Während die ganze Welt am Mittwochnachmittag auf den Wahlkrimi zwischen Donald Trump und Joe Biden in den USA blickte, fasste das Bayerische Oberste Landesgericht ein weitreichendes Urteil – und zugleich das erste obergerichtliche zu dem Thema in ganz Deutschland. Es gab der Revision der Oberstaatsanwaltschaft im Prozess um den Höchstädter Verein "Netzwerk Embryonenspende" in Teilen statt.
Der Verein hatte Eizellen, die bei Kinderwunschbehandlungen übrig geblieben waren, an Paare mit unerfülltem Kinderwunsch weitervermittelt. Das jedoch verstößt nach Ansicht des Obersten Landesgerichts in Teilen gegen das Embryonenschutzgesetz – und ist damit nicht erlaubt. Zur Begründung hieß es, Eizellen seien erst befruchtet, wenn die beiden Vorkerne in der Zelle miteinander verschmolzen seien. Der Verein hatte aber unter anderem auch Zellen vermittelt, die eingefroren worden waren, bevor die Kerne verschmolzen, also im sogenannten Vorkernstadium waren. Diese wurden aufgetaut und anderen Frauen eingepflanzt. Das Gericht sieht im Auftauen dieser Zellen den ausschlaggebenden Moment zur Befruchtung und zur Herbeiführung der Schwangerschaft bei einer Frau, von der die Eizelle nicht stammt. Das stellt laut Gericht einen Verstoß gegen das Embryonenschutzgesetz dar, das die Befruchtung einer Zelle zu dem Zwecke, sie einer anderen Frau einzupflanzen, verbietet.
Vereinsvorsitzender Hans-Peter Eiden: "Das versteht doch kein Mensch"
Hans-Peter Eiden, der Vorsitzende des Höchstädter Vereins "Netzwerk Embryonenspende" zeigt sich nach dem Urteil hörbar betroffen: "Der Worst Case ist eingetreten", sagt er und spricht von einem gerichtlichen "Vernichtungsgebot" der gefrorenen Eizellen. Denn diese könnten nun nicht mehr weitergegeben werden und landen jetzt nach den Worten Eidens "auf dem Müll". Der Verein setze seine Arbeit aber erst einmal wie gewohnt fort. "Wir haben bisher auch Embryonen vermittelt. Und das Gericht hat glücklicherweise bestätigt, dass das in Ordnung ist." Nur die Weitergabe von Zellen mit zwei Vorkernen sei nicht gestattet.
Das wiederum hält Eiden auch nach dem Urteil für falsch. "Sechs bis acht Stunden später ist es dann ein Embryo. Dann ist es erlaubt", empört er sich. "Das versteht doch kein Mensch."
Über seine persönliche Zukunft im Verein müsse der 70-Jährige noch entscheiden. "Ich werde als Verbrecher dargestellt. Jetzt muss ich mich selbst hinterfragen, ob ich das noch weitermachen will." Er habe sich immer ehrenamtlich und ohne Gewinnabsicht für das Thema eingesetzt. "Dafür bestraft zu werden, tut weh."
Das Netzwerk Embryonenspende aus Höchstädt muss nun erneut vor Gericht
Wie die Sache für Eiden und seine beiden Mitstreiter ausgeht, ist noch offen. Das Gericht stellte fest, dass die Praxis des Vereins in Teilen nicht legitim ist. Die Angeklagten müssen noch einmal vor einen Richter treten – am Landgericht Augsburg, das bereits über den Fall entschieden und ihn als rechtens deklariert hatte. Eine andere Gerichtskammer muss nun in 17 der 33 angeklagten Fälle klären, in welchem Stadium sich die Eizelle bei der Vermittlung befunden hat und inwieweit sich die Angeklagten darüber informiert hatten. Eiden droht im Fall einer Verurteilung eine Geldstrafe. Auch das frustet den 70-Jährigen. "Mir geht es nicht um den Betrag, nur um die Bestrafung an sich. Ich will nicht als Verbrecher dastehen." Seiner Ansicht nach habe er nie etwas falsch gemacht.
Eiden, der sich bereits seit zehn Jahren mit dem Thema auseinandersetzt, sagt, er fühle sich ausgelaugt. Gegenüber unserer Redaktion betont er erneut, gegen ein weiteres Urteil nicht noch einmal Berufung einlegen zu wollen. Die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde wolle er nicht wahrnehmen. "In dem Moment, in dem ich die Möglichkeit habe, das Verfahren zu beenden, will ich das auch tun. Ich habe nicht die Kraft dazu, weiterzumachen."
Lesen Sie auch:
- Prozess um Embryonenspende: Oberstes Landesgericht gibt Revision wohl statt
- Prozess am Mittwoch: Wann fängt Leben an?
- So geht die Dillinger Akademie mit dem Lockdown um
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.