Startseite
Icon Pfeil nach unten
Dillingen
Icon Pfeil nach unten

Gundremmingen: 30 Jahre Mahnwache: Sie stehen jeden Sonntag vor dem AKW-Tor

Gundremmingen

30 Jahre Mahnwache: Sie stehen jeden Sonntag vor dem AKW-Tor

    • |
    Hier, vor dem Eingangstor des Atomkraftwerks, demonstriert jeden Sonntag um 15 Uhr die Mahnwache Gundremmingen – und das seit mittlerweile 30 Jahren. Sprecher und Organisator Thomas Wolf (links) war fast von Anfang an dabei. Joachim Hien ist vor sechs Jahren nach Dillingen gezogen und seitdem Mitglied der Protestgruppe.
    Hier, vor dem Eingangstor des Atomkraftwerks, demonstriert jeden Sonntag um 15 Uhr die Mahnwache Gundremmingen – und das seit mittlerweile 30 Jahren. Sprecher und Organisator Thomas Wolf (links) war fast von Anfang an dabei. Joachim Hien ist vor sechs Jahren nach Dillingen gezogen und seitdem Mitglied der Protestgruppe. Foto: Andreas Schopf

    Der Ort ist nicht freundlich. Eine kleine, gepflasterte Fläche zwischen Besucherparkplatz, rot-weißen Absperrketten und einem meterhohen Betonzaun mit Stacheldraht. An einem Pfeiler steht „Achtung Videoüberwachung“. Kein Platz, an dem man mehr Zeit als nötig verbringt. Doch genau diese Stelle, am Gehweg vor der Einfahrt ins Atomkraftwerk Gundremmingen, ist für so manchen zur Herzensangelegenheit geworden. Einer von ihnen ist Thomas Wolf aus Jettingen-Scheppach. Der 57-Jährige sagt: „Ich habe das Gefühl, ich gehöre hierher. Es fühlt sich fast an wie zu Hause.“ Der 66-jährige Dillinger Joachim Hien sagt: „Hier zu stehen, erfüllt mich mit Stolz. Ich bekomme dabei eine innere Ruhe.“

    Mahnwache Gundremmingen: Aktivisten demonstrieren seit 1989

    Beide kommen jeden Sonntag um 15 Uhr zu dieser Stelle vor dem AKW. Im Fall von Wolf sogar schon seit 30 Jahren. So lange gibt es die Mahnwache Gundremmingen bereits. Seit 1989 demonstrieren Atomkraftgegner wöchentlich vor der Anlage. „Unser Protest war immer friedlich“, sagt Wolf, Sprecher der Mahnwache. Dennoch machten sich die Demonstranten strafbar. Früher, als noch Castor-Transporte die Anlage verließen, bildeten die Demonstranten Sitzblockaden auf den Zuggleisen und bauten die Gleise symbolisch ab, indem sie Steine aus dem Bett trugen. Es ging etwa um Hausfriedensbruch und Eingriff in den Bahnverkehr. Das Verhältnis mit Sicherheitspersonal und Polizei war angespannt. Die Atomkraftgegner wurden weggetragen, angezeigt, vernommen. Und in der Folge auch vor Gericht gestellt. Mancher, wie Thomas Wolf, kam glimpflich davon. Die unzähligen Verfahren, die wegen der Mahnwache gegen ihn liefen, wurden alle eingestellt, berichtet er.

    Dieses Glück hatte nicht jeder. Konrad Link aus dem Buttenwiesener Ortsteil Pfaffenhofen etwa gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Mahnwache. Gegen ihn gab es Gerichtsverfahren, ein Richter verurteilte ihn zwei Mal zu einer Geldstrafe. Link war nicht bereit, diese zu zahlen. „Ich wollte zeigen, dass ich nichts wiedergutzumachen hatte“, sagt der 55-Jährige heute. Er ging stattdessen ins Gefängnis, einmal 30 Tage, einmal 20 Tage. Auch, um seinem Protest noch mehr Ausdruck zu verleihen. „Ich stehe hinter den Aktionen der Mahnwache, bis heute“, sagt Link. Aus gesundheitlichen Gründen kann er mittlerweile nicht mehr teilnehmen.

