Eine Handvoll junger Menschen hat sich Dillingen angeschaut. Sie stammen aus Niedersachsen, aus Würzburg, München, Aschaffenburg oder Nordrhein-Westfalen. Alle studieren an der TU in München. Doch was treibt sie in die Große Kreisstadt? Ein einzigartiges Projekt.
Seit sechs Jahren wirbt eine konzertierte Aktion für medizinischen Nachwuchs. Denn der fehlt, vor allem im ländlichen Raum, auch im Landkreis Dillingen. Doch in den beiden Krankenhäusern im Landkreis und bei den niedergelassenen Ärzten (Hausärzte unterstützen Lehrkrankenhaus) können die Studierenden unter Aufsicht selbst mitanpacken. Noch dazu wird ihnen Unterkunft und Logis über ein Förderprogramm des Bayerischen Gesundheitsministeriums ein Jahr lang bezahlt.
Das Konzept AKADemie (Ausbildungskonzept Allgemeinmedizin Dillingen) ist inzwischen so erfolgreich, dass es im vergangenen Jahr mit dem Titel „Beste Landpartie Allgemeinmedizin“ (Bela) auf die Kliniken in Mühldorf und Kösching (Kreis Eichstätt) ausgedehnt wurde (Die „Beste Landpartie“ beginnt in Dillingen). Doch zu einer Konkurrenz unter den drei Städten und ihren Krankenhäusern scheint das (noch) nicht zu führen. „Nach Eichstätt oder Mühldorf wollte niemand. Die Resonanz war da nicht so groß dieses Semester“, sagte eine junge Studentin am Freitag.
Vor allem ein "Termin" hatte den Studenten 2018 in Dillingen gefallen
Da war die Gruppe zuerst im Krankenhaus von Chefärztin Dr. Ulrike Bechtel empfangen worden. Von ihr stammt das Konzept der AKADemie („Ärzte fallen nicht vom Himmel“), sie wirbt dafür regelmäßig an der Technischen Universität (TU) München. Dort wiederum wird das Projekt von Professor Antonius Schneider unterstützt. Er ist Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin, dem ersten hausärztlichen Lehrstuhl in Bayern (das Dillinger Kreiskrankenhaus ist seit 2013 Lehrkrankenhaus der TU). „Die Werbung von Dr. Bechtel bei uns in München war so toll, da haben wir gesagt – das gucken wir uns an“, erzählte eine andere Studentin.
Die Chefärztin lachte und meinte, Dillingen als möglicher Ausbildungsort habe sich herumgesprochen. „Aber vor allem der Besuch auf dem Weihnachtsmarkt war 2018 so gut angekommen – dass wir das heuer wieder so machen und unseren Infotag extra auf den Termin des Christkindlesmarktes gelegt haben.“ Tatsächlich war eine junge Frau im vergangenen Jahr auch schon dabei. „Das war so schön, deswegen wollte ich wieder hin. Und wir hatten damals einen echt tollen Abschluss auf dem Weihnachtsmarkt.“
Der Ärztemangel ist massiv - in allen Bereichen
So gelöst die Stimmung ist, es geht um ein ernstes Thema: Der Ärztemangel ist frappierend. Eine Studentin fragte, welcher Fachbereich außer Allgemeinmedizin fehlt. Laut Dr. Bechtel verteilt sich der Bedarf auf alle Bereiche.
Deswegen will sie eine Änderung bei der sogenannten Landarztquote erzielen. Wie berichtet, fällt unter anderem in Bayern 2020 der Numerus clausus für das Medizinstudium für denjenigen weg, der sich verpflichtet, nach dem Abschluss mindestens zehn Jahre als Hausarzt auf dem Land zu arbeiten. „Man kann vielleicht verlangen, dass sich ein junger Mensch mit 18 Jahren dazu verpflichtet, nach dem Studium zehn Jahre im ländlichen Raum zu arbeiten. Aber es sollte mehr Auswahl geben als nur als Hausarzt“, erklärte Bechtel den Studenten. Ihr Ziel ist es, dass auch die fünf Fachrichtungen Innere Medizin, Chirurgie, Kinderheilkunde, Gynäkologie und Anästhesie mit einbezogen werden. Das sei die Basisversorgung. Die Dillinger Chefärztin hat bereits mit der Bayerischen Gesundheitsministerin Melanie Huml und auch mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn darüber gesprochen. „Wir lassen Ihnen die Wahl“, sagte Dr. Bechtel zu den Studenten. Ein Stipendiat, der ursprünglich Hausarzt werden wollte, fühlt sich nun überraschend in der Chirurgie wohl. „Wenn der junge Mann jetzt Chirurg werden will, gut, denn den brauchen wir auch.“
Nicht nur die Kollegialität in der Klinik zählt
Im Anschluss an das Gespräch feierte ein Kurzfilm über die Ausbildung im Dillinger Land Premiere. Junge Ärzte erzählen darin von ihren positiven Erfahrungen in Arztpraxen, im Krankenhaus – und in der Freizeit. Denn gerade auch das kollegiale Miteinander, nicht nur in der Arbeit, sondern auch danach im Biergarten, sei entscheidend.
Unter den Zuschauern des Imagefilms saß am Freitag auch Dillingens Landrat Leo Schrell. Er hatte zuvor die vielen Vorteile des Landkreises hervorgehoben. Die Region sei wirtschaftlich erfolgreich, verfüge über nachhaltige, naturnahe Freizeitmöglichkeiten und annehmbare Wohnungs- und Immobilienpreise. „Studierende sind hier herzlich willkommen, nicht nur seitens der Politik, sondern auch seitens der Bevölkerung. Mich würde es sehr, sehr freuen, wenn sie sich für Dillingen entscheiden.“ Und er betonte auch: Ohne Dr. Bechtel gebe es das Konzept gar nicht. Zudem bedankte er sich bei Professor Schneider und Pradix, dem Praxisnetz der niedergelassenen Ärzte.
Neben dem Besuch des Krankenhaus stand auch eine Hausärztepraxis auf dem Programm
Nach dem Gespräch mit Schrell führte Dr. Bechtel die jungen Leute durch das ganze Krankenhaus. Im Anschluss daran wurden sie in der Hausarztpraxis von Dr. Doris Roller und Michael Münch in Dillingen empfangen. Mit dabei war dort auch Dillingens Oberbürgermeister Frank Kunz. Er betonte: „Ein ganz wichtiger Faktor für die hohe Lebensqualität in unserer Heimat ist eine gute Hausarzt-Situation.“ Deswegen sei es so wichtig, dass es Dr. Bechtel seit Jahren gelingt, angehende Mediziner für die Region zu begeistern. Und mit der Arbeit am Lehrkrankenhaus die Grundlage für eine nachhaltig gesicherte hausärztliche Versorgung zu schaffen. „Entscheidend ist, dass wir alle an einem Strang ziehen und die Studierenden von den vielen Vorzügen unserer Heimat überzeugen“, so der Oberbürgermeister.
Die Werbung für Dillingen wurde im Anschluss fortgesetzt: Mit einem Rundgang durch die Innenstadt und dem erhofftem Abschluss auf dem Dillinger Christkindlesmarkt. Da war der Schnee, der am Freitagmorgen gefallen war, schon längst getaut, stattdessen regnete es. Doch das tat der guten Laune der Gruppe bis in den Abend hinein keinen Abbruch.
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