Er war im 19. Jahrhundert der erfolgreichste Kinderbuchautor in Europa. Seine Bücher wurden in 24 Sprachen übersetzt, sogar ins Japanische. Auch den Text des Weihnachtsliedes „Ihr Kinderlein kommet ...“ hat er gedichtet. Vor 250 Jahren, am 15. August 1768, an Mariä Himmelfahrt, wurde Christoph von Schmid in Dinkelsbühl geboren – und er hat auch Wurzeln in Dillingen. Der Vater Johann Friedrich Anton, leitender Beamter des Deutschen Ordens in Dinkelsbühl, hatte die Erziehung seiner neun Kinder unter folgende Devise gestellt: „Der einzige Reichtum, den ich hinterlassen kann, ... ist eine gute Erziehung und ein sorgfältiger Unterricht und ihr werdet euch dabei besser befinden und weiter kommen als manche Andere mit vielem Geld. Es kommt nicht darauf an, was der Mensch hat, als was er ist – und was er weiß und kann.“ Er schickte seinen Ältesten in eine Art Privatschule. Dort wurde Christoph von Schmid nach den neuen Lehrbüchern des Schulreformers Joseph Anton Schneller unterrichtet. Dieser Dillinger Professor hatte mit der Einführung der sogenannten „Dillinger Normalschule“ von 1774 die Reform aller Schulen des Hochstifts und des Bistums Augsburg begründet. Im Herbst 1783 fuhr der 15-Jährige mit der Postkutsche zum Studium nach Dillingen. Im Haus des Buchbinders Joseph Speck, eines Freundes des Vaters, in der Webergasse 22, fand Christoph Kost und Logis. Noch als 85-jähriger Domkapitular erinnert er sich „an das helle, heitere Zimmer im obersten Stock, das eine schöne Aussicht über die Stadtmauer hin auf die Donau hatte“. Aufgrund seiner hervorragenden Lateinkenntnisse konnte er von der sechsklassigen Lateinschule vier Jahre überspringen und mit der fünften Klasse beginnen. Poesie und Rhetorik sollten den Stoff der beiden letzten Gymnasialjahre bilden.
In diese Zeit fällt auch die erste Begegnung mit Johann Michael Sailer, der im Alter von 33 Jahren am 4. März 1784 zum Professor für Ethik und Pastoraltheologie an der Universität Dillingen ernannt worden war. Christoph war als Schüler der Rhetorik ausgewählt worden, am 24. November 1784, dem Vortag des Festes der heiligen Katharina von Alexandrien, der Patronin der philosophischen Fakultät, die lateinische Rede zu halten. Danach erzählten Kollegen dem Professor, dass Christoph von Schmid eben erst seinen Vater durch Tod verloren habe und sich seine Mutter mit neun Kindern in einer sehr bedrängten Lage befinde. Schmid erinnert sich: „Sailer grüßte mich auf das freundlichste, lobte den jungen Redner, drückte mir mehrere Vierundzwanziger – vielleicht alles Geld, das er eben bei sich hatte – in die Hand, mit dem Auftrag, es meiner Mutter zu übersenden, und lud mich ein, ihn zu besuchen, um mehr mit mir reden zu können“. Diese schicksalhafte Begegnung war der Beginn einer lebenslangen Freundschaft.
Schmid studierte von 1785 bis 1791 an der Universität Dillingen. Für ihn und seine Mitstudenten wurde ihr Studium geprägt von der Persönlichkeit Sailers. Sie bildeten mit ihm eine „Familia Saileriana“, so die Schmid-Biografien Ursula Creutz. Sailer brach mit geheiligten Konventionen. Statt auf Latein hielt er seine Vorlesungen in deutscher Sprache. Die Manuskripte stellte er großzügig den Studenten zur Verfügung. Er pflegte mit ihnen auf Spaziergängen oder in seiner Wohnung im kleinen Kreis das wissenschaftliche, geistliche und literarische Gespräch. Er öffnete seine eigene Bibliothek interessierten jungen Leuten und diskutierte mit ihnen über literarische Neuerscheinungen von Matthias Claudius und Goethe. Professor Joseph Weber, ein Freund und Kollege Sailers, gründete in Dillingen für an Literatur Interessierte eine „Lesegesellschaft“. Und Sailer gewann die Wertschätzung der Studenten, indem er sich für ihre persönlichen Schicksale interessierte und mit Rat und Tat half. Für Schmid wurde er – nach eigenem Bekenntnis – „ein erleuchteter Lehrer, ein liebevoller Wohltäter, ein väterlicher Freund“.
Sailer begleitete, förderte und prägte die geistige und geistliche Entwicklung seines Lieblingsschülers Schmid in dessen Dillinger Jahren. Ihm verdankt er den Idealismus seines Priestertums und die Heranführung zu seiner literarischen Lebensaufgabe. Am 17. August 1791 wurde Christoph Schmid zum Priester geweiht. Sailer hielt ihm in Dinkelsbühl die Primizpredigt. Über die Kaplansjahre Schmids in Nassenbeuren und in Seeg im Allgäu hielt die Freundschaft an mit gegenseitigen Besuchen und getragen von einem herzlichen Briefwechsel.
