Hat ein 24-jähriger Angeklagter den Tod eines dreijährigen Buben verursacht? Darüber zu befinden hat derzeit das Augsburger Landgericht, das jetzt die Mutter (22) des toten Buben sowie die Mutter (45) des Angeklagten als Zeuginnen vernahm. Beide Frauen säten Zweifel an der Anklage der Staatsanwaltschaft, die dem Zeitsoldaten Totschlag vorwirft.
Sie sei sehr froh gewesen, dass der Angeklagte, ihr Lebensgefährte, sich mit ihrem dreijährigen Buben so gut verstanden habe, so die heute 22-jährige Mutter und Hausfrau vor Gericht. So habe sie sich intensiver um die kleine Schwester des Jungen kümmern können. Sie habe gewusst, wie sehr der 24-Jährige ihre beiden kleinen Kinder geliebt habe, so die Zeugin – so sehr, dass er geweint habe, wenn sie ihn mit Trennungsgedanken provoziert habe. Deswegen habe sie auch keine Bedenken gehabt, den Angeklagten, der nicht der leibliche Vater der Kinder ist, mit diesen allein zu Hause zu lassen. „Ich habe ihm vertraut.“
Denn an jenem Sonntag im Oktober 2019 war die 22-Jährige gemeinsam mit Bekannten von Dillingen aus nach Füssen gefahren, um dort zwei Pferde abzuholen, die man dort eingekauft hatte. Dann, nach 18 Uhr, als man gerade die Tiere auf einem Pferdehof in Höchstädt untergebracht habe, habe sie der Anruf ihres Partners erreicht: Der Bub sei ohnmächtig, er atme nicht mehr.
Der tote Bub aus Dillingen wurde wiederbelebt
Umgehend hatte die Frau einen Notruf abgesetzt und war nach Hause nach Dillingen geeilt. Dort fand sie den 24-Jährigen vor. „Er war genau so fertig wie ich.“ Dazu bemühten sich Notärzte und Sanitäter um das Leben des Kindes. Zwar hatte der Dreijährige nach rund einstündigem Atemstillstand noch einmal wiederbelebt werden können, er war aber in der folgenden Nacht in der Augsburger Kinderklinik gestorben. Im Laufe der Ermittlungen war der Verdacht auf den Lebensgefährten der 22-Jährigen gefallen, der dem Kind durch Schläge oder durch heftiges Schütteln lebensgefährliche innere Verletzungen beigebracht haben soll, so die Anklage.
Die Kindsmutter nahm das Gericht nicht nur mit in den letzten Tag des Lebens ihres kleinen Sohnes, sondern sie gewährte auch Einblicke in ihr nicht immer leichtes Leben. Sie berichtete vom frühen Bruch mit der eigenen Mutter, von ihrer ersten Schwangerschaft noch als Jugendliche, von der unglücklichen Partnerschaft mit dem leiblichen Vater ihrer Kinder in Halle bis zur neuen Partnerschaft in Dillingen. Auf Nachfrage räumte sie erzieherische Probleme ein und solche mit dem Jugendamt in Halle. Zwar habe sie auch einmal, am Tag nach der Obduktion ihres Buben, dem Angeklagten vorgeworfen, er sei schuld am Tod des Kindes. Konkrete Vorwürfe hatte die Frau dem Mann, den sie auf ihrem Mobiltelefon „Lieblingsmensch“ nannte, aber nie gemacht. Von einer vorangegangenen Magen-Darm-Grippe in der Familie berichtete sie und, dass sie sich um entsprechende Medikamente gekümmert habe. Ja und dann sei bei einem Streit unter den beiden Kindern die kleine Schwester mit dem Bobbycar gegen den Bauch ihres am Boden liegenden Bruders gestoßen. Und es stimme, beantwortete sie eine Frage der Verteidigung, der Bub sei auch das ein- oder andere Mal beim Spielen von einem der beiden Hunde der Familie umgeschubst worden. Schwerere Verletzungen seien dabei aber nicht entstanden. „Mir hat er nichts gebeichtet“, fasste sie ihre Gespräche zu den Vorfällen mit dem Ex-Freund zusammen.
Vier Stunden im Zeugenstand
Schockiert war die junge Frau, als sie auf einem Video, das Streifenpolizisten während des Rettungseinsatzes in der Wohnung aufgenommen hatten, ihren leblosen Buben erkennen musste. Sie selbst, so die Zeugin, wolle sich in eine Psychiatrie begeben, um so ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Nach vier Stunden im Zeugenstand eilte die Frau aus dem Gerichtssaal.
Nicht zurückhalten konnte auch die Mutter des Angeklagten im Zeugenstand ihre Tränen, als sie schilderte, wie sehr ihr Sohn in der Partnerschaft mit „seiner Familie“, mit „seinen Kindern“, aufgeblüht sei. Er habe die Kinder geliebt, so die Überzeugung der 45-Jährigen. Ihr Sohn sei es gewesen, der dem damals Dreijährigen erst richtig das Sprechen beigebracht habe. Niemals, so zeigte sich die Mutter überzeugt, hätte ihr Sohn dem Dreijährigen etwas Schlimmes antun können.
Begleitet wurde die Zeugenvernehmung von verbalen Auseinandersetzungen zwischen Staatsanwalt Michael Nißl und den Verteidigern Felix Dimpfl und Johannes Römer. Nißl appellierte an den Angeklagten, die nach seinen Worten durchschaubare Verteidigungsstrategie seiner Anwälte zu überdenken. Weder werde es gelingen, die medizinische Expertise des Gutachters zum Tod des Kindes von Laien zu erschüttern, noch stehe außer Frage, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt mit den Kindern allein in der Wohnung gewesen sei. „Noch ist es nicht zu spät für ein Geständnis“, so der Staatsanwalt. Die Verteidiger verwahrten sich im Gegenzug gegen eine Verhandlungsführung durch den Staatsanwalt, diese obliege dem Richter Roland Christiani. Das Verfahren wird kommende Woche fortgesetzt.
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