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Dillingen: Wenn einem die Pflege über den Kopf wächst

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Wenn einem die Pflege über den Kopf wächst

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    Wenn einem die Pflege über den Kopf wächst
    Wenn einem die Pflege über den Kopf wächst

    Landkreis Es ist einer der seltenen Momente während der beiden vergangenen Jahre, in denen Tanja Geißler durchschnaufen kann. Dabei ist der Anlass alles andere als erfreulich. Denn ihre schwerstpflegebedürftige Mama hat einen Krampfanfall erlitten und muss in diesen Tagen im Krankenhaus behandelt werden. Und so genießt die 46-Jährige in ihrer Wohnung im Dillinger Westen den Luxus, selbst einmal zur Ruhe zu kommen. Die Szene wirkt behaglich. Die Sonnenstrahlen dieses ersten frühlingshaften Tages des Jahres fallen ins Wohnzimmer, und Hündin Sunny wälzt sich vergnügt neben ihrem Frauchen auf der Couch.

    Seit zwei Jahren kümmert sich die Frau rund um die Uhr um ihre Eltern

    Von der Leichtigkeit des Seins hat Tanja Geißler zuletzt wenig mitbekommen. Der Grund: Seit zwei Jahren kümmert sich die Dillingerin rund um die Uhr um ihre Eltern. Um den schwerstkranken Vater, der inzwischen gestorben ist, und die 73-jährige Mutter, die nach einem Schlaganfall ganz auf fremde Hilfe angewiesen ist. Und Tanja Geißler hat sich in dieser Situation allmählich aufgerieben. „Man steht mutterseelenallein da, da hast du niemanden auf deiner Seite“, sagte die gelernte Heilerziehungspflegerin und Bürokauffrau, die erkrankt ist und selbst auf Sozialleistungen angewiesen ist.

    Tanja Geißler mit ihrem Hund Sunny: Seit zwei Jahren pflegt die Dillingerin rund um die Uhr ihre Mutter. Die 46-Jährige würde sich ein Netzwerk wünschen, das ihr regelmäßig Auszeiten bei der Pflege ermöglicht.
    Tanja Geißler mit ihrem Hund Sunny: Seit zwei Jahren pflegt die Dillingerin rund um die Uhr ihre Mutter. Die 46-Jährige würde sich ein Netzwerk wünschen, das ihr regelmäßig Auszeiten bei der Pflege ermöglicht. Foto: Veh/Symbolfoto: Weizenegger

    Geißlers Mama hat den höchstmöglichen Pflegegrad 5. Drei Mal am Tag kommt ein Pflegedienst in die Wohnung, um die Grundpflege sicherzustellen. „Die 2000 Euro von der Pflegeversicherung reichen da kaum aus“, sagt die Dillingerin. Die restliche Zeit kümmert sich Tanja Geißler um ihre Mama, das habe sie ihr bereits vor zweieinhalb Jahrzehnten versprochen. Bei ihrer Pflege ist die 46-Jährige allein. Verwandte, die in der Nähe leben, gibt es nicht. „Und meine Freunde und Bekannten haben sich verabschiedet“, sagt die Dillingerin. Und das sei ja auch verständlich. Denn um Freundschaften zu pflegen, habe sie keine Zeit. „Ich kann ja nicht weg“, stellt Geißler fest. Und sie habe auch nicht viel zu berichten, denn dass es der Mama schlecht gehe, interessiere Bekannte irgendwann nicht mehr. Wenn ein Baby oder Kleinkind leide, nähmen die Menschen Anteil. Bei pflegebedürftigen Senioren sei die Sache anders.

