Für Bürgermeister Gerrit Maneth ist es der Beginn „für eine neue Zeitrechnung“. Es ist Freitagmittag. Im Höchstädter Rathaus übergibt er an Bundestagsabgeordneten Ulrich Lange, die Landtagsabgeordneten Georg Winter und Johann Häusler und an Landrat Leo Schrell einen offenen Brief. Thema: die B16 neu. Inhalt: Die Stadt Höchstädt hat alle Voraussetzungen geschaffen. Jetzt soll schnell die Planung der Nordumfahrung beginnen.
Doch von Anfang an: Es ist Donnerstagabend. Sondersitzung des Stadtrats. Es geht erneut um das Thema Trinkwasserversorgung für Sonderheim und die Kernstadt. Die dortigen Bürger werden aktuell über zwei Brunnen versorgt, die stark sanierungsbedürftig sind. Die Wasserversorgung ist in dem B16-Verfahren die letzte Hürde für Höchstädt.
Der Experte sieht mehrere Vorteile im neuen Brunnenstandort
Bereits vor acht Monaten wurde ein erstes hydrogeologisches Gutachten vorgestellt – mit dem Ergebnis, dass ein zweites nötig ist. Es hatte ergeben, dass der bis dato als günstig eingestufte neue Brunnenstandort zwar ergiebig, aber zugleich mit erheblichen Nachteilen für Mörslingen verbunden sei. Das zweite Gutachten sollte es nun richten. 150 bis 200 Meter weiter im Norden vermutete der beauftragte Experte Bernd Hanauer, Geschäftsführer des Büros für Hydrogeologie und Umwelt, einen besseren Standort. Doch der musste erst einmal untersucht werden. Acht Monate, 150.000 Euro und zig Bohrungen, Computersimulationen, Grundwasserfließgeschwindigkeitsberechnungen und Pumpversuche später steht fest: Ein neuer Standort ist gefunden. Und der ist laut dem Experten ideal geeignet. Der neue Brunnen soll rund 600 Meter nördlich des Wasserwerks entstehen.
Hanauer beschreibt die Vorteile des neuen Standorts. Um die zu verstehen, muss man erst einmal unter die Erde schauen. Das Grundwasser, das die Stadt an dem neuen Standort fördern will, kommt aus Richtung Goldberg/Mörslingen. Für die Untersuchung waren also weite Teile des Gebiets dazwischen wichtig. Laut dem Experten verfügt der Boden dort über geeignete Deckschichten, um das Grundwasser zu schützen. Zudem wäre Mörslingen von einem Wasserschutzgebiet, das neu festgelegt werden muss, nicht betroffen. Die Grenze des Gebiets läuft exakt entlang der aktuellen Bebauungsgrenze des Orts. Laut Hanauer hat das aber mit den Grundstücksgrenzen zu tun.
Zudem sei der neue Brunnenstandort ergiebig: Hanauer zufolge sei dort genug Wasser vorhanden, um in einigen Jahrzehnten, wenn die Grundwasserpegel durch den Klimawandel abgefallen sein werden, ausreichend Wasser zu liefern. Auch das hat der Experte berechnet. Hanauer sagt über den Standort: „Das wäre eine deutlich bessere Trinkwasserversorgung als bisher.“
Wegen des neuen Brunnenstandorts muss auch das Wasserschutzgebiet neu festgelegt werden, das allerdings auch für den bestehenden Brunnen bald hätte erweitert werden müssen. Der Experte hat dafür bereits einen Entwurf. Das Gebiet ist größer als das alte – die Stadt müsste also mehr Ausgleichszahlungen an die Landwirte bezahlen. Denn für sie gelten in dem Bereich strenge Regeln zum Wasserschutz. Teile des alten Gebiets können übernommen werden.
Hanauer sieht keine andere Lösung als den neuen Brunnen. Eine Alternativenprüfung habe nichts Vorteilhafteres ergeben. Das zu schützende Grundwassereinzugsgebiet vermeide den Ortsbereich Mörslingen und werde nicht durch den Brunnenbach infiltriert. Zudem gebe es an dem neuen Standort günstige Gegebenheiten zum Bohren eines Brunnens. Oder mit anderen Worten: Besser wird’s nicht.