Im Laufe der Jahre hatten sich Verfechter des Althergebrachten, vor allen die Exjesuiten von Sankt Salvator in Augsburg und ihre Gesinnungsfreunde in Dillingen, zusammengetan, um aus Neid und Missgunst Sailer zu bekämpfen. Durch Intrigen und Verleumdungen verlor Sailer nach nur zehn erfolgreichen Jahren in Dillingen seine Professur. Getrieben von Ängsten vor der Französischen Revolution, entließ ihn am 4. November 1794 der Augsburger Fürstbischof Clemens Wenzeslaus auf zutiefst kränkende Weise aus seinem Amt. Wie tief ihn die Entlassung kränkte, geht aus der Bemerkung in einem Brief von 1807 hervor: „Als mich der Kurfürst von Trier wegwarf im Jahre 1794, da hoben viele sich in die Höhe, die vorher vor mir krochen.“
In der Zeit in Thannhausen (1796-1816) hatte Schmid als Schulbenefiziat und Religionslehrer die Aufgabe, seinen Schülern die Inhalte der Bibel zu vermitteln. Also erzählte er „die Geschichten des Alten und Neuen Testaments für Kinder“. Den einzelnen Kapiteln fügte er eine praktische Nutzanwendung an. Die Darstellung zum Beispiel der Geburt Johannes des Täufers schloss mit dem Hinweis: „Liebe Kinder! Was dort ein Engel den Eltern sagte, das sagen jetzt auch gute Ärzte: Hitzende Getränke, Wein und Kaffee sind den Kindern höchst schädlich und verkrüppeln sie an Leib und Seele. Branntwein wäre gar Gift. Es gibt für Kinder nichts Besseres als Wasser und Milch.“ Als 1813 die siebte Auflage erschien, wurde an allen katholischen Schulen des Königreiches Bayern im Religionsunterricht Schmids „Biblische Geschichte“ verwendet.
Im Zuge der Aufklärung wandelte sich die musikalische Gestaltung der Gottesdienste von den lateinischen Messen mit Orchesterbegleitung zum deutschen Volksgesang. Das Liedgut im „Gesangbuch“ bereicherte Schmid mit einer Reihe von Texten wie „Beim letzten Abendmahle ...“ und „Am Pfingstfest um die dritte Stunde ...“. Auch eines der heute weltweit gesungenen Weihnachtslieder „Ihr Kinderlein kommet, ach kommet doch all ...“ hat Schmid verfasst. Und dann die 50 Erzählungen mit den Titeln wie „Genovefa“, „Der gute Fridolin und der böse Dietrich“ und vor allem „Die Ostereier“. Schmid hat im Vorwort „An die verehrten Leser!“ der Ausgabe letzter Hand von 1841 seine Absicht genannt. Beim Dichten ging es ihm darum, Lehren der Religion „in Beispielen anschaulich zu machen, nach der uralten Bemerkung: Worte bewegen, Beispiele reißen hin!“ Der Germanist Friedrich Sengle hält die Geschichten für Paradebelege der Literatur der Biedermeierzeit: „Eben das rücksichtslose, altmodische Wesen des Erzählers dürfte zu seinem Erfolg beigetragen haben. Hier herrschte noch der unangekränkelte Absolutismus der alten Normen, von dessen Wiederherstellung man träumte. Die Kirche und die bayerischen Könige hatten allen Grund, den bescheidenen Erzähler hoch zu ehren.“
Auch Schmid wurde ein Opfer der Verdächtigung und Inquisition. Als Kaplan in Thannhausen erfuhr er „bey gegenwärtigen zur Neuerungsseuche geneigten Zeiten“ durch den Dekan von Jettingen eine Hausdurchsuchung. Er war beschuldigt worden, dass „dessen Religionsunterricht und Schulbücher... die ausgedachten Mittel und Gelegenheiten seien, schwärmerische Grundsätze zu verbreiten und ganze Gemeinden damit anzustecken“. 1816 bekam er in Oberstadion im Königreich Württemberg endlich eine eigene Pfarrstelle und damit ein solides Auskommen.
Erst nach der Rehabilitierung Sailers und dem Thronwechsel 1825 zu König Ludwig I. übertrug dieser, ein Verehrer des Landshuter Professors Sailer, auf dessen Anraten Christoph Schmid 1826 die Stelle eines Domkapitulars in Augsburg. Mit der Verleihung des „Ritterkreuzes des Königlichen Civildienst-Ordens der bayerischen Krone“ an ihn war der persönliche Adel verbunden. Wenige Monate vor dem Tod des Dichters bedankte sich Ludwig I. bei ihm für das zweite Bändchen seiner Erinnerungen, in dem dieser Sailer, seinem zum Bischof von Regensburg aufgestiegenen Freund, ein Denkmal gesetzt hatte. Die Lektüre habe ihn ergriffen: „Tränen stehen in meinen Augen.“ Am 3. September 1854 wurde Christoph von Schmid im Alter von 86 Jahren ein Opfer einer Cholera-Epidemie. Die Angst vor der ansteckenden Krankheit hielt viele Menschen von der Teilnahme an der Beerdigung ab. Kinder fehlten völlig.
Museum Spezial Aus Anlass des 250. Geburtstags des berühmten Kinderbuchautors Christoph von Schmid widmet der Museumsarbeitskreis diesem Schriftsteller ein Museum Spezial. Werner Gutmair hält am Sonntag, 19. August, um 15 Uhr im Stadt- und Hochstiftmuseum Dillingen einen Vortrag zum Thema „Christoph von Schmid (1768–1854). Priester und Schriftsteller – von Dillingen geprägt“. Der Eintritt ist frei.