    Auch die Kurzzeitpflege muss bezahlt werden

    Tanja Geißler hat in der Vergangenheit bereits die Kurzzeitpflege bei Regens Wagner in Anspruch genommen. Aber das Ganze müsse auch bezahlt werden. Allein der Transport koste 100 Euro. Für eine vollstationäre Heimunterbringung, die die Dillingerin für ihre Mutter gar nicht haben will, würde das Geld nicht reichen. Zudem müsse sie dann die Wohnung verkaufen, die sie für ihre Altersvorsorge vorgesehen hat. Tanja Geißler würde sich ein Netzwerk von rüstigen Rentnern wünschen, das pflegende Angehörige bei Bedarf in Anspruch nehmen könnten. Es sei ja nicht die große Auszeit, die sie sich wünsche. „Ich möchte einfach mal in Ruhe zum Friseur gehen können“, sagt die 46-Jährige.

    Wo es Hilfe gibt, ist nicht ganz leicht zu durchschauen. Die Geschäftsführerin Doris Hitzler und Margret Leicht von der Ökumenischen Sozialstation in Dillingen raten grundsätzlich, bei der Kasse eine Pflegeberatung in Anspruch zu nehmen. Pflegende Angehörige könnten durch Kurzzeitpflege entlastet werden, erläutert Hitzler. Es gebe dafür einmal im Jahr 1612 Euro, und noch mal denselben Betrag für die Verhinderungspflege, wenn der Angehörige selbst erkrankt ist und nicht pflegen kann. Vereinzelte Plätze gebe es beispielsweise bei Regens Wagner, im Heilig-Geist-Stift, in der Elisabethenstiftung in Lauingen oder in den privaten Altenheimen in Höchstädt. Für die Entlastung der pflegenden Angehörigen gebe es zudem 125 Euro im Monat. Doris Hitzler sagt, dass damit etwa fünf Stunden im Monat finanziert werden, in denen die Patienten betreut und die Angehörigen entlastet werden. Margret Leicht sagt: „Pflegende Angehörige müssen auch an sich selbst denken.“ Es bringe niemandem etwas, wenn der Pflegende unter der Last seiner Aufgabe zusammenbricht.

    Die Einsatzleiterin sagt, Pflegende Angehörige stünden nicht alleine da

    Beim Caritas-Kreisverband gibt es die Nachbarschaftshilfe „Zeit teilen“, bei der gegenwärtig 17 Ehrenamtliche aktiv sind. Dies wäre so ein Netzwerk, wie es sich Tanja Geißler wünscht. Einsatzleiterin Anneliese Mayr sagt aber: „Wir dürfen keine pflegerischen Aufgaben übernehmen.“ Dies würde ja den Fachdienst ersetzen. Mayr sagt, sie prüfe Anfragen genau und verweise auch auf andere Stellen. Etwa auf die Alzheimer-Gesellschaft in Dillingen um Vorsitzende Iwona Brückner. Die Einsatzleiterin widerspricht, dass Pflegende Angehörige allein dastünden. „Es gibt viele Hilfen.“ Die Anlaufstellen seien in der Broschüre „Seniorenberatung im Landkreis Dillingen“ (im Netz unter landkreis-dillingen.de herunterladbar) aufgelistet. „Pflegende Angehörige kommen schnell an die Grenzen, weil auch emotionale Dinge eine große Rolle spielen“, weiß Mayr. Mitunter gebe es die Scheu, professionelle Hilfe ins Haus zu holen.

    Gertrud Wallisch leitet seit 22 Jahren die Gruppe „Pflegende Angehörige“ in Wertingen. Die Mitglieder in diesen vom Caritasverband ins Leben gerufenen Gruppen seien im Landkreis deutlich weniger geworden. Wallisch hält diesen Austausch aber für enorm wichtig. „Pflegende Angehörige bekommen hier das Gefühl, mit ihrer Situation nicht allein zu sein.“ Grundsätzlich gebe es im Landkreis für Pflegende Angehörige viele Angebote, sagt die Wertingerin. Die Inanspruchnahme hänge aber auch von den finanziellen Möglichkeiten ab. Und man müsse die Hilfe auch annehmen können. "

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