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Gundelfingen: Senior in Container ausgelagert: „Menschlich eine schwierige Entscheidung“

Gundelfingen

Senior in Container ausgelagert: „Menschlich eine schwierige Entscheidung“

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    Seit kurzem lebt ein 74-jähriger Bewohner vom Haus der Senioren in einem Container, um andere Bewohner vor einer möglichen Ansteckung mit Covid-19 zu schützen.
    Seit kurzem lebt ein 74-jähriger Bewohner vom Haus der Senioren in einem Container, um andere Bewohner vor einer möglichen Ansteckung mit Covid-19 zu schützen. Foto: Andreas Schopf

    Der graue Kasten ist ausgestattet wie eine kleine Wohnung. Küchenzeile, Dusche, WC, Fernsehen, Telefon – das Wesentliche, was es für das tägliche Leben braucht, ist vorhanden. Für einen 74-jährigen Bewohner vom Haus der Senioren in Gundelfingen ist diese Umgebung die neue Heimat auf Zeit.

    Gundelfingen: Senior darf sein Heim nicht mehr betreten

    Seit rund zwei Wochen steht direkt neben der Einrichtung der Container. In diesen ist der Senior während der Corona-Pandemie ausgelagert. Mehrmals täglich schaut eine Pflegerin nach ihm und bringt ihm Essen. Ansonsten lebt der Mann dort für sich, das Seniorenheim wenige Meter daneben darf er bis auf unbestimmte Zeit nicht mehr betreten.

    Die Gewohnheiten des Mannes haben in den vergangenen Wochen einige in Gundelfingen bewegt. Der 74-Jährige ist besonders umtriebig und hat einen ausgeprägten Bewegungsdrang. Fast täglich läuft er von der Gärtnerstadt nach Lauingen und zurück. Manchmal lässt er sich auch als Anhalter mitnehmen. Einrichtungsleiter Markus Moll wurde klar: In Zeiten, in denen Seniorenheime immer wieder zu „Corona-Hotspots“ werden, sind diese vielen Kontakte des Mannes ein Risiko. „Dieses Risiko konnte ich nicht eingehen“, sagt er angesichts anderer Einrichtungen, die massive Probleme mit dem Ausbruch von Covid-19 hatten. Grundsätzlich sei es Moll ein wichtiges Anliegen, dass Senioren auch unter den aktuellen Umständen nicht eingesperrt werden dürfen – getreu den offiziellen Regelungen der Behörden (lesen Sie hier mehr dazu).

    Der 74-Jährige ist ein Sonderfall

    Mehrere Bewohner seiner Einrichtung hätten dies in den vergangenen Wochen genutzt und seien immer wieder nach draußen gegangen. Aber der 74-Jährige sei durch seine ausgeprägte Bewegungs- und Kontaktfreude ein Sonderfall. Viele besorgte Menschen hätten sich deshalb bei ihm gemeldet, berichtet Moll. Es brauchte also eine individuelle Lösung zum Schutz der Anderen, ohne die Freiheit des Einzelnen allzu stark einzuschränken. Zunächst versuchte Moll, in Zusammenarbeit mit Maklern eine eigene Wohnung für den 74-Jährigen zu finden. „Wir haben händeringend gesucht“, sagt er. Ohne Erfolg. Also kam die Lösung mit dem Container ins Spiel. Auf der Faktenebene sei dies gut zu begründen. Trotz der Notwendigkeit habe er jedoch mit sich gerungen und gehadert, sagt Moll. „Menschlich war das eine sehr schwierige Entscheidung.“ Nach wie vor hinterfrage er es, ob dieses Vorgehen das richtige ist, betont der Einrichtungsleiter.

    Er habe sich im Vorfeld auch mit dem Landratsamt abgestimmt. Von dort heißt es auf Anfrage: „Hintergrund für das Aufstellen des Containers waren Bürgerbeschwerden über einen Bewohner der Einrichtung, der diese fast täglich verlassen hat und hierbei soziale Kontakte ohne die erforderlichen Abstandsregelungen hatte, da ihm krankheitsbedingt die Ausgangsbeschränkungen nicht vermittelbar waren“, schreibt Sprecher Peter Hurler. „Da auch eine polizeiliche Ansprache wirkungslos blieb, musste zum Schutz der übrigen Heimbewohner eine praktikable Lösung gefunden werden, um das tägliche Risiko für einen Viruseintrag auszuschließen.“

    Keine Wohnung gefunden

    Weil die Anmietung einer Wohnung im Landkreis nicht umsetzbar gewesen sei, blieb als einzige Möglichkeit die Aufstellung eines Wohncontainers außerhalb der Einrichtung sowie die Versorgung durch die Einrichtung, verbunden mit einem Hausverbot in den Räumlichkeiten und auf dem Grundstück der Einrichtung. „Das Infektionsrisiko für die Öffentlichkeit wurde als nicht hoch genug eingeschätzt, um Unterbringungsmaßnahmen zu veranlassen“, heißt es vom Landratsamt. Zudem habe zu dem Zeitpunkt kein Ausgangsverbot für Bewohner, sondern nur ein Besuchsverbot für die Einrichtung bestanden. Aufgrund der „Containerlösung“ seien deshalb keine Maßnahmen des Landratsamtes nach dem Infektionsschutzgesetz erforderlich gewesen, heißt es. „Es lag somit weder eine Empfehlung noch eine Anordnung des Landratsamtes vor, vielmehr wurde dem Konzept der Einrichtung zugestimmt.“ Ein ähnliches Problem wie das im Haus der Senioren Gundelfingen habe sich im Landkreis bisher nicht ergeben.

    Der Container ist abgesichert

    Einrichtungsleiter Moll sei es ein Anliegen gewesen, den Bewohner in seiner neuen Umgebung bestmöglich abzusichern, sagt er. Der Container ist mit einem Lichtruf ausgestattet, damit der Mann bei Bedarf schnell Hilfe holen könnte. Auch mit der Brandmeldeanlage der Einrichtung ist der Container gekoppelt. Diese Maßnahmen habe man sich mehrere tausend Euro kosten lassen. „Das war mir wichtig“, sagt Moll.

    Nach seinen Angaben geht der 74-Jährige selbst gut mit den Gegebenheiten um. „Gott sei Dank“, so der Einrichtungsleiter. Wie lange der Mann im Container leben muss, ist derzeit unklar. Moll sagt: So lange, wie die Besuchsregelungen in Seniorenheimen noch eingeschränkt sind.

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