    Manchmal steht ein einziger Demonstrant vor dem AKW-Tor

    Nichtsdestotrotz finden sich jeden Sonntag Demonstranten vor dem AKW ein. Dahinter steht eine Gruppe von etwa 20 Menschen, vorwiegend aus den Landkreisen Günzburg und Dillingen. Manchmal schaut auch jemand aus dem Kreis Heidenheim oder Augsburg vorbei, berichtet Wolf. Er und seine Frau Carola stellen sicher, dass immer jemand zur Mahnwache kommt. Meistens seien drei bis fünf Leute da, manchmal seien es zehn, und manchmal steht auch nur ein einzelner Demonstrant vor dem Eingangstor. Dass gar niemand eine Mahnwache am AKW abhält, sei in 30 Jahren lediglich drei Mal vorgekommen, sagt Wolf. In allen Fällen sei die Gruppe woanders demonstrieren gewesen – beim Atommülllager Gorleben, bei einer Klausurtagung der CSU sowie bei einer Kundgebung im Ort Gundremmingen. Der Protest gegen die Atomkraft gehört für die Aktivisten zum Sonntag dazu. „Wie bei anderen der Kirchenbesuch“, sagt Joachim Hien und lacht. Er ist vor sechs Jahren nach Dillingen gezogen und seitdem Mitglied der Mahnwache. Hien versorgt sich übrigens, ebenso wie Wolf, selbst mit Solarstrom.

    Im Vergleich zu den Anfangsjahren hat sich das Verhältnis zu Polizei und Wachpersonal mittlerweile entspannt. „Es hat fast zehn Jahre gedauert, bis sie begriffen haben, dass wir keine Gegner sind“, sagt Wolf. Man respektiere sich gegenseitig. Als die Gruppe ihr 25-jähriges Bestehen feierte, habe ihm ein Wachmann sogar zum Jubiläum gratuliert, berichtet Wolf. Im Gegensatz zu früher begehen die Mitglieder der Mahnwache keine Straftat mehr, wenn sie das Gelände des AKW betreten. Ihr Protest wird geduldet. Auch, weil sie sich ruhig und friedlich verhalten. Der Ablauf der Mahnwache ist immer gleich: Zunächst hängen die Demonstranten ein Plakat auf, das alle deutschen Atomkraft-Standorte zeigt, mitsamt einem Umkreis von etwa 25 Kilometern. „Wir wollen deutlich machen, dass im Umfeld von AKWs die Krebsraten, gerade bei Kindern, höher sind“, sagt Wolf. Dann lesen die Anwesenden ihre Leitsprüche vor. Eine Klangschale läutet eine Schweigeminute ein. Anschließend reden die Anwesenden über aktuelle Entwicklungen und verlesen noch einmal einen Text. So läuft das jeden Sonntag, seit 30 Jahren.

    Mahnwachen-Sprecher Thomas Wolf: "Es gibt keinen Grund, stolz zu sein"

    Ist die Mahnwache stolz auf ihre Ausdauer? „Wir haben ganz schön lange durchgehalten“, sagt Wolf. „Aber es gibt keinen Grund, stolz zu sein.“ Nach wie vor bedrohe die Atomkraft aktuelle und kommende Generationen, betont er. Trotzdem gebe es Fortschritte. Den Beschluss der Bundesregierung, aus der Atomenergie auszusteigen, verbuchen die Demonstranten auch als Erfolg der Anti-AKW-Bewegung. Doch das reicht nicht. Joachim Hien betont: „Dass in Gundremmingen Block B abgeschaltet wurde, befriedet uns nicht.“ Die Demonstranten wollen weitermachen. Auch, weil sie der Politik nicht trauen. Solange Block C weiterläuft, wird sich die Mahnwache jeden Sonntag treffen. Danach, ab 2022, wollen sie alle vier Wochen zusammenkommen. Um zu kontrollieren, dass das AKW wirklich abgeschaltet ist.

    • Lesen Sie dazu einen Kommentar: Die Ausdauer der AKW-Gegner ist beeindruckend
    • Das könnte Sie außerdem interessieren: AKW-Abfälle aus Gundremmingen: Eine Frage der Messung
    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden