Diese Nacht werden die vier Beteiligten wohl nicht mehr vergessen: Angefangen hatte alles eines Abends im vergangenen November in einer Dillinger Bar. Ein Soldat der Luitpoldkaserne war mit einem Kameraden weg. Sie trafen zwei junge Frauen. Es entwickelte sich ein feucht-fröhlicher Abend. Doch dieser nahm eine ungute Wendung. Während die Nacht für die beiden Männer auf ihrer Stube endete, landeten die Frauen im Augsburger Uniklinikum.
Um die genauen Vorfälle von damals ging es nun vor dem Dillinger Amtsgericht. Dem angeklagten, damals 25-jährigen Soldaten wurde Vergewaltigung vorgeworfen.
Doch von Anfang an: Die beiden Soldaten trafen die Frauen in besagter Bar. Die damals 18-jährige Fitnesstrainerin, die im Prozess als Geschädigte und als Nebenklägerin auftrat, und ihre Freundin kannten den Kameraden des Angeklagten bereits, weshalb sie den Abend zusammen verbrachten. Wie die Beteiligten im Zeugenstand erklärten, verstanden sich der Angeklagte und die Nebenklägerin sehr gut. So spielten sie wohl ein Spiel, bei dem sie sich als Paar ausgaben. Dabei küssten sie sich des Öfteren.
Als der Abend schon vorbei war, ruft die Geschädigte den Angeklagten an
Weit nach Mitternacht gingen die beiden Soldaten und die jungen Frauen getrennt voneinander nach Hause. Rund zwei Stunden später rief die Geschädigte den Angeklagten an, ob sie mit ihrer Freundin noch in der Kaserne vorbeischauen könne. Die Soldaten holten sie daraufhin ab. Auf der Stube angekommen ging der Abend mitsamt anzüglicher Spiele auf dem Smartphone weiter. Während sich die Aussagen der Beteiligten bis zu diesem Punkt noch deckten, wichen sie von da an prägnant voneinander ab.
In seiner Aussage beschrieb der Angeklagte etwa ein Szenario, bei dem die Nebenklägerin seine Hand genommen und auf ihre nackte Brust gelegt habe. Hintergrund sei eine Frage im Spiel gewesen, bei der die 18-Jährige sagen sollte, was sie an sich ändern wolle. Die Antwort: „Ihre Brüste.“ Zu Demonstrationszwecken, so der Angeklagte, habe sie seine Hand wie beschrieben manövriert.
Erst benahmen sich die beiden wie ein Paar, auch in der Dillinger Kaserne
Die Geschädigte jedoch erklärte bei ihrer Aussage, es wäre auf der Stube nicht mehr zu „pärchenähnlichen“ Handlungen gekommen. Ihre Freundin bestätigte dies zunächst, später erklärte sie jedoch, dass es durchaus hätte so gewesen sein können, wie der Angeklagte behauptete. Dessen Kamerad sagte aus, sie hätten sich in der Kaserne noch wie ein Paar benommen. An die Hand auf der Brust könne er sich jedoch, wie die Geschädigte auch, nicht erinnern. Ein anderer Soldat, der die 18-Jährige beim Rauchen traf, sagte aus, dass sich die junge Frau und der Angeklagte sehr nahe gewesen seien.
Als sich der damals 25-jährige Zeitsoldat und die junge Frau später schlafen legten, habe die damals 18-Jährige ihm klar machen wollen, dass sie nicht mit ihm im selben Bett schlafen wolle, sagte sie dem Gericht. Der Angeklagte wiederum behauptete, dies nicht wahrgenommen zu haben. Somit hätten sie sich in Löffelchenstellung hingelegt.
Ein anderer Soldat aus der Dillinger Kaserne verständigte die Polizei
Wie die Nebenklägerin aussagte, habe der Angeklagte schließlich angefangen, sie zu „betatschen“. Zunächst streichelte er wohl ihren Po. Dann habe er versucht, mit seinen Fingern weiter „nach vorne“ zu kommen. Irgendwann drang er wohl in sie ein. Die junge Frau habe seine Hand weggezogen, sich jedoch nicht getraut, ihm nochmals zu sagen, dass sie nicht mit ihm im Bett schlafen wolle. Sie habe aber gedacht, ihre Geste wäre eindeutig gewesen.
Daraufhin sei sie eingeschlafen, einige Zeit später aber wieder aufgewacht: „Dann war er in mir. Ich war danach sofort unzurechnungsfähig“, erklärte sie vor Gericht. Zu ihrer Freundin habe sie dann aufgeregt gesagt: „Wir gehen. Das lass’ ich nicht mit mir machen, der darf das nicht.“ Danach sei sie auf den Flur gerannt und dort einem anderen Soldaten begegnet. Dieser alarmierte daraufhin die Polizei.
Aus Sicht des Angeklagten war es jedoch anders: Er habe zu keinem Zeitpunkt das Gefühl gehabt, dass sie dagegen gewesen wäre. Er sei lediglich mit dem Finger in sie eingedrungen, nicht mit dem Penis. Das sei wegen des kleinen Betts gar nicht möglich gewesen. Aus seiner Sicht sprang die Geschädigte irgendwann auf und schrie ihn an, während er nicht gewusst habe, warum. Die Freundin der Geschädigten hatte zuvor bei der Polizei ausgesagt, dass die beiden sich vor dem Schlafengehen im Bett geküsst und gekuschelt hätten. Im Zeugenstand erklärte sie der Richterin wiederum, dass sie keine Küsse gehört habe.
Laut der Freundin sagte der Angeklagte zur Geschädigten nach dem Vorfall: „Es tut mir so leid, so war das nicht gemeint.“ Sie meinte zudem, dass er die Bettdecke dabei in der Hand gehabt hätte, die später in seinem Auto sichergestellt wurde, wie einer der befragten Polizisten erklärte.
Die Frauen wurden mit dem Rettungswagen ins Augsburger Klinikum gebracht
Nachdem die Polizei eintraf, wurden die beiden Frauen mit dem Rettungswagen ins Universitätsklinikum Augsburg gebracht. Dort wurde die 18-Jährige laut der behandelnden Ärztin gynäkologisch untersucht. In ihrer Scheide habe man DNA des Angeklagten nachgewiesen, jedoch nicht feststellen können, ob diese von seinem Penis oder Finger stammte.
Die Staatsanwältin Melanie Koch plädierte auf Freispruch. Zu groß seien die Abweichungen in den Zeugenaussagen, welche sich auch im Vergleich mit den Vernehmungen bei der Polizei kurz nach der Tat stark geändert hätten. Auch Georg Zengerle, der Verteidiger des Angeklagten, war dieser Meinung. Im Falle einer Verurteilung verlangte er zudem Einsicht in die Unterlagen der Ärzte, die die Nebenklägerin wegen ihrer schweren Depressionen betreut hatten. Sie war 2018 in stationärer Behandlung.
Elf Stunden dauert die Verhandlung in Dillingen
Die Anwältin der Nebenklägerin und Geschädigten, Marion Zech, erklärte, sie glaube ihrer Mandantin. Es gebe für sie keinen Grund zu lügen, da sie den Angeklagten neu kennengelernt hatte. Zudem erklärte ein zuständiger Kriminalpolizeibeamter, dass sie für ihn glaubhaft wirkte, trotz der vielen Ungereimtheiten. Zech plädierte für eine Verurteilung. Das Strafmaß sei dabei egal, ihrer Mandantin solle nur geglaubt werden.
Richterin Gabriele Held sprach den Angeklagten nach insgesamt elf Stunden Verhandlung und Beratung mit den Schöffen frei. Die vielen Unstimmigkeiten in den Aussagen der Hauptzeugen hätten nicht sicher bestätigen können, dass das alles gegen den Willen der jungen Frau geschehen sei. Die Entscheidung wird innerhalb einer Woche rechtskräftig, zuvor kann die Nebenklägerin noch Rechtsmittel einlegen.
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