Als sie im Sommer 2009 mit den Tageseinnahmen im Wert von 9500 Euro auf dem Weg zur Bank ist, wird eine Bäckereiverkäuferin aus dem Landkreis erst von zwei Männern bedroht, in eine Seitenstraße gezerrt und anschließend ausgeraubt. Alles sieht nach einem Raubüberfall aus, doch war es gar keiner?
Die Ermittlungen eines inzwischen pensionierten Dillinger Kriminalbeamten verlaufen damals im Sand. Sieben Jahre später meldet die Datenbank der Polizei zufällig einen scheinbar passenden DNA-Treffer. Der Verdacht fällt auf den jüngsten Sohn einer befreundeten Kollegin der überfallenen Verkäuferin. Da die beiden Frauen nach der Verhaftung des jungen Mannes Anfang 2017 über drei Wochen abwarten, bevor seine Mutter einräumt, den Raub gemeinsam geplant zu haben, müssen sie sich jetzt wegen Freiheitsberaubung vor dem Dillinger Amtsgericht verantworten. Im Laufe der Verhandlung treten allerdings immer mehr Zweifel auf, ob der Sohn überhaupt hätte verhaftet werden dürfen.
Ein Zufallstreffer in der DNA-Datenbank liefert eine neue Spur
Ob der inhaftierte Sohn sofort freigelassen worden wäre, wenn die Angeklagten früher den inszenierten Raubüberfall gestanden hätte, versucht Richter Patrick Hecken im Rahmen des Schöffengerichts herauszufinden. Nach der Tat sei eine DNA-Mischspur auf der Fleece-Jacke des 49-jährigen Opfers gefunden worden, berichtet der damals für die Ermittlungen verantwortliche Kriminalbeamte. Da man nichts eindeutig habe nachweisen können, seien die Untersuchungen eingestellt worden, erinnert sich der 61-Jährige.
Erst als der mittlere Sohn der 51-jährigen zweiten Angeklagten im Herbst 2016 wegen gefährlicher Körperverletzung verhaftet worden sei, habe man eine neue Spur erhalten. Nach seinen Angaben konnte die DNA des Sohnes in der Mischspur, die auf der Jacke festgestellt wurde, identifiziert werden. Daraufhin habe er die Ermittlungen wieder aufgenommen.
Er sagt: „In der Spur von der Jacke war ersichtlich, dass die DNA von drei bis fünf Personen enthalten sei, davon standen zwei in einem verwandtschaftlichen Verhältnis.“ Er habe eine Überprüfung des älteren und jüngeren Bruders veranlasst, als die DNA des mittleren Bruders in der Probe festgestellt worden sei, informiert er das Gericht. Da der jüngere Bruder der Aufforderung nicht nachgekommen sei, habe man ihn Ende Januar 2017 verhaftet.
Warum DNA in Mischspuren nur schwer nachgewiesen werden kann
Die Verteidiger Daniel Mahler und Veronika Tauchert, die die beiden Angeklagten vor dem Gericht vertreten, kritisieren die Vorgehensweise des inzwischen pensionierten Kriminalbeamten. „Man muss wissen, dass man in Mischspuren unglaublich schwer DNA eindeutig nachweisen kann“, sagt Mahler. Nicht nur das, auch der Umstand, dass das DNA-Gutachten falsch interpretiert worden sei, ist für den Anwalt Anlass dafür, einen Freispruch für die beiden Angeklagten zu fordern.
Dass die DNA des mittleren Bruders „vermutlich“, wie es im Bericht heiße, in der Mischspur enthalten sei, hätte keinen Anlass zu einer Verhaftung des jüngeren Bruders gegeben. Mahler sagt weiter: „Es erstaunt mich immer wieder, wie schlecht DNA-Gutachten interpretiert werden.“
Die Staatsanwältin ist schockiert über den Vorfall
Staatsanwältin Melanie Ostermeier betont allerdings, wie schockiert sie über den Vorfall sei. „Wie konnte es die 51-jährige Mitangeklagte hinnehmen, dass ihr jüngster Sohn beinahe einen Monat unschuldig in Untersuchungshaft sitzt, bevor sie gesteht“, wirft sie in den Raum. Für sie sei es eine klare Sache, dass der Raubüberfall damals vorgetäuscht wurde. Da die beiden Angeklagten abwarteten, bis sie die Tat zugaben, befürworte sie eine Freiheitsstrafe, die zu einer dreijährigen Bewährung ausgesetzt werden soll, und eine Geldstrafe von je 3000 Euro.
Als Richter Patrick Hecken das Urteil verkündet, betont er noch einmal, dass viel über das DNA-Gutachten gesprochen wurde. „Im Rahmen dieses Verfahrens muss es nicht erneut überprüft werden, wie von den beiden Verteidigern gefordert“, sagt er. Was wirklich bei dem Raubüberfall vor zehn Jahren passiert sei, könne man nicht mehr feststellen. Da er aber davon ausgeht, dass auch ein früheres Geständnis der beiden Angeklagten sich nicht auf die Entlassung des jüngsten Sohnes ausgewirkt hätte, da die DNA-Probe erst ausgewertet werden musste, spricht er sie frei. Die Kosten trägt die Staatskasse.
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