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Glött: Leben vor und hinter den Schlossmauern

Glött

Leben vor und hinter den Schlossmauern

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    Das ehemalige Fuggerschloss in Glött ermöglicht Menschen mit Behinderung seit 150 Jahren ein selbstbestimmtes Leben. Auch für die Zukunft möchte sich Regens Wagner weiterentwickeln und noch stärker auf die Menschen zugehen.
    Das ehemalige Fuggerschloss in Glött ermöglicht Menschen mit Behinderung seit 150 Jahren ein selbstbestimmtes Leben. Auch für die Zukunft möchte sich Regens Wagner weiterentwickeln und noch stärker auf die Menschen zugehen. Foto: Regens Wagner Glött

    Majestätisch ragen die beiden Türme des ehemaligen Fuggerschlosses am Ortseingang von Glött in den Himmel empor. Das Gebäude ist ein Hingucker. Doch nicht nur optisch ist es eine Besonderheit. Seit 150 Jahren ist es auch das Zuhause für Menschen mit geistiger Behinderung oder eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten.

    Wie die Einrichtung in Glött entstanden ist

    Neben der Taubstummenanstalt in Dillingen sollte 1869 eine zweite Einrichtung für gehörlose oder geistig behinderte Frauen und Mädchen geschaffen werden. Als das ehemalige Schloss des Grafen Fugger in Glött zum Verkauf stand, überlegte Johann Evangelist Wagner nicht lange und entwickelte ein innovatives Konzept für die Versorgung und Pflege von Personen mit kognitiver Beeinträchtigung.

    Mit der Hilfe von Spenden, eigenem Ersparten und der Unterstützung der Dillinger Franziskanerinnen konnte die neue Einrichtung am 13. September des Jahres eröffnet werden. „Die Dreiteilung der Betreuung, die Wagner einführte, war Vorbild für viele Einrichtungen, die später gegründet wurden“, erklärt Ines Gürsch. Sie ist seit vielen Jahren die Leiterin von Regens Wagner in Glött. Schon damals stand der Mensch mit seinen persönlichen Fähigkeiten im Mittelpunkt. Deshalb habe es ein individuelles Bildungs-, Beschäftigungs- und Pflegeangebot für die Bewohner gegeben. Für fünf Schwestern und zehn „Pfleglinge“, wie man die Bewohner damals nannte, sei das Schloss zur neuen Heimat geworden, erläutert Gürsch.

    Die Geschichte von Regens Wagner in Glött hat nicht nur Höhepunkte

    Im Laufe der Zeit habe es im Haus viele Momente der Freude, aber auch Tiefpunkte und Probleme gegeben. Dass die Geschichte von Regens Wagner in Glött spannend und vielseitig ist, weiß auch Wohnbereichsleiterin Claudia Frick. Besonders der platzbedingte Umzug der Glötter Einrichtung im Jahr 1889 nach Lautrach bei Memmingen beeindruckt sie. Frick sagt: „Das war eine logistische Meisterleistung – knapp 90 Bewohner, rund 15 Schwestern und die komplette Einrichtung des Hauses zogen an nur zwei Tagen dorthin um.“ Trotz seines schlechten baulichen Zustands wurde das Schloss in Glött anschließend allerdings wieder als rechtlich abhängige Außenstelle von Dillingen weitergenutzt.

    Seit 150 Jahren befindet sich die Einrichtung von Regens Wagner im Glötter Schloss.
    Seit 150 Jahren befindet sich die Einrichtung von Regens Wagner im Glötter Schloss. Foto: Direktion der Regens-Wagner-Stiftung

    Nach Umbau- und Erweiterungsarbeiten wuchs die Einrichtung bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts stetig weiter. „Die Ideologien der Nationalsozialisten haben allerdings auch bei Regens Wagner ihre Spuren hinterlassen“, sagt Frick nachdenklich. Nicht nur die Sterilisierung und Diskriminierung von Menschen mit Behinderung, auch deren Verfolgung und Ermordung machten vor den Mauern des ehemaligen Fuggerschlosses nicht halt. Zwar hatte die kirchlich geführte Einrichtung 1936 den Status einer geschlossenen Anstalt erhalten und konnte damit viele solcher Maßnahmen verhindern. Gleichzeitig musste sie damit die komplette Abschottung der Bewohner durch Mauern und Zäune veranlassen. Doch nicht nur das, die Einrichtung musste sogar für andere Zwecke fast vollständig geräumt werden.

    Umsiedlungslager, Schulungslager, Lazarett und Kriegsgefangenenlager: In den Jahren von 1939 bis 1945 hatte das Schloss viele verschiedene Funktionen. Berichten zufolge sollen die meisten Bewohnerinnen, die in dieser Zeit in die Heil- und Pflegeanstalt nach Kaufbeuren verlegt oder in der Elisabethenstiftung in Lauingen untergebracht wurden, überlebt haben. Frick betont: „Vieles in diesen Jahren muss erst noch aufgearbeitet werden.“

    Das Leben bei Regens Wagner soll keine Sonderwelt sein

    160 bis 180 Frauen mit Behinderung hatten nach dem Krieg im Schloss ein Zuhause gefunden. Gürsch sagt: „Damals gab es noch große Schlafsäle, die bis auf das letzte Bett belegt waren.“ Durch Baumaßnahmen habe man diese in den 1960er-Jahren allerdings in kleinere Einheiten aufteilen können. Knapp dreißig Jahre später wurden auch die ersten Männer aufgenommen.

    Neben vielen Veränderungen in den Lebensbereichen Wohnen sowie Bildung und Beschäftigung stellte besonders die Personalplanung die Einrichtung Anfang der 1990er-Jahre vor eine große Herausforderung. Da immer weniger Nachwuchs in den Orden der Dillinger Franziskanerinnen eintrat, wurde der Konvent aufgelöst. Gürsch erinnert sich: „Wir mussten damals vieles neu organisieren.“ Gerade dass die Schwestern rund um die Uhr da gewesen seien, habe mit Rufbereitschaften kompensiert werden müssen.

    In den vergangenen 150 Jahren hat sich nicht nur durch das Bundesteilhabegesetz vieles für Menschen mit Behinderungen getan. Auch in Glött versucht man, das Angebot dementsprechend weiterzuentwickeln. „Uns ist es wichtig, dass nicht etwa die Einrichtung, sondern immer die jeweilige Person im Vordergrund steht“, betont Gürsch. Gerade für jene Bewohner, die ihre Interessen nicht selbst vertreten könnten, wolle man sich bei Regens Wagner einsetzen. Wer mit mehrfacher Schwerbehinderung einen Platz bekommt, wird beispielsweise in der Förderstätte beschäftigt. Dort sollen die Fähigkeiten gezielt gestärkt werden. Für Senioren gibt es außerdem die Tagesstätte. Hier stehen Kommunikation und der Austausch mit anderen Menschen im Vordergrund. Mit dem neuen Angebot der Offenen Hilfen im gesamten Aschberggebiet wird auch das ambulant begleitete Wohnen für Menschen mit Behinderung und kognitiven Einschränkungen weiter ausgebaut.

    „Wir wollen Menschen begleiten und ihnen eine Teilhabe am Leben ermöglichen – dafür müssen wir uns an die Bedürfnisse anpassen“, sagt Gürsch. In der Zukunft wolle man versuchen, noch stärker auf die Leute zuzugehen. Auch das neu geplante Wohnheim in Wertingen soll ein wichtiger Schritt in diese Richtung sein. „Es geht uns darum, Menschen mit Behinderung auch wirklich zu integrieren und keine geschlossene Sonderwelt zu schaffen“, erläutert die Leiterin.

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