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Gericht: Prozess wegen Kindesmissbrauchs: Schilderungen von großem Leid

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Prozess wegen Kindesmissbrauchs: Schilderungen von großem Leid

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    Viele Zeugen, als auch Gutachten, wurden am dritten und vierten Prozesstag geladen, um der Frage auf den Grund zu gehen, ob ein Mann seine Kinder sexuell missbraucht hat.
    Viele Zeugen, als auch Gutachten, wurden am dritten und vierten Prozesstag geladen, um der Frage auf den Grund zu gehen, ob ein Mann seine Kinder sexuell missbraucht hat.

    Das Justizgebäude in Augsburg-Göggingen ist am Dienstag nicht mehr ganz so gespenstisch still, wie es die vergangenen Wochen aufgrund der Corona-Beschränkungen war. Es ist der dritte Verhandlungstag im Prozess gegen einen Mann aus dem Landkreis Dillingen, dem schwerer sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen vorgeworfen wird. Er soll, zwischen 2010 und 2014, seine leiblichen Kinder beginnend im Alter von rund sieben beziehungsweise zehn Jahren sexuell missbraucht und vergewaltigt haben.

    In den ersten Prozesstagen wurden die ermittelnden Beamten vernommen, welche die Umstände der Festnahme schilderten, als auch Videoaufnahmen von einer richterlichen Vernehmung der Geschädigten gesichtet. Neun Zeugen sind für den dritten Sitzungstermin geladen.

    Mutter der Kinder im Zeugenstand: Mann hat sich verändert

    Die erste Zeugin ist die Mutter der Kinder und ehemalige Ehefrau des Angeklagten. Die zierliche Frau Anfang 50 wirkt gefasst, als sie den Zeugenstand betritt. Sie lebt im Landkreis Dillingen. Kennengelernt habe sie den Angeklagten 1992 und schon damals war die Situation alles andere als rosig. „Er hatte schon immer Probleme mit Alkohol“, sagt sie. 2001 und 2004 kamen die gemeinsamen Kinder zur Welt. Als diese klein waren, hätte er sich nicht an der Erziehung beteiligt. Der Angeklagte hätte jedoch die Tochter sehr bevorzugt. Und die wiederum habe sehr viel Zeit mit dem Vater verbringen wollen.

    Nach einigen gemeinsamen Jahren soll der Angeklagte eine „große Wesensänderung“ vollzogen und unter anderem über einen Weltuntergang am 27. Dezember 2010 gesprochen haben, an dem „nur die Auserwählten überleben würden“. Damit hätte er auch den gemeinsamen Kindern Angst bereitet.

    Vater soll Kinder vergewaltigt haben: Mutter wusste von nichts

    Die Probleme zwischen den Eheleuten wurden größer. Die schlimmste Gewalttat ihr gegenüber sei ein Jahr vor der Trennung passiert. Da habe er sie gewürgt, weil sie den Geschlechtsverkehr verweigert hätte. 2011 trennte sie sich vom Angeklagten und nahm die Kinder mit. Nach der Trennung vereinbarte die Familie mit dem Jugendamt Dillingen Besuchszeiten beim Vater. Dabei sollen sich die Taten abgespielt haben. Dass ihre Kinder von ihrem Ex-Mann missbraucht werden, sei ihr nie in den Sinn gekommen. Auch nicht nach dem wiederholten Klagen des Buben, dass er Schmerzen beim Stuhlgang hätte.

    Als zweite Zeugin tritt eine Schwester des Angeklagten in den Zeugenstand. Sie beschreibt die gemeinsame Kindheit als sehr schwer und zerrüttet. In der Familie sei es mehrmals zu sexuellem Missbrauch gekommen. Die Zeugin zeichnet ein positives Bild des Angeklagten und hält ihn „zu 100 Prozent“ für unschuldig. Er habe seine Kinder wie Engel behandelt und ihnen alle Wünsche erfüllt, meint die Zeugin. Wegen ihrer eigenen Missbrauchserfahrung wisse sie, dass das innige Verhalten zwischen Vater und Kindern sonst unmöglich gewesen wäre.

    Therapeut der Tochter: "Es ist ein massiver Schaden entstanden"

    Ganz anderer Meinung ist einer der vernommenen Kinder- und Jugendtherapeuten, der die Tochter jahrelang behandelt hatte. Ihre Erinnerungen und ihre Symptome seien mit der Anklage an den Vater „absolut stimmig“. Davon abgesehen sei eines für ihn klar: Seine ehemalige Patientin habe ein „gewaltiges Trauma“ und es sei ein „massiver Schaden entstanden“.

    Am Mittwoch werden die Gutachter vernommen. Ein Facharzt für Psychiatrie bescheinigt den mutmaßlichen Opfern „Aussagetüchtigkeit“. Sie seien beide in der Lage, zwischen Realität und Fantasie zu unterscheiden. Gutachter Peter Winkler kommt zu folgendem Befund: Der Mann habe weder eine krankhafte sexuelle oder psychotische Störung, noch könne man von einer Alkoholsucht sprechen. Damit widerspricht der Gutachter teilweise den Zeugenaussagen der Ex-Frau und Kinder. „Ich bin froh, dass ich nicht darüber urteilen muss, ob es zu diesen Taten tatsächlich gekommen ist“, gibt der Facharzt für Psychiatrie zu verstehen.

    Staatsanwältin plädiert auf Freiheitsstrafe von sieben Jahren und elf Monaten

    Dann hat Staatsanwältin Kramer das Wort. Sie wolle sich von der eigentlichen Anklage lösen. „Wir haben es mit einer Vielzahl an Taten zu tun, die sehr lange zurückliegen.“ Die mutmaßlich Geschädigten haben einen „diffusen Brei an Angaben“ gemacht, was in der Vielzahl an Taten begründet liegen könnte, sagt Kramer. Vor allem die Aussagen der Tochter seien jedoch plausibel. Insgesamt kommt die Staatsanwältin auf 22 Fälle schweren sexuellen Kindesmissbrauchs von Schutzbefohlenen, davon vier Tateinheiten mit Vergewaltigung. Daher plädiert die Staatsanwaltschaft auf eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und elf Monaten.

    Prozess wegen Kindesmissbrauchs: Verteidigung will Freispruch

    „Unter den Folgen dieser Taten haben beide genug gelitten“, gibt Nebenklägerin Marion Zech in ihrem leidenschaftlichen Schlussplädoyer zu verstehen. Wichtig sei den Geschädigten nicht das Strafmaß, sondern dass man ihnen Glauben schenke. Zech schließt sich der Staatsanwaltschaft an.

    Verteidiger Helmut Linck hält in seinem Schlusswort dagegen. Sein Mandant sei unschuldig. Die Aussagen des Sohnes seien viel zu vage und unplausibel. Er unterstellt dem Heranwachsenden Belastungseifer und stellt damit seine Glaubwürdigkeit infrage. „Die Borderline-Problematik“ der Tochter könne der Grund für eine Falschaussage sein, so der Rechtsanwalt. Daher seien beide Zeugen nicht hinreichend glaubwürdig. Die Verteidigung beantragt eine Freisprechung des Mandanten.

    Wie wird die Jugendkammer des Augsburger Landgerichts entscheiden? Das Urteil verkündet Richter Lenart Hoesch am Donnerstagnachmittag.

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