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Gundelfingen: Warum Uhrmacher Michael Kunze sein Geschäft schließen wird

Gundelfingen

Warum Uhrmacher Michael Kunze sein Geschäft schließen wird

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    Jahrzehntelang war Michael Kunze Ansprechpartner für Uhren und Schmuck in Gundelfingen. Bis Ende Januar 2020 will er sein Geschäft in der Professor-Bamann-Straße schließen.
    Jahrzehntelang war Michael Kunze Ansprechpartner für Uhren und Schmuck in Gundelfingen. Bis Ende Januar 2020 will er sein Geschäft in der Professor-Bamann-Straße schließen. Foto: Andreas Schopf

    Im Alter von 14 Jahren änderte sich das Leben von Michael Kunze grundlegend. Es war das Jahr 1966, soeben war sein Vater gestorben. Nun ging es um die Zukunft des elterlichen Geschäftes in Gundelfingen. Kunze machte eine Lehre als Uhrmacher – und stieg in den Betrieb ein. Zunächst führte er das Geschäft zusammen mit seiner Mutter. Bald übernahm er selbst die Verantwortung. Seitdem ist Kunze fester Bestandteil der Professor-Bamann-Straße.

    Michael Kunze schließt sein Geschäft in Gundelfingen

    Doch seinen Laden für Uhren und Schmuck wird es nicht mehr lange geben. Bis spätestens Ende Januar kommenden Jahres möchte sich der 68-Jährige zur Ruhe setzen und die Türen seines Betriebes für immer schließen. „Es ist jede Menge Wehmut dabei“, sagt Kunze. Immerhin verschwindet damit ein traditionsreiches Familienunternehmen. Die Geschichte geht zurück bis ins Jahr 1910, als Kunzes Großvater sein Geschäft im sächsischen Weißwasser eröffnete. 1960 kam Kunze als Bub aus seiner niedersächsischen Heimat nach Gundelfingen, wo seine Eltern sich in der Professor-Bamann-Straße selbstständig machten, damals noch zwei Häuser weiter in Richtung Rathaus. Dann starb sein Vater, und Kunze wurde ins kalte Wasser geworfen. „Ich habe viele Erfahrungen und auch Fehler gemacht, aus denen ich gelernt habe.“

    Nach anstrengenden Jahrzehnten als Selbstständiger im Einzelhandel ist für ihn nun Schluss. Altersbedingt, wie er sagt. Die Gesundheit spiele eine Rolle. Letztendlich war noch etwas anderes für seine Entscheidung ausschlaggebend: Zuletzt sind einige gleichaltrige Berufskollegen gestorben. Das hat Kunze zum Nachdenken gebracht. „Man fragt sich, ob das alles in seinem Leben gewesen ist.“

    Beruf und Kunden haben sich verändert

    Sein Beruf hat sich im Laufe der Zeit enorm verändert. Hatte er anfangs mit mechanischen Uhren zum Aufziehen zu tun, wurden diese über die Jahrzehnte etwa durch Quarz- und Funkuhren ersetzt. Heutzutage trägt so mancher eine Smartwatch am Handgelenk – ein digitales Gerät, „das mit der eigentlichen Uhr nichts mehr zu tun hat“, sagt Kunze. Auch bei seinen Kunden hat er einen großen Wandel erlebt. Wie jeder andere Händler bekam er Konkurrenz aus dem Internet. Kunze hat reagiert. Seit 2007 betreibt er einen Onlineshop, der ihm Kunden aus ganz Deutschland bescherte. „Gegen die Großen der Branche, wie Amazon, kommt man als kleiner Händler aber nicht an“, bedauert der Uhrmacher. Vor Ort kam so mancher Kunde nur noch in sein Geschäft, um sich zu informieren. Den Artikel kaufte er schließlich im Internet. „Es kam vor, dass jemand noch in meinem Laden auf seinem Handy nachschaute, wo es das Produkt am billigsten gibt“, erzählt Kunze.

    Seine liebsten Kunden seien die gewesen, die kurz vor Weihnachten noch ein wertvolles Geschenk für ihren Partner suchten. „Die haben keine Zeit, und das Geld spielt keine Rolle.“ Das Klischee des Mannes, der an Heiligabend überhastet ein wertvolles Präsent für seine Gattin kauft, sei zwar früher Realität gewesen, heutzutage jedoch überholt. Mittlerweile würden Paare mehr darüber reden, was sich der jeweils andere wünscht, sagt Kunze, der dies an einer deutlich zurückgegangenen Umtauschquote festmacht. Und in Zeiten der Emanzipation sind Frauen, was teuren Schmuck angeht, schon lange nicht mehr auf einen Mann angewiesen – sie kaufen ihn sich einfach selbst. „Das Selbstverständnis ist ein anderes geworden“, beobachtet Kunze.

    Kein Verständnis für ein Gerichtsurteil

    Die teuren Waren, die er anbietet, zogen auch Kriminelle an. Neben diversen Diebstählen sind ihm zwei Vorkommnisse besonders in Erinnerung geblieben. Einmal versuchte jemand, die Scheibe seines Ladens mit einem Vorschlaghammer einzuschlagen – was ihm misslang. Schlimmer war ein Raubüberfall vor etwa 25 Jahren. Der Täter kam frühmorgens in das Geschäft, hielt einer Mitarbeiterin ein Messer an den Hals und verlangte nach einer bestimmten Uhr im Wert von rund 10000 D-Mark. Die Angestellte gab ihm die Uhr, und der Mann flüchtete. Kunze und ein weiterer Mitarbeiter saßen zu diesem Zeitpunkt hinten im Büro und bekamen von alldem nichts mit. Die Polizei konnte den Täter nur wenige Minuten später schnappen.

    Ein Gericht sprach den Mann schließlich frei. Das Paradoxe für den Uhrmacher: Es kam laut Kunze zu keiner Verurteilung, da die Betroffenen den Tathergang nicht auf wenige Minuten genau eingrenzen konnten. Ein Urteil, für das Kunze bis heute kein Verständnis hat – zumal die Mitarbeiterin in der Folge unter Angstzuständen litt und aus dem Beruf ausscheiden musste.

    Im Ruhestand will er weiter reparieren

    Kunze hat sich auf die Suche nach Nachfolgern für sein Geschäft gemacht. Doch unter den Interessenten seien keine passenden dabei gewesen. Auch seine drei Kinder hätten abgelehnt. So wird Kunze die Immobilie des ehemaligen Pfarrhauses, in dem über seinem Laden auch eine Wohnung untergebracht ist, voraussichtlich verkaufen. Auch danach wird der Uhrmacher, der unter anderem als Dozent an der mittlerweile geschlossenen Uhrmacherschule in Ulm lehrte, seinem Beruf treu bleiben. Er engagiert sich in der Innung und möchte mit kleineren Reparaturen bei sich zu Hause in der Materie bleiben – für Freunde, Bekannte und seine aktuellen Kunden.

    Im Ruhestand freut er sich vor allem auf eines: In der Früh in Ruhe aufzustehen und entspannt mit seiner Lebensgefährtin zu frühstücken.

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