der Planungsphase für die Jahre 2019 und 2020, unter anderem auch ein PV-Elektrizitätswerk zur teilweise Eigenversorgung einer Mühle. Zum ersten Mal wird ein derartiges Energiekonzept in Nordschwaben realisiert.

    Sie haben jüngst gegenüber unserer Zeitung geäußert, dass der Landkreis Dillingen in erneuerbare Energien investieren sollte, um seine Defizite in den Kliniken finanzieren zu können.

    Strasser: Die jetzige Situation mit den Defiziten der Krankenhäuser in ländlichen Regionen liegt an deren Finanzausstattung. Da die wirtschaftliche „Messlatte“ für alle Krankenhäuser, gleich ob Land oder Stadt, gilt, kann dieses System nicht funktionieren, es geht immer zu Lasten des ländlichen Raumes. Wenn die Krankenhäuser in ländlichen Regionen mit einer Art „Hartz-IV-Subvention“ abgespeist werden, wird das Problem nicht gelöst, ebenfalls nicht mit ständigen internen Umstrukturierungsmaßnahmen oder der Suche nach Nischen. Da auf dem Land für die Ballungsräume Energie produziert wird, sollte umgekehrt einmal überlegt werden, wie die Energiegewinnung besser für die ländlichen Regionen genutzt werden könnte. Warum sollte nicht einmal eine Eigeninitiative ergriffen werden, etwa Fotovoltaik-Anlagen beispielsweise auf Deponien zu bauen und den Gewinn zweckgebunden den Krankenhäusern zur Verfügung zu stellen. Wenn Lauingen jährlich etwa 250000 Euro an Gewerbesteuer erhält, sollte doch niemand glauben, dass die Fotovoltaik-Anlagen keine Gewinne abwerfen, diesmal nicht für die Aktionäre, sondern für die Krankenhäuser.

    Lesen Sie auch: Auf einer alten Lauinger Deponie wird Strom erzeugt

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