Jetzt steht er da, der Steg von der Bewertungsstelle zum Höchstädter Schloss. Einer, der sich nicht darüber freut, ist Karl Uhl. Als Architekt des Staatlichen Bauamts Augsburg hat er sich 15 Jahre lang um die Sanierung des Höchstädter Schlosses gekümmert. Für den 75-jährigen Kreisheimatpfleger aus dem Landkreis Donau-Ries ist das Bauwerk „ein Irrweg“. Uhl hatte seine Kritik daran öffentlich gemacht, von einer „Veruntreuung von Staatsmitteln“ gesprochen und dabei den Landtagsabgeordneten Georg Winter kritisiert. Denn der Architekt im Ruhestand behauptet, dass der CSU-Politiker hinter der Planung stecke. Winter wiederum hatte Uhls Alternativvorschlag, der eine barrierefreie Erschließung über den Schlossgarten-Rundweg beim Info-Gebäude vorgesehen hatte, als „einfältig“ zurückgewiesen. Bei der Planung, die gegenwärtig verwirklicht werde, gehe es um die barrierefreie Erschließung des Höchstädter Schlosses. Höchstädt ist Modellkommune im Programm „Bayern barrierefrei 2023“. Rollstuhlfahrer sollen künftig von der Herzogin-Anna-Straße ohne fremde Hilfe zum Schloss gelangen können. Billig ist das nicht: Der Bau der rund 60 Parkplätze im Umfeld der Bewertungsstelle, die abends und an Wochenenden auch von Schlossbesuchern genutzt werden können, und die Gestaltung der Wege und des Stegs kostet etwa eine Million Euro.
Uhl: Der Traubenberg ist zu steil
Nach dem jüngsten Bericht, dass Georg Winter damit „Sinnvolles entwickeln“ wolle, hat Uhl nachgelegt und unserer Zeitung eine umfangreiche Stellungnahme zukommen lassen. „Menschen mit Behinderung kommen auf diesem Irrweg alleine nicht hinauf zum Höchstädter Schloss“, sagt der Kreisheimatpfleger. Der Traubenberg sei zu steil, er habe in diesem Bereich eine Steigung von mehr als sechs Prozent. Und auch die 60 Parkplätze der Bewertungsstelle könnten zu einem großen Teil nicht barrierefrei erreicht werden. Im Bereich der unteren Zufahrt liege die Steigung bei etwa neun Prozent. Sein Alternativvorschlag einer barrierefreien Erschließung auf dem Feuerwehrweg hätte lediglich eine behindertengerechte Rampe mit vier Ruhepodesten gebraucht. Das Grün wäre laut Uhl nicht, wie von Winter behauptet, beeinträchtigt worden. Vielmehr sei das Grün durch den von Winter durchgesetzten Abbruch des Hausmeisterhauses und den Neubau des Schlossinfo-Gebäudes total verändert worden. Der Donau-Rieser Kreisheimatpfleger kritisiert zudem, dass die historische Stadtmauer aus dem Jahr 1268 auf einer Länge von drei Metern abgebrochen und die Böschung des einstigen Weinbergs total verändert worden sei. „Dafür wurden moderne Gabione als Stützmauern eingesetzt“, bedauert der Architekt.
Die Außenanlagen seien grundsätzlich barrierefrei geplant
Das Staatliche Bauamt Krumbach weist Uhls Kritik in allen Punkten zurück. Die Außenanlagen, Parkplätze und die Wege, die zur Baumaßnahme Bewertungsstelle des Finanzamts München gehören, seien „grundsätzlich barrierefrei geplant“, betont die Bereichsleiterin Hochbau, Erna Brennauer. Das Gesamtkonzept verfolge das Ziel, dass Menschen barrierefrei zum Höchstädter Schloss gelangen können. Dass es an einer Stelle am Traubenberg ein Problem gebe, sei bekannt. Hier habe die Stadt Höchstädt den Anstieg bereits entschärft, die Steigung liege unter sechs Prozent und der Weg sei damit barrierefrei. Allerdings räumt Brennauer ein, dass Rollstuhlfahrer an dieser Stelle Probleme haben, denn die Steigung liege dort – entgegen unserer Grafik oben – nicht unter vier Prozent. Die Außenanlagen der Bewertungsstelle, so die Bereichsleiterin weiter, habe auch nicht der Landtagsabgeordnete Georg Winter geplant, teilt die Bereichsleiterin mit. „Wir haben hier einen renommierten Landschaftsarchitekten“, versichert Brennauer.
Bauamt: Es wurden keine Teile der historischen Stadtmauer abgebrochen
Sachbearbeiter Benedikt Ascher sagt auch, dass in Höchstädt keine Teile der historischen Stadtmauer abgebrochen worden seien. Beseitigt wurde seinen Worten zufolge ein Durchgang zum einstigen Schwesternwohnheim, der erst viel später geschaffen worden sei. Dafür habe man jetzt die Fundamente der Stadtmauer unterfangen, damit sie sicher steht. Die Fertigstellung der Außenanlagen und des Steges war ursprünglich bis Ende Juni geplant. Doch dies wird sich verzögern, informiert Ascher. Wegen des allgemeinen Baubooms gebe es Engpässe beim Baumaterial. Das Projekt werde voraussichtlich im Oktober abgeschlossen.
"Rollstuhlfahrer haben ohne fremde Hilfe Probleme"
Uhl bleibt dabei, dass das Projekt nichts mit der barrierefreien Erschließung des Schlosses zu tun habe. Denn wer über den Steg zum südlichen Schlosseingang gelange, stehe in der Regel vor einer verschlossenen Tür. Und wenn dann ein Rollstuhlfahrer über den Haupteingang ins Schloss will, schaffe er das nicht ohne fremde Hilfe. Menschen mit Behinderung hätten in der Vergangenheit mit dem Auto zum Schloss hochfahren und nach Rücksprache mit dem Kastellan im Innenhof parken können. Uhl sagt: „Wer auf einen Rollstuhl angewiesen ist, konnte auch bisher schon alle Veranstaltungen im Höchstädter Schloss besuchen.“
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