In der Antike ging man zu den Philosophen, wenn man der Vernunft begegnen wollte. Heute geht man mit der gleichen Absicht ins Kabarett. Bruno Jonas verwandelte für 400 Besucher den Dillinger Stadtsaal in eine Insel der Vernunft im Meer der neuen Ideologien. Brigitte Schöllhorn und Ulrich Demmer kündigten den Satiregipfel der Dillinger Kulturtage als „Highlight“ an, Anton Kapfer deklarierte den Abend abschließend als „Glanzlicht“. Das traf. Selten dürfte ein Publikum im Dillinger Stadtsaal eine höhere Pointendichte erlebt und genossen haben.
Jonas fragt: "Ist es falsch, wenn der Falsche das Richtige sagt?"
Bruno Jonas hatte seine Weltbetrachtung mit dem Titel „Nur mal angenommen“ überschrieben. Aber der intensive Gebrauch des Konjunktivs entfernte seine Überlegungen nicht von der politischen Realität. „Ist es falsch, wenn der Falsche das Richtige sagt?“, lautet ein Lenksystem auf seinen kabarettistischen Nah- und Fernstraßen, die eine begeisterte Zuhörerschaft drei Stunden lang mitbefahren durfte.
Der Kabarettist, ein intellektuelles Feuerwerk
Dass Bruno Jonas ein intellektuelles Feuerwerk ohne jeden Rohrkrepierer veranstalten kann, hat viele Gründe. Oft wird eine scheinbar harmlose Bemerkung erst durch den Inhalt des nächsten Satzes zum Witz. Die Lust an der Wortspielerei erweist sich als analytische Methode zur Entlarvung von begrifflichen Blödsinnigkeiten auf den sprachlichen Mainstreams dieser Welt. Der Kontrast, der durch die Mischung von niederbayerischer, hochdeutscher und englischer Sprachebene entsteht, verdeutlicht die Phrasendrescherei insbesondere auf den Argumentationsfeldern der Politik.
Ein Streifschuss für Seehofer, einen Volltreffer gegen Trump
Auf dem Galopp durch die Kuriosität der Welt wurden die unterschiedlichsten Ziele unter satirisches Feuer genommen. Annegret Kramp-Karrenbauer und Horst Seehofer kamen mit Streifschüssen davon. Donald Trump und vor allem Recep Tayyip Erdogan hatten Volltreffer hinzunehmen. Als Katrin Göring-Eckardt ins Visier genommen wurde, kapitulierte der Schütze: „Die pack ich nicht.“
Von Gebrummel bis Geschrei ist bei Bruno Jonas alles drin
Bruno Jonas setzt seine variable Stimme ein, wenn es um die Ausdeutung von Inhalten seiner Monologe geht. Mit unglaublicher Vitalität wechselt er immer wieder vom reflektierenden Gebrummel zum markanten Geschrei der ironischen Proklamation, von direkten Appellen an das mitgehende Publikum zu parodierenden politischen Statements. Begleitet wird diese kontrapunktische Kabarettmusik von einem akzentuierenden Schniefen der Nase und gelegentlich von einem Pfiff. Mit dem „Klugscheißer“-Gitarrensong „I muss immer alles besser wissen“ und mit dem Gedicht „Angenommen, ich wär ein Konjunktiv“ unterstreicht Bruno Jonas die Vielfalt seiner kabarettistischen Präsentationsvarianten.
Bruno Jonas und die DHL-Pakete
Das großartig Befreiende an diesem von der Sparkasse Dillingen-Nördlingen gesponserten Abend aber lag an der Demonstration, dass sich der gesunde Menschenverstand eben doch gegen die ideologisierte Debattenunkultur einsetzen lässt. Der vielfach ausgezeichnete, durch TV-Serien wie „Scheibenwischer“ und „Klugscheißer“ bekannt gewordene Kabarettist agierte bei seinem Dillinger Auftritt zwischen einer Büste von Sokrates und einer Menge von DHL-Paketverpackungen. Das signalisierte sehr schön den Traum, dass sich die Banalität des modernen Alltags mit dem antiken Ideal verbinden lassen müsse, wonach der Mensch ein vernunftbegabtes Wesen sei.
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