Schon bevor alle drei Zeugen des Tages vernommen waren, stand für den Staatsanwalt fest: Der Angeklagte, ein 24-jähriger Zeitsoldat aus Dillingen, war am Tattag mit den beiden kleinen Kindern seiner damaligen Lebensgefährtin (21) allein zu Hause und nur er kommt für die schweren Verletzungen in Frage, die im Oktober 2019 zum Tod eines dreijährigen Buben geführt hatten. Vor dem Augsburger Landgericht wird derzeit aufgearbeitet, wie es zum Tod des Kindes kommen konnte. Des Totschlags ist der 24-Jährige angeklagt, der bisher zu den Tatvorwürfen schweigt.
Vierter Verhandlungstag, es geht um die Frage, ob der Angeklagte an jenem Oktober-Sonntag 2019 tatsächlich in der gemeinsamen Wohnung mit den beiden Kindern seiner Lebensgefährtin allein gewesen ist – oder, ob die Mutter nicht doch auch daheim war, als ihr Sohn die lebensgefährlichen Verletzungen zugefügt bekam, an denen er wenige Stunden später starb. Eben dies, dass die Mutter doch auch zu Hause gewesen sein könnte, hatte die Verteidigung gemutmaßt.
Gespann mit dem Pferdeanhänger
Die Kindsmutter selbst hatte bereits gegenüber der Polizei und später vor Gericht ausgesagt, an jenem Tag unterwegs gewesen zu sein, um ein Pferd abzuholen. Drei Mitglieder der fünfköpfigen Reisegruppe jenes Oktobersonntags standen jetzt als Zeugen vor Gericht. Zunächst war die Reihe am Fahrer des Gespanns mit dem Pferdeanhänger, einem heute 25-jährigen Maurer aus Dillingen. Anschließend vernahm das Gericht eine 18-jährige Auszubildende und deren Mutter, eine 38-jährige Einzelhandelskauffrau aus Höchstädt. Dabei ergab sich in etwa folgendes Bild: Nachdem die 38-Jährige und die 21-jährige Mutter des Buben bereits einige Tage vorher zwei Pferde im Allgäu angeschaut hatten, war beschlossen worden, die Tiere in einen Reitstall nach Höchstädt an die Donau zu holen. Als Termin wurde Sonntag, 20. Oktober 2019, festgelegt. Der 25-Jährige holte also morgens zuerst Mutter und Tochter mit seinem Auto in Höchstädt ab, um dann unterwegs einen bei Bekannten geliehenen Pferdewagen anzuhängen. Dann ging es nach Dillingen. Dort sei gegen 9 Uhr als Letzte die 21-Jährige aufgenommen worden, die bereits einige Schritte vor der Haustür an der Straßeneinmündung gewartet habe. Die Frau habe überdreht gewirkt, etwas nervös, vielleicht ja wegen des bevorstehenden Pferdehandels?
Besuch wegen Geburtstages
Über die Autobahn ging es sodann ins Allgäu nach Füssen. Während dieser Fahrt, so erinnerte sich die 18-jährige Zeugin, habe die 21-Jährige zumeist mit dem Handy über Kopfhörer Musik gehört. Einmal habe sie unterwegs mit dem leiblichen Vater ihrer Kinder aus Halle/Saale telefoniert. Dabei sei es wohl um einen geplanten Besuch wegen eines Geburtstages in Dillingen gegangen. Beide Zeuginnen wollten mitbekommen haben, dass vom leiblichen Vater der beiden Kinder das Geld für das Pferd kommen sollte. In Füssen habe man gegen Mittag am vereinbarten Treffpunkt auf dem Parkplatz eines Schnellrestaurants auf die Pferdebesitzerin gewartet, alle hätten dabei etwas gegessen. Ein Foto, was dort aufgenommen worden war, wurde im Gerichtssaal gezeigt.
Die Pferdebesitzerin habe zunächst ein paar Utensilien für das neue Fohlen der 21-Jährigen übergeben, bevor man einige Kilometer weiter Richtung Österreich gefahren sei, um die beiden Pferde einzuladen. Anschließend sei man nach Höchstädt zurückgekehrt, wo die beiden Pferde gegen 18 Uhr in ihren neuen Stall gestellt wurden.
Sie habe einen Schrei losgelassen
Bereits nach wenigen Minuten, so erinnerten sich die Zeuginnen, sei die 21-Jährige von ihrem Lebensgefährten aus Dillingen angerufen worden, weil der dreijährige Sohn zu Hause nicht mehr atmen würde und bewusstlos geworden sei. Umgehend, so der 25-jährige Maurer, seien alle fünf samt dem leeren Pferdeanhänger nach Dillingen gefahren, wo man wohl gegen 18.30 Uhr eintraf. Die Mutter sei in die Wohnung hinaufgelaufen, wo bereits eine Notärztin, Sanitäter und die Polizei eingetroffen waren und sich um das Kind kümmerten. Sie habe einen Schrei ausgestoßen, die 18-Jährige habe sich zunächst um sie gekümmert. Auch den 24-jährigen Angeklagten habe man gesehen. Er sei immer wieder in der Wohnung gewesen, um zu helfen oder vor dem Haus, um sich zu beruhigen. Der Mann habe „komplett aufgelöst gewirkt“, habe immer wieder gesagt, er wisse nicht, was passiert sei, könne sich das alles nicht erklären. Die beiden Zeuginnen, die den Angeklagten von mehreren früheren Begegnungen kannten, bezeichneten ihn als ruhig, besonnen, liebevoll. Der 21-jährigen Mutter der beiden Kinder habe sie nicht immer alles glauben können, so die 38-Jährige vor Gericht.
Drei Zeugen werden vernommen
Für Staatsanwalt Michael Nißl war schon vor dem Ende der drei Zeugenvernehmungen klar: Das, was die 21-Jährige ausgesagt hatte, dass sie nicht daheim und der Angeklagte mit den beiden Kindern allein gewesen sei, sei erwiesen. Versuche der Verteidigung, dies infrage zu stellen, seien hinfällig, sagte er in einer Erklärung an das Gericht. Das Verfahren soll am 24. Februar mit weiteren Zeugenvernehmungen fortgesetzt werden.
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