Jessica Czerny arbeitet im Seniorenheim St. Florian in Höchstädt. Bianca Kaltenegger leitet den Höchstädter Kindergarten Don Bosco. Jörg Speer die Kindertagesstätte St. Martin in Mertingen mit Kindergarten, Krippe und Hort. Alle haben eines gemeinsam: Ihr beruflicher Werdegang begann mit einer Ausbildung an der Berufsfachschule in Höchstädt. Drei soziale Berufe kann man dort lernen, doch Schulleiter Gerhard Weiß hat den Verdacht, dass das viel zu wenige wissen. Dabei haben alle drei Ausbildungen eine Jobgarantie, die staatliche geprüfte Kinderpflegerin und der Kinderpfleger genauso wie die staatlich geprüften Sozialbetreuer und Pflegefachhelferinnen und die Helferinnen und Helfer für Ernährung und Versorgung. Und für manche braucht man nicht mal gute Noten.
Note Fünf in Mathematik
Ein einwöchiges Praktikum, eine Masern- und Hepatitis-B-Impfung, ein erweitertes Führungszeugnis ohne Eintrag und eine Bescheinigung vom Hausarzt, dass man weder an körperlichen noch psychischen Einschränkungen leidet – das sind zum Beispiel die Voraussetzungen für eine Ausbildung im Bereich Sozialpflege. Eine Fünf in Mathe dagegen ist nicht so wichtig. 29 Schülerinnen könnte Ingrid Förg maximal unterrichten. „Gerade mit Förderschülern habe ich ganz tolle Erfahrungen gemacht. Sie sind unwahrscheinlich fleißig und lernen sehr, sehr viel.“
Weil die Noten aus Theorie und Praxis zusammenfließen, hätten auch schwächere Schüler gute Chancen auf den Abschluss. Und dann stehen ihnen viele Türen offen: „Ergotherapie, Physiotherapie, Rettungssanitäter, medizinische Bademeister oder die generalistische Pflegeausbildung“, zählt Förg auf. Doch die meisten blieben in ihrem erlernten Bereich – und das sei gut so. Denn gerade in Behinderten- und Senioreneinrichtungen oder Förderstätten würden die jungen Menschen dringend gebraucht. Dort helfen sie im pflegerischen Bereich, etwa beim Waschen, Duschen oder Fußbad, können Essen vorbereiten oder mit den Betreuten zusammen Wäsche legen oder ein Gedächtnistraining machen. „Wir haben eindeutig nicht genügend Schüler für die große Nachfrage. Immer wieder rufen Einrichtungen bei uns an und melden ihren Bedarf.“
Eine Kinderpflegerin aus Binswangen
Selina Sluka wird staatlich geprüfte Kinderpflegerin. Die 17-Jährige aus Binswangen war über eine Freundin in Höchstädt gelandet und ist begeistert. Ein Mal pro Woche und zwischendurch im Block arbeitet sie bereits in der Kindertagesstätte St. Martin in Mertingen – deren Leiter Jörg Speer selbst einst in Höchstädt lernte.
Veronika Gerstmeyr-Praßler kümmert sich um die Fachpraxis im Bereich Kinderpflege. Nur dort gibt es keinen Schülermangel, im Gegenteil. „Es bewerben sich viel mehr, aber man braucht eine gute Deutschnote und manche schaffen die Probezeit nicht.“ Aktuell sind in beiden Klassen 10 und 11 gut 30 Schülerinnen, darunter auch ein paar Schüler. Alle müssen vor dem Start der Ausbildung ein einwöchiges Praktikum absolviert haben. „Wir kriegen auch mehr Stellenangebote, als wir Schülerinnen vermitteln können, doch die Anforderungen an die Ausbildung bleiben dennoch hoch. Im Gegenteil, sie sind sogar gestiegen“, sagt Brigitte Warsitz, die die Fachbetreuung Theorie in allen drei Ausbildungsbereichen innehat.
Was früher in der Grundschule unterrichtet wurde, sei inzwischen schon im Kindergarten dran, etwa die Spracherziehung. Es sei teils schwer, den Schülerinnen den Straßenjargon abzugewöhnen, ergänzt ihre Kollegin Gerstmeyr-Praßler. „Mir ist einfach wichtig, wie spricht man mit dem Kind, wie verbessert man es, aber unsere Schüler sind alle sehr gut und geben sich da große Mühe.“ Sie sollten die Kinder erziehen und bilden, liebevoll und mit Respekt, sagt die Lehrerin.
