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Interview: Buttenwiesener Naturschützer ist gegen Straßenausbau im Donauried

Interview

Buttenwiesener Naturschützer ist gegen Straßenausbau im Donauried

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    Die Straße von Pfaffenhofen nach Tapfheim ist seit Jahren sanierungsbedürftig. Kann es sein, dass statt dem großflächigen Ausbau doch noch eine einfache Sanierung kommt?
    Die Straße von Pfaffenhofen nach Tapfheim ist seit Jahren sanierungsbedürftig. Kann es sein, dass statt dem großflächigen Ausbau doch noch eine einfache Sanierung kommt?

    Gernot Hartwig aus Buttenwiesen ist ehemaliger Grundschullehrer, war 24 Jahre lang Gemeinderat und stets leidenschaftlicher Naturschützer. Am Samstag wird der 73-Jährige im Fernsehen zu sehen sein.

    Der Blick richtet sich auf den Protest gegen überdimensionierten Straßenausbau. Was konnte zugunsten der Heimat verhindert werden? Worum geht es im Moment? Im Gespräch mit unserer Zeitung bietet Hartwig auch konkrete Lösungen an. Und er hofft auf einen Wertewandel in der derzeitigen Krisensituation.

    Sie hatten vor kurzem Besuch vom Bayerischen Rundfunk. Gedreht wurde für die Fernsehsendung „Zwischen Spessart und Karwendel“. Um was geht es?

    Gernot Hartwig: Der Umweltspezialist des Bayerischen Rundfunks, Georg Bayerle, hat mich besucht. Mit einem Film unter dem Arbeitsobertitel „Gerettete Landschaft“ will er zeigen, dass Widerstand gegen Straßen auch Heimat rettet. Das war sein Gedanke. Zwar brauchen wir Straßen, aber zuviel bringt nichts. So habe ich ihn verstanden.

    Dafür hat er Sie zuhause besucht?

    Hartwig: Mein Haus liegt günstig. Erst konnte ich ihm zeigen, dass direkt gegenüber ein Rewe-Markt und neben mir eine Gärtnerei und ein Café aufgemacht haben. Von wegen, nur Umgehungsstraßen ziehen Geschäfte an. Anschließend demonstrierte ich ihm, wo die Straße verlaufen wäre, wenn der Bürgerentscheid damals verloren worden wäre, sprich eine Gesamtumfahrung der Großgemeinde Buttenwiesen sich durchgesetzt hätte. In Vorderried hätten Felder, Wiesen und Wald für die neue Straße herhalten müssen.

    Erzählen Sie noch etwas weiter von den Filmaufnahmen …

    Hartwig: Danach ging’s darum, was heute beziehungsweise in der Zukunft ansteht. Da hatte ich natürlich sofort etwas: die Gemeindeverbindungsstraße zwischen Tapfheim und Buttenwiesen. Als wir rausfuhren ins Donauried, habe ich ihm erklärt, dass wir als Gemeinde Zuschüsse brauchen. Das weiß ich als langjähriger Gemeinderat sehr gut. Die sind gerade auf dem Land unbedingt notwendig, wo die Gewerbesteuern niedriger als in den Städten sind. Doch ich finde, dass die Zuschüsse sich unbedingt ökologisch zu orientieren haben. Ich stelle mir das so vor: Je mehr Natur erhalten bleibt, desto höher ist der Zuschuss. Und je mehr Natur zerstört wird, umso weniger Zuschuss gibt es. Bei dem geplanten Ausbau würde es demnach kaum noch einen Zuschuss geben, da massiv Natur zerstört wird.

    Zuschüsse sollte es nur für umweltfreundliche Projekte geben, findet Hartwig

    Wie ist momentan die Praxis bei den Zuschüssen?

    Hartwig: Der Zuschuss ist prozentual zu den Baukosten. Wenn die Baukosten steigen, gibt’s einen höheren Zuschuss. Daher planen und bauen Gemeinden so massiv und breit wie möglich – mit dem Hintergedanken, dass sie lange nichts mehr sanieren müssen. Wenn der Zuschuss so hoch ist, lohnt es sich nicht mehr, Rücksicht auf die Natur zu nehmen. So hätte es beispielsweise in Rieblingen keine solch lang gezogenen Brücken und tiefe Einschnitte gebraucht. Unsere Kinder und Enkel werden die Unterhaltskosten dafür bezahlen müssen.

    Zurück ins Donauried. Sehen Sie noch realistische Chancen dafür, den Straßenausbau zwischen Pfaffenhofen und Tapfheim zu verhindern?

    Gernot Hartwig
    Gernot Hartwig

    Hartwig: Ich sehe es als sehr realistisch an, dass sich nochmals die ganze Planung ändert. Das wäre sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvoll.

    Der Beschluss, die Straße in großem Maß auszubauen, steht aber doch bereits.

    Hartwig: Die Planungen gingen 2006 los, eine erste Abstimmung gab’s im Buttenwiesener Gemeinderat 2009. Im Juli 2017 fiel dann ein endgültiger Beschluss zum Ausbau. Das ist drei Jahre her. Ich frage mich, wie lange Zuschusszusagen der Regierung von Schwaben gelten. Da gibt es Fristen. Vom Anstieg der Kosten ganz abgesehen.

