39 Jahre lang hat Schwester Vera an der Fachakademie für Sozialpädagogik in Dillingen Erzieher ausgebildet, die sich später um Jugendliche, Kinder oder Menschen mit Behinderung gekümmert haben. 35 Jahre lang war sie die Schulleiterin dieser Bildungseinrichtung. Ab dem 1. September ist sie es nicht mehr. In ihrem Büro stehen bereits die ersten gepackten Kartons, die Regale sind nur noch halb voll. Schwester Vera bereitet sich auf einen Abschied vor, der schmerzlich werden wird. Die Schule war immer auch irgendwie ihr Kind. Hier hat sie einen Großteil ihres Lebens verbracht und ihre Liebe verschenkt. Dabei sollte ihr Weg eigentlich ein ganz anderer sein.
Damals, im München der Nachkriegszeit, drängte sie ihre Mutter, in den Kindergarten gehen zu dürfen. Die Kleinen wurden dort von Dillinger Franziskanerinnen betreut. Irgendwie entstand eine Verbindung zwischen dem Münchner Kind und den Schwestern aus der Donaustadt, die nie mehr abriss. Und das Mädchen spielte mit ihren Puppen und ihren Freunden "Kindergarten" oder "Schule", sie selbst war dabei die Lehrerin. Die Dillinger Franziskanerinnen waren es auch, die vorschlugen, dass das Mädchen aufs Internat nach Maria Medingen gehen sollte. Schließlich trat die junge Frau in den Orden ein, 1964 legte sie die ewige Profess ab. "Irgendwie habe ich gewusst, das ist mein Weg", sagt Schwester Vera beim Blick zurück.
Ihre Augen strahlen, als sie über die Jahre erzählt, in denen sie selbst als Erzieherin gearbeitet hat. Das war ihre Berufung, das wollte sie tun. Doch der Orden hatte eine andere Bestimmung für sie und schickte Schwester Vera zurück in ihre Heimatstadt. Zwei Jahre später war sie Diplom-Sozialpädagogin und sollte an der Fachakademie in Dillingen unterrichten. Und weitere vier Jahre später sollte sie sogar Schulleiterin werden. Das wollte Schwester Vera anfangs gar nicht. Sie bat sogar darum, dieses Amt nicht ausfüllen zu müssen. Doch die Ordensleitung habe damals gesagt: "Probieren Sie es, Sie können es."
Die Akademie präsentieren, Konferenzen besuchen, Lehrer einstellen, Mitarbeiter führen, Schüler auswählen: All das und vieles mehr gehörte nun zu den neuen Aufgaben von Schwester Vera. Manche Tage waren leichter, andere schwerer. Das Wichtigste für die Schulleiterin sind stets die Menschen geblieben - besonders die Kinder. "Ich liebe Kinder heiß und innig." Und die seien im Grunde über all die Jahre stets gleich neugierig und wissbegierig geblieben. Nur die gesellschaftlichen Umstände hätten sich verändert. Gerade die Sicherheit fehle vielen Kindern mittlerweile - zum Beispiel, weil sich Eltern scheiden lassen, meint die Ordensfrau. Zudem seien die Ansprüche an die Kleinen immer größer geworden. Dabei liege der Wert eines Menschen nicht in dem, was er besitze oder welche Ausbildung er genossen habe - sondern darin, wie er mit anderen umgehe, sagt Schwester Vera.
In diesem Jahr hat sie ihre letzte Klasse zur Abschlussprüfung begleitet. Die sei ein "Geschenk des Himmels" gewesen, sagt Schwester Vera strahlend. Überhaupt hat sie überwiegend tolle Erinnerungen an ihre Schüler. "Ich hatte viel mehr Freude als Ärger." Vielleicht auch deshalb, weil sie den angehenden Erziehern als Menschenfreundin begegnet ist.