Arbeit mit Kindern ist wichtig
„Wer sich für die Arbeit mit Kindern begeistern kann, hat nach zwei Jahren einen wunderschönen Beruf. Kinder geben so viel zurück. Aber er ist auch anspruchsvoll.“ Schließlich habe man eine Verantwortung für die Kleinen: „Sie sind das Wertvollste, was wir haben“, so Warsitz. Im Juli nächsten Jahres wird auch die Schülerin Selina Sluka ihren Abschluss haben. Schon jetzt kümmert sie sich um eine Arbeitsstelle und ruft bei verschiedenen Einrichtungen an. „Eigentlich haben alle Personalmangel.“ Die 17-Jährige kann sich ihren Job aussuchen. „Für mich ist vor allem entscheidend, wie ich dort hinkomme. Denn der Sprit ist teuer, es sollte also schon in der Umgebung sein.“
Die Noten spielen auch im Fachbereich von Margit Storr keine so große Rolle. Ihr wäre es aber wichtig, dass ihre Schülerinnen und Schüler gerne kochen – und essen. Also auch genießen. „Es sind nicht die Noten, es geht sogar ohne QA. Es sind eher Ordentlichkeit und Sauberkeit, Hygiene und Auftreten.“ Doch gerade mal elf Schülerinnen und Schüler besuchen die 10. und sieben die 11. Klasse auf ihrem Weg zu Helferinnen und Helfern für Ernährung und Versorgung. Dabei seien diese Absolventen auch händeringend gesucht, sagt Fachbetreuerin Storr – und mit mehr wäre auch wieder eine 12. Klasse in Höchstädt möglich. Ob Krankenhäuser, Kantinen oder Seniorenheime, der Bedarf sei groß. „Wenn man sich in diesem Bereich etwas bemüht, kommt man sehr, sehr weit.“ Von der 10. bis zur 12. Klasse besuchte Ines Leix die Höchstädter Einrichtung, studierte dann drei Jahre Betriebsleitung für Ernährungs- und Versorgungsmanagement und arbeitete in einer Senioreneinrichtung.
Die Arbeit mit Menschen in der Pflege
„In enger Absprache mit der Betreuung versuchen wir, Grundbedürfnisse der Bewohner zu decken und ihre Wünsche zu erfüllen. Dazu kann ein Pfannkuchennachmittag gehören, aber auf jeden Fall auch die Hausreinigung oder die jahreszeitliche Dekoration der Einrichtung. Damit die Menschen sich dort wohlfühlen.“ Dass die Speisen appetitlich angerichtet sind, mal ein Geschenk für die Enkelin organisiert wird, die Lebensmittelversorgung gemanagt ist, auch darum kümmerte sich die junge Frau.
Kind-, senioren- und diabetesgerechte Speisenzubereitung gehört zur Ausbildung dazu wie Textil- und Wäschepflege und das Gestalten und Pflegen von Wohn- und Funktionsbereichen. Immer so, dass sich die jeweilige Zielgruppe wohlfühlt. Auch in einer Tagungsstätte wie der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung in Dillingen oder in einem Kinderheim können Helferinnen und Helfer für Ernährung und Versorgung arbeiten. Leix wird den künftigen Nachwuchs unterrichten: Binnen eines Jahres wird sie zur Fachlehrerin ausgebildet. Die Theorie lernt sie in München, die Praxis wieder an der Höchstädter Berufsschule.
Karolina Zimmerer aus Kicklingen ist inzwischen 55 Jahre alt. Sie war 1981/82 in Höchstädt, damals hieß Ernährung und Versorgung noch Hauswirtschaft. Ihre Tochter eifert ihr nach. Das wiederum spornt die Mutter an, die mit 50 noch ihren Meister im Fach Hauswirtschaft gemacht hat. Noch immer schwärmt die Kicklingerin, die inzwischen im Lauinger Montessori-Kinderhaus arbeitet, von ihrer Arbeit. „Dass man mit dem, was man kann, andere glücklich machen kann – tolles Essen, eine Veranstaltung, eine Präsentation – und dafür gelobt wird und Anerkennung bekommt, das motiviert.
Sie wollen nach Tarif bezahlt werden
Für diese Arbeit braucht man Talent, Selbstsicherheit und Praxis und muss sich einfach rantrauen.“ Begeistert listet Zimmerer weitere Betätigungsbereiche auf, wie die Betreuung von Kindern und Senioren, die Gartenarbeit. Es gehe nicht bloß ums Putzen, sondern um verschiedene Beläge, wie sich Materialien miteinander vertragen. Aber vor allem, wie man unterschiedliche Menschen – alt/jung, mit Handicap/Diabetes/Allergien – versorgen kann. „Man hat ganz viele Möglichkeiten.“ Doch am wichtigsten sei für die Schülerinnen und Schüler in dem Bereich, dass sie einen Abschluss machen, der eine Weiterbildung ermöglicht. Damit sie nach Tarif bezahlt werden. Deswegen setzt sich die 55-Jährige in ihrer Freizeit unter anderem für ein drittes Schuljahr im Bereich Ernährung und Versorgung in Höchstädt ein, zur Not in Zusammenarbeit mit Günzburg.
Der Bedarf an Nachwuchs ist da, sagt Jessica Czerny, die gar nicht in der Altenpflege arbeiten wollte, bis sie ein Praktikum gemacht hat. Sagt aber auch Jörg Speer, der mit einer Kinderpflege-Ausbildung in Höchstädt begonnen und jetzt 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Mertingen unter sich hat. Und auch Bianca Kaltenegger ist froh über pfiffige, engagierte Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger in ihrer Einrichtung im Don Bosco. Und wer fleißig sei, für den sei noch so viel mehr auf der beruflichen Karriereleiter möglich. Auch in der Pflege, sagt Jessica Czerny. Sie wollte ursprünglich gar nicht in der Altenpflege arbeiten, hat dann aber ein Praktikum gemacht und war überzeugt. Nach der Schule hatte die heute 23-Jährige zwei Jahre lang die Berufsfachschule in Höchstädt besucht und drei Jahre die weiterführende Schule in Wertingen. „Vielleicht mache ich noch eine Weiterbildung zur Pflegedienstleitung.“