Veranstalter. Hausmeister. Koordinator. Vermittler. Storchenbeobachter. Organisator. Bürokrat. Elektriker. Vermittler. Standesbeamter. Die Aufzählung könnte noch länger sein. So unterschiedlich alle Tätigkeiten sind, so haben sie eines gemeinsam – sie werden von einer Person ausgeübt. Oder anders: Der Begriff „Mädchen für alles“ trifft zu hundert Prozent auf Anton Wiedemann zu. Die flapsige Floskel ist dem 63-Jährigen auf den Leib geschneidert. Er ist da, wenn man ihn in seinem „Baby“, wie er es selbst nennt, braucht. Wiedemann ist der Kastellan im Schloss Höchstädt. Seine offizielle Berufsbezeichnung ist Schlossverwalter, „aber das musste ich damals auch erst im Duden nachschlagen“, sagt er und lacht. Mittlerweile weiß er ganz genau, was es bedeutet.
Kein Job, sondern eine Berufung
Wobei viele nicht glauben würden, was bei ihm im Schloss Höchstädt alles über den Bürotisch laufen würde, wie er sagt. Doch damit ist nun Schluss. Ab Dienstag, 1. Juni, ist Anton Wiedemann nach fast 20 Jahren künftig „nur“ noch Besucher im Schloss. Er geht in den Ruhestand. Montag ist sein letzter, offizieller Arbeitstag. „Ich gehe mit einem lächelnden und einem weinenden Auge. Einerseits hoffe ich, dass es künftig im Schloss so weiter geht wie bislang. Aber ich werde auch nicht jünger. Mir wird so manches fehlen. Es ist jetzt nicht mehr mein Schloss“, sagt Wiedemann.
Denn für den Mörslinger war es nicht nur Arbeit, es war seine Berufung alles rund um und im Schloss zu verwalten. „Wenn irgendwas was war, war ich da. Immer.“ Feierabend oder Urlaub spielten dabei keine Rolle. Wiedemann: „Meine Frau musste so manche Tage auf mich verzichten und Urlaub habe ich immer im teuersten Monat August gemacht, weil es da im Schloss ein wenig ruhiger war.“ Krankheitstage? Keine zehn Tage in knapp zwei Jahrzehnten. Der Kastellan erzählt, dass viele Freunde und Bekannte oft zu ihm gesagt haben, dass er für diesen Job geboren sei. „Und so war es.“
Als Neunjähriger erstmals im Schloss Höchstädt
Dabei hat er eine ganz andere berufliche Karriere nach der Schule gestartet. Wiedemann hat eine Ausbildung als Bürokaufmann im damaligen Lauinger Autohaus Graf absolviert, war dann als Wehrpflichtiger bei der Bundeswehr und ist von 1978 bis 2002 dort als Zivilist geblieben. Im Februar trat er die Stelle als Kastellan im Schloss Höchstädt an, Arbeitgeber ist die Bayerische Schlösserverwaltung. Bis 31. Mai 2021. Die Stelle war ausgeschrieben, Wiedemann hat sich beworben. „So einfach war das“, sagt er lachend. Bis dato gab es so eine Stelle im Höchstädter Schloss nicht, hat doch erst im April in diesem Jahr das alte Gemäuer die Tore für die Öffentlichkeit geöffnet. Wiedemann: „Als Neunjähriger habe ich das Schloss zum ersten Mal betreten. Da war ich Ministrant und wir haben für das Caritas-Altenheim, das kurz im Schloss war, gesammelt.“ Im April 2002 fand dann die erste Ausstellungseröffnung mit dem Bezirk Schwaben statt – der Start für viele Events und für den Kastellan unvergessliche Veranstaltungen. „Wir wussten damals ja nicht, wie alles funktionieren wird. Meine Aufgabe war aber immer: Schauen, dass der Laden läuft.“
Und es lief. Ein Highlight – nicht nur für den Kastellan: Die große Ausstellung zur Schlacht von 1704 im Jahr 2004. „Mit diesem Zulauf hat niemand gerechnet. 30.000 Besucher war das Ziel, das war schon nach der Hälfte der Saison erreicht“, schildert Wiedemann. Rund 55.000 wurden damals am Ende gezählt. Zahlen, von denen das Schloss Höchstädt heute träumt. Bis vor zwei Jahren sei das Schloss von Januar bis Dezember immer belegt gewesen. Hochzeiten, Seminare, Konzerte, Ausstellungen, Geburtstage, Preisverleihungen – hinzukommen die Museumsbesucher von April bis Oktober. Aber seit Beginn der Corona-Pandemie ist es auch im Höchstädter Wahrzeichen still geworden. „Leider. Die letzten Monate waren schon traurig“, sagt Anton Wiedemann. War es doch für ihn persönlich auch der Trubel und der Umgang mit Menschen, den er so geschätzt hatte. „Ich habe alle Veranstaltungen angenommen, die gekommen sind. Ich habe alles möglich gemacht, auch an den Wochenenden“, schildert er. Und so hat er sogar noch am vergangenen Samstag die letzte standesamtliche Trauung im Schloss durchgeführt. Selbstverständlich für ihn, wie er sagt. Bestimmt mehr als 600 Paare hat er in all den Jahren vermählt, wie er hochrechnet.
Seit der Corona-Krise ist es ziemlich ruhig
Anton Wiedemann hat deshalb einen Wunsch: Dass das Schloss Höchstädt wieder zum Besuchermagnet wird und nach der Corona-Krise wieder mehr Zulauf bekommt. Das hätte „sein Baby“ mehr als verdient. Der Kastellan glaubt, dafür müsse man noch mehr Werbung machen und die Geschichte, die auch in den Dauerausstellungen zu sehen ist, hervorheben. „Das ist einmalig, was wir hier in Höchstädt haben“, sagt der 63-Jährige.
Und wenn es jemand wissen muss, dann Höchstädts erster Kastellan. Er kennt nicht nur alle Ausstellungen, sondern auch jeden Winkel der alten Gemäuer – und damit jedes Schlossgeheimnis. Seine Führungen hinter den Kulissen waren deshalb immer sehr beliebt und erfreuten sich großen Zulaufs. „Das hat mir Spaß gemacht“, erinnert er sich, und: „Ich habe dabei viele Geheimnisse gelüftet.“ Sein Lieblingsort im Schloss ist übrigens im Bergfried. Da habe es im Sommer und im Winter immer acht Grad. Da fühle er sich wohl.
Schlepper, Hausbau und Enkelkind
Am Montag wird Anton Wiedemann vielleicht noch eine letzte Runde durch das Schloss ziehen. Dann gibt er offiziell die Schlüssel ab und freut sich auch auf einen neuen Lebensabschnitt. „Und langweilig wird es mir sicher nicht“, sagt er lachend. So wird er nun dem Sohn beim Hausbau kräftig unter die Arme greifen, das kleine Enkelkind will mit Opa spielen, seine Frau freut sich auf mehr gemeinsame Stunden, der alte Schlepper will repariert werden und „der Garten schreit Juhu“.
Aber, und das betont der Mörslinger immer wieder: „Ich werde nie Nein sagen, wenn es Fragen gibt oder meine Hilfe gebraucht wird. Ich kenne ja mein Schloss.“
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