    Corona könnte das Bewusstsein für die Natur ändern

    Hat die derzeitige Corona-Krise irgendwelche Auswirkungen auf den Straßenbau beziehungsweise den Protest? Hat der Zeitgeist sich womöglich verändert?

    Hartwig: Diese Frage darf durchaus gestellt werden, sie ist gut. Eigentlich müsste sich jetzt das Bewusstsein für die Natur ändern. Wenn wir sie weiter missachten, werden wir immer schneller und immer mehr Pandemien bekommen. In einer intakten Natur können sich Viren und Krankheiten bei weitem nicht so gut ausbreiten wie in einer angeschlagenen. Je mehr die Natur kränkelt, desto mehr werden wir mitkränkeln. Wir sind Teil der Natur.

    Die Buttenwiesener sind ja bekannt für erfolgreichen Widerstand und entsprechendes Durchhaltevermögen. Ist das heute noch immer so?

    Hartwig: Ja, vor allem ich. 1978, als ein Atomkraftwerk zur Debatte stand, bin ich in die Schutzgemeinschaft eingetreten. Davor beim Kampf gegen die Magnet-Schwebebahn war ich noch nicht dabei. Beides konnte erfolgreich verhindert werden, mit Heimatdichter Sailer, den Mehlprimeln, Dieter Hildebrandt, Gerhard Polt, den Biermösln und vor allem den Landwirten im unteren Zusamtal.

    Sind denn die Landwirte einverstanden mit der geplanten neuen Straße?

    Hartwig: In Tapfheim regt sich jetzt der Protest der Grundstücksbesitzer. Sie merken, dass ihre Felder künftig bei Hochwasser beeinträchtigt sein werden. Mit ein Grund, warum sich dort jetzt eine Bürgerinitiative gegründet hat. Ich frage mich, inwiefern unsere Landwirte die Situation überschauen und ob die Bevölkerung richtig informiert wurde über die Hochwassersituation.

    Wer ist zum Protest aufgefordert?

    Hartwig: Niemand. Protest war und ist nötig. Jetzt müssen sich die Stellen bewegen, wenn sie merken, dass die Bevölkerung etwas anderes will. Das sieht man am Bienen-Volksbegehren und vielem anderen. Der Garten hat wieder Renaissance, Menschen wenden sich der Natur zu. Da müssen sich auch die zuständigen Stellen und Entscheidungsträger mehr der Natur zuwenden. Man kann nicht über die Köpfe der Bevölkerung hinweg Politik machen. Man muss nicht gleich allem nachspringen, doch wenn man langfristig merkt, dass es in eine andere Richtung geht, gehört ein Wandel eingeleitet.

    Hartwig war oft anderer Meinung als Bürgermeister Hans Kaltner

    Sie waren im Punkt Straßenbau als aktiver Gemeinderat anderer Meinung als Bürgermeister Hans Kaltner.

    Hartwig: Mir ist klar, dass wir unterschiedliche Meinungen haben – in manchen Bereichen. In anderem stimmen wir komplett überein, wenn es um soziale Fragen und die Erhaltung des Dorfcharakters geht. Ich bin der Meinung, dass Wachstum nicht mehr so wichtig ist. Wir sollten uns eher mal mit etwas begnügen. Eines haben wir übrigens ganz gemeinsam: Wir lieben das Ried!

    Das BR-Team hat nicht nur bei Ihnen gedreht. Können Sie uns auch was zu den anderen Orten und Protagonisten erzählen?

    Hartwig: Vorher waren sie in Heretsried und drehten zur Staatsstraße 2036, wo eine Bürgerinitiative und der Bund Naturschutz die überzogene Ausbauplanung verhindern wird. In Adelsried und Villenbach ging’s um Umgehungen. Bei der einen erfolgten massive Abholzungen, die andere konnte verhindert werden. Das BR-Team nimmt den Straßenbau im nordschwäbischen Raum unter die Lupe und interviewte noch MdL Winter am Wertinger Kreisverkehr, wo einmal der Overfly geplant war.

    Kampf um die Natur – derzeit erneut im Donauried. Was ist Ihr ganz persönliches Anliegen?

    Hartwig: Ich wünsche mir echt, dass diese Straße sauber saniert wird und die Radwege vielleicht über bestehende Feldwege führen. Dass das Konzept der Naturschützer verwirklicht wird. Eine gesunde Natur kommt, wie gesagt, allen zugute.

    Sowohl den Gegnern als auch den Befürwortern des Straßenausbaus?

    Hartwig: Eigentlich wollen sie alle das gleiche: weniger Lärm, weniger Abgase und weniger Gefahren – die einen wollen’s im Dorf, die anderen draußen in der Natur. Jetzt könnten sie sich treffen! Darauf müssen wir den Fokus als Gesellschaft richten.

    Info: „Zwischen Spessart und Karwendel“ läuft am Samstag, 20. Juni, von 17.45 bis 18.30 Uhr mit Aufnahmen aus dem Zusamtal und der Wertinger Umgebung im Bayerischen Fernsehen. Thema sind der Straßenbau und die Heimat.

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