Die Stadtpfarrkirche St. Martin mitten im Herzen Gundelfingens ist seit Anfang September umgeben von einem Gerüst. Das Dach wird großflächig von Folie verdeckt. Lediglich der Kirchturm ragt noch heraus. Außen angebracht sind Rutschen für Schutt, die in Containern enden. Von außen sah die Kirche nicht baufällig aus – wieso also das Ganze?
2016 bestätigte sich durch ein Gutachten von Statikern der Verdacht, dass sich der Dachstuhl der Kirche verformt. Hinweis darauf gaben offene Holzverbindungen in der Dachkonstruktion, die auf eine nicht mehr einwandfreie Lastableitung des Daches hindeuten. Daraufhin musste eine erste Notsicherung in Form von Spanngurten angebracht und das Projekt „Statische Instandsetzung“ ins Rollen gebracht werden.
Fachgemäße Planung durch die DBW Architekten
Planungsphase, bürokratische Hürden und Voruntersuchungen nahmen etwa fünf Jahre in Anspruch, denn historische Gebäude müssen fachgemäß restauriert werden. Planung und Durchführung des Projekts übernimmt das Architekturbüro DBW aus Haunsheim. Den Überblick über die Finanzen behält Pfarrsekretärin Petra Schmid. Dekan und Gundelfinger Stadtpfarrer Johannes Schaufler und Werner Bay, Mitglied der Kirchenverwaltung, „segnen vor Ort alles ab“. Im wahrsten Sinne.
Für die beteiligten Parteien war es besonders wichtig, dass die Arbeiten von Betrieben aus dem Landkreis verrichtet werden. 14 Gewerke wurden ausgeschrieben, davon wurden zwei Drittel mit heimischen Betrieben besetzt. Damit ergibt sich noch ein anderer Vorteil: Man kennt sich. „Viele der Firmen haben bereits an ähnlichen Projekten zusammengearbeitet und haben die notwendige Erfahrung“, sagt Architekt Jonas Böld. Für so alte Gebäude müsse jedes Mal ein individueller Plan entwickelt werden, ergänzt Dieter Domes, Seniorberater. Aufgrund nicht vorhandener Bestandspläne kann außerdem erst vor Ort gehandelt werden.
Durch Neugestaltungen wurde die Dachkonstruktion geschwächt
Welche Dimensionen die Maßnahme umfasst, wurde erst beim Öffnen des Dachs sichtbar. Beim Umbau der Kirche 1735 wurden die Pfeiler im Langhaus entfernt und die flache Decke durch ein Gewölbe ersetzt. Für die Neugestaltung wurden die Zerrbalken (Querbalken im Dachstuhl) entfernt und eine Konstruktion eingebaut, die von oben in etwa so aussieht wie ein umgedrehtes Schiff. Auf dünnen Holzbalken wurde mit Stroh und Lehm die neue Decke errichtet. Durch die fehlenden Balken ist der Dachstuhl aber nicht so stabil und gibt nach
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Am Dachrand war Schutt angesammelt. Manches wohl bis zu 150 Jahre alt. Darunter vermutet Domes auch handbemalte Dachziegel aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges (ab 1618). Unter dieser Ansammlung hatte sich Feuchtigkeit angestaut, die aufgrund der Menge des Schutts nicht weichen konnte. Die Folge: Die Balken haben sich teilweise komplett aufgelöst. Bei der Instandsetzung werden jetzt – wo nötig – neue Balken eingebaut, durch weitere Maßnahmen wird ebenfalls die Konstruktion gestützt. Man entschied sich für „ein filigranes, aus Stabstählen bestehendes räumliches Fachwerk“. Die Instandsetzung von Schäden am Kirchenschiff sowie ein neuer Fassadenanstrich schließen diese Baumaßnahme ab.
Auch Fledermäuse spielen eine Rolle
Im Dachstuhl haben sich außerdem Fledermäuse angesiedelt. Da die Tiere unter Artenschutz stehen, muss der Lebensraum erhalten werden. „Dafür war eine Biologin vor Ort, die die Maßnahmen betreut“, so Domes. „Es müssen spezielle Fledermausziegel als Zugang in die Dachdeckung eingebaut werden.“ Außerdem muss der alte Balken eingebaut werden, sonst würden die Fledermäuse sich nicht wieder im Dachstuhl ansiedeln.
1,5 Millionen Euro sind für die Instandsetzung der Gundelfinger Kirche eingeplant. 66 Prozent der Gesamtkosten trägt das Bistum Augsburg. Es handelt sich dabei um fast eine Million Euro aus Kirchensteuergeldern, die damit vor Ort bleibt. Auch die Stadt trägt einen Teil zum Projekt bei: 200.000 Euro investiert sie in die Stadtpfarrkirche. Weitere acht Prozent der Kosten werden aus Zuschüssen vom Landkreis Dillingen, Bezirk Schwaben, vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege und von der Bayerischen Landesstiftung gedeckt.
186.000 Euro muss die Kirchenstiftung St. Martin aber selbst mit einbringen. Aufgrund fehlender Feste und anderer Einnahmen ist die Gemeinde dabei allein auf Spenden angewiesen. Das Projekt ist in drei Bauabschnitte eingeteilt und soll vermutlich im Spätsommer 2023 abgeschlossen werden.