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Gesundheit: Dürfen Bewohner trotz Corona-Pandemie ihr Heim verlassen?

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Dürfen Bewohner trotz Corona-Pandemie ihr Heim verlassen?

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    Dürfen Bewohner das Seniorenheim verlassen, wenn schon kaum jemand hineindarf?
    Dürfen Bewohner das Seniorenheim verlassen, wenn schon kaum jemand hineindarf? Foto: Markus Moll

    Jeden Tag geht es von Gundelfingen nach Lauingen. Zu Fuß, manchmal auch zwei Mal täglich. „Unser Bewohner hat einen unglaublichen Bewegungsdrang“, sagt Markus Moll, Leiter vom Haus der Senioren in

    Trotz Corona: Senioren werden Spaziergänge nicht verboten

    Genau dies wurde zuletzt vom Einrichtungsleiter erwartet, berichtet er. Einige Menschen hätten sich bei ihm gemeldet und verlangt, dass er es Senioren wie dem 74-Jährigen untersagt, die Einrichtung zu verlassen – aus Sorge vor einer Ansteckung mit Covid-19. Moll sei vorgeworfen worden, „verantwortungslos“ zu handeln. Er hatte es nach eigener Aussage mit „panischen“ Rückmeldungen zu tun, die ihm mehr Kraft gekostet hätten als der Betrieb der Einrichtung selbst. Doch Moll betont, dass er sich an geltendes Recht hält und er seine Bewohner nicht mit Gewalt daran hindern kann, nach draußen zu gehen (wir berichteten).

    Das Thema bewegt momentan offenbar einige. „Derzeit melden sich viele besorgte Bürger über die Hotline beim Landratsamt und berichten, dass Bewohner aus stationären Einrichtungen beim Einkaufen angetroffen werden oder größere Personengruppen gemeinsam spazieren gehen“, teilt Peter Hurler, Sprecher des Dillinger

    Landratsamt Dillingen betont Regeln der Corona-Ausgangsbeschränkungen

    Das Landratsamt weist in diesem Zusammenhang auf die momentan gültigen Ausgangsbeschränkungen hin, wonach jeder angehalten wird, die physischen und sozialen Kontakte zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Hausstands auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren. Wo immer möglich, sei ein Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen zwei Personen einzuhalten. Ausgangsbeschränkungen seien zwingend geboten, um das Infektionsgeschehen einzudämmen. „Es wird jedoch klargestellt, dass es sich vorliegend nicht um eine Freiheitsentziehung, sondern lediglich um eine Einschränkung der persönlichen Bewegungsfreiheit handelt, sodass das Verlassen der Wohnung bei Vorliegen triftiger Gründe gestattet ist“, so Hurler.

    Dazu zählen Bewegung an der frischen Luft oder Einkäufe für die Gegenstände des täglichen Lebens. Der entscheidende Punkt: „Dies gilt auch für Personen, die in einer stationären Einrichtung leben.“ Aufgrund der zahlreichen Anfragen und um dem Eigenschutz der Bewohner von Einrichtungen Rechnung zu tragen, habe man stationären Einrichtungen jedoch empfohlen, die Bewohner mit besonderem Nachdruck darauf hinzuweisen, die sozialen Kontakte zu minimieren. Die Ausgangsbeschränkungen und Besuchsverbote seien schließlich auch zum Eigenschutz der Bewohner gedacht, damit eine Ansteckung dieser besonders gefährdeten Personengruppen mit dem Coronavirus vermieden wird, heißt es vom Landratsamt.

    Nicht alle Senioren wollen auf Spaziergänge im Freien verzichten

    Dies ist auch Moll und seinen Mitarbeitern bewusst. Im Gundelfinger Haus der Senioren versuche man, so viele Bewohner wie möglich dazu zu bewegen, die Einrichtung nicht zu verlassen. Man verweise auf die Möglichkeit, im Innenhof eine Runde zu drehen. Einkäufe werden jeden Tag von einer Mitarbeiterin des Heims erledigt. Trotzdem gibt es Bewohner wie den 74-Jährigen, die unbedingt nach draußen wollen. Diesen lege man den Gebrauch von Desinfektionsmitteln und einer Schutzmaske nahe, berichtet Moll. Mit Gewalt aufhalten kann und möchte er die Menschen aber nicht. „Diese Vorstellung ist unsäglich.“ Einem anderen Menschen die Freiheit zu nehmen, sei ein gravierender Eingriff – für den die Mitarbeiter in der Pflege auch nicht ausgebildet wären, betont Moll.

    Die Angelegenheit sei ein großes Thema in der Branche. Mancherorts gebe es tatsächlich die Überlegung, Bewohner am Verlassen der Einrichtung zu hindern. „Für mein Verständnis ist das nicht zulässig und indiskutabel“, sagt Moll, der von „unrechtmäßiger Freiheitsberaubung“ spricht. Auch während einer Krise, wie es sie momentan gibt, seien Seniorenheime schließlich kein rechtsfreier Raum.

    Im Seniorenheim St. Klara will kaum einer in die Stadt

    In Wertingen im Seniorenheim St. Klara dagegen ist das kein Problem. Heimleiter Günther Schneider berichtet, dass der größte Teil der Bewohner, 67 von 70, jeden Tag das Bett verlässt. „Bei so einem Wetter wie heute ist der Wintergarten sehr beliebt. Ansonsten wird der Garten sehr viel frequentiert.“ Eine große Wiese mit angelegten Wegen biete eine schöne Möglichkeit für Spaziergänge. Die Bewohner seien alle sehr diszipliniert. Überdies würde ihnen auch im Haus auch einiges geboten: Im Obergeschoss gibt es laut Schneider einen Marktplatz. Dort wird musiziert, gebastelt – und es finden Andachten statt. So konnten die Senioren an Ostern sogar zwei Andachten mit Heiliger Kommunion feiert. Stadtpfarrer Rupert Ostermayer hatte die Ostergaben gesegnet. So ein Angebot sei ein wesentlicher Faktor dafür, dass die Leute zufrieden sind. In die Stadt würde kaum jemand wollen. Die Einkäufe erledigen die Mitarbeiter. „Wir tragen alle einen Mundschutz. Manchen Bewohnern müssen wir mehrmals erklären warum. Aber das Wichtigste ist, dass wir für sie da sind“, sagt Schneider. Dank Bürgermeister Willy Lehmeier sei das Personal aufgestockt worden. So könne man noch etwas mehr bieten. „Allein, mit den Menschen zu sein, ist schon etwas wert.“

    Doch auch für den Kontakt mit Verwandten und Bekannten hat sich das Haus etwas einfallen lassen: Seit Kurzem können die Senioren skypen. Dabei sehen sich Anrufer und Angerufene. Dafür wurde extra ein großes Ipad für St. Klara angeschafft. Das kommt an. An Ostern allein wurde das Angebot 15 Mal angenommen, erzählt Schneider stolz. Die Senioren sind dabei allein in einem Raum. So werde ihre Privatsphäre geschützt. Manche seien der neuen Technik gegenüber noch skeptisch. Doch Schneider ist zuversichtlich, dass sich das mit der Zeit ändern wird.

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