Die Stadträte kritisieren sich gegenseitig
Im Stadtrat gab es allerdings noch Klärungsbedarf: Hans Mesch (FW) fragte nach der Wasserqualität am neuen Brunnen sowie dem zeitlichen Ablauf. Hanauer zufolge sei die Qualität dort sehr gut. Der Brunnen könne im Idealfall 2023 in Betrieb genommen werden. Wolfgang Konle (SPD) erkundigte sich über den Nitratgehalt. Hanauer zufolge liegt der bei 30 Milligramm, und damit deutlich unter dem Grenzwert von 50 Milligramm. Die Schutzzone 2 sorge für ausreichende Hygiene. Denn dort darf weder Dünger noch Gülle ausgebracht werden.
Johann Jall vom Bürgerblock Deisenhofen stellt Teile des Gutachtens infrage: Beim aktuellen Brunnen habe es ja noch keine Verunreinigungen gegeben, wieso dann überhaupt der neue Standort? Bürgermeister Maneth entgegnet darauf: „Wertingen hatte auch nie ein Hochwasser.“ Doch Jall kritisiert noch mehr: Es habe bereits 2013 ein Sanierungskonzept für die Brunnen gegeben, das nicht umgesetzt wurde. Maneth zufolge sei das aber nicht zukunftsfähig gewesen. Jall befürchtet auch weitere Einschränkungen für die betroffenen Landwirte. Hanauer: „Die Landwirte sind die einzige Berufsgruppe, die hier einen Ausgleich bekommt.“
Verlieren die Grundstücke der Landwirte an Wert?
In der Folge liefern sich Jall und Rainer Wanek von Pro Höchstädt ein Wortgefecht: Wanek nennt den Umgangston mit dem Experten „nicht in Ordnung“. „Das sind Aussagen, das geht einfach nicht.“ Die Landwirtschaft werde unterstützt, es gebe aber Menschen, die an viel befahrenen Straßen wohnen. Auch an diese müsse man denken. Jall entgegnet darauf, dass er selbst 40 Hektar Land im aktuellen Wasserschutzgebiet besitze. „Ich mache mehr für die Wasserqualität als du.“
Annett Jung (Wählervereinigung Sonderheim) nennt es wiederum bedenklich, wenn bei einem Gutachten die Erwartungen und das Ergebnis so gut zusammenpassen. Die Kreisbäuerin ist wegen eines möglichen Wertverlusts der Grundstücke besorgt. Vom Wasserschutzgebiet seien die Landwirte stark betroffen. Deshalb hatten die Umlandfraktion und die CSU/JU einen Antrag gestellt, schon jetzt Entschädigungszahlungen für die Landwirte festzulegen. Der Punkt wurde aber auf Einwand von Jan Waschke (SPD) von der Tagesordnung genommen. Die Stadt rechnet für den Brunnen, die Leitung zur Rieswasserversorgung und die Sanierung des Wasserwerks mit 1,8 Millionen Euro.
Gegen die Stimmen von Johann Jall, Johann Kaltenegger, Siegfried Mayerle und Annett Jung entscheidet sich der Stadtrat schließlich für den Bau des neuen Brunnens. Es folgen nun Planungen zur Bohrung, zum Anschluss des Brunnens an das Wasserwerk. Die genauen Grenzen des Wasserschutzgebiets sollen ausgestaltet und Gespräche mit den Gemeinden Lutzingen und Mörslingen geführt werden. Dann wird über die Ausgleichszahlungen gesprochen.
Ziemlich genau 14 Stunden nach Ende der öffentlichen Sitzung übergibt Maneth am Freitag an die Abgeordneten und den Landrat seinen offenen Brief. Vonseiten der Stadt sei mit dem neuen Brunnenstandort alles geklärt, damit nun die Planungen zur Erstellung des Planfeststellungsverfahrens begonnen werden können, um „den Verkehrskollaps der Innenstadt“ zu verhindern. Der Ausbau der Anton-Wagner-Straße und alle zugehörigen Maßnahmen stünden dem Bau nicht im Weg. All das sei auch mit übergeordneten Stellen geklärt. Maneths Wunsch: Bis 2030 soll die B16 stehen. Da aber spiele auch die Bundestagswahl eine Rolle.
Laut dem Bürgermeister könnte die B16 westlich von Deisenhofen vorbei entlang der südlichen Grenze des Wasserschutzgebiets führen. So hätte Höchstädt noch Raum zur Entfaltung.
Lesen Sie dazu auch den Kommentar: