Es ist die kommunalpolitische Frage schlechthin: Tritt Dillingens Landrat Leo Schrell im kommenden Jahr noch mal zur Wiederwahl an? „Ich ringe noch mit mir“, sagt der 64-Jährige im Interview. Er habe den Kopf so voll mit anderen Themen, da sei dieses eine nicht so wichtig. Er möchte dazu noch einige Gespräche führen. Dafür sei bislang keine Zeit gewesen. Dennoch, eine vorsichtige Frist hat sich der Landrat schon gesetzt.
„Ich bin sehr verwachsen mit dem Amt“, erzählt der Unterliezheimer, „ich mache es aus Leidenschaft.“ Auch die vergangenen Monate mit der Corona-Pandemie, mit Querdenker-Post, hätten daran nichts geändert. Erst am Vortag kam wieder ein Flugblatt aus der rechten Szene an. „Ich bin so mit anderen Aufgaben beschäftigt, dass mich so etwas nur am Rande berührt“, sagt der Landrat gelassen. Sieben Tage die Woche, teils bis in die Nacht, habe er zu tun.
Die Gesamtschau mache ihm insgesamt mehr Sorgen als ein einzelner Brief: Es gebe immer mehr einzelne Gruppen, die gegen den Staat, die öffentliche Hand oder die EU sind. Der Gemeinsinn stehe nicht mehr im Vordergrund, die Ansprüche an die Verwaltungen nehmen allgemein zu. „Wir sind eine freiheitlich demokratische Gesellschaft, in der jeder eine Eigenverantwortung hat. Eine Vollversorgung können wir gar nicht leisten.“
Ein Rückblick auf die Bundestagswahl und das Ergebnis der AfD
Auf das Ergebnis der Bundestagswahlen schaut der Landrat (FW) mit gemischten Gefühlen zurück. Da waren Vorwürfe der CSU, weil die Freien Wähler eigene Kandidaten aufstellten. „Wenn Menschen nicht wählen gehen, werden Stimmen verloren. Aber ein Votum für eine demokratische Partei wie die Freien Wähler ist nicht verloren.“ Außerdem habe die CSU 46 von 47 Direktmandaten in Bayern gewonnen. Selbst mit allen Stimmen, die die FW bekommen hat, hätte die CSU nicht einen Sitz im Bundestag mehr erreicht.
Doch zudem wurde in mehreren Gemeinden im Dillinger Land auch noch die AfD zweitstärkste Kraft. „Es gibt einfach viele Menschen, die mit der aktuellen Politik nicht einverstanden sind und vieles nicht verstehen – was ich in Teilen nachvollziehen kann“, sagt Schrell. Die Bürokratie nehme zu, Entscheidungen würden immer komplexer.
Stattdessen müssten die Abläufe verkürzt, beschleunigt und transparenter gemacht werden, kurz: „Wir bräuchten eine Reform unserer Systeme“, fordert der Landrat.
Und zwar in allen Bereichen. Egal, ob Digitalisierung, Mobilfunk, Energieversorgung oder Infrastruktur. Stattdessen gehe zu wenig voran. Von gleichwertigen Lebensverhältnissen in Stadt und Land sei man weit entfernt. Und das wiederum schaffe Potenzial für extreme Parteien.
So viele Mitarbeiter hat das Landratsamt wegen der Corona-Pandemie eingestellt
Schon vor der Pandemie war das Dillinger Landratsamt stark gefordert: bei der Flüchtlingskrise in den Jahren 2015 und 2016. Doch seit März 2020, seit dem Ausbruch des Coronavirus in der ganzen Region, sei die gesamte Behörde nur noch im Krisenmodus.
Alle Bereiche seien betroffen, ob Jugend- oder Gesundheitsamt, Veranstaltungen, Test- und Impfzentren, der Katastrophenschutz… „wir haben 22 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt. Aber insgesamt sind rund 70 und mehr im Einsatz zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie – und von anderen Bereichen abgezogen“, betont Schrell.
So sei einiges liegen geblieben oder durchgewunken worden – „das geht normalerweise nicht, aber ich kann es gerade nicht ändern“, sagt er und seufzt. Handwerklich saubere Arbeit in der Behörde sei ihm sehr wichtig. Die Bürgerinnen und Bürger müssten sich darauf verlassen können. Das schaffe Vertrauen.
Der Frust über den Hausärztemangel
Immerhin sei der Landkreis bei der Bekämpfung der Pandemie gut aufgestellt. Vier mobile Impfteams seien im Einsatz. Binnen 14 Tagen könnten die Kapazitäten weiter hochgefahren werden. Die Firma Ecolog, die die Impfteams stellt, arbeite professionell, man sei sehr zufrieden. Aktuell habe das Impfzentrum allen Pflegeheimen die Booster-Impfungen angeboten. „Teils sind die schon durch, teils stehen noch Termine an. Insgesamt ist das eine große Entlastung der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte.“ Die ärztliche Versorgung bleibt das eine Problem.
Wie berichtet, hatten 27 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus dem Kreis eine Resolution zur Aufstockung der Medizinerinnen und Mediziner verabschiedet, dennoch hatte sich nichts geändert. „Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte gehen alle an ihre Belastungsgrenze – aber es ist keine Bewegung in der Sache erkennbar“, sagt Schrell deutlich frustriert. Schuld an der Unterbesetzung des Landkreises sei der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA), der mit seinen Berechnungen weit neben der tatsächlichen Situation liege. „Das ist sehr enttäuschend.“ Selbst das Leuchtturmprojekt des Landkreises, die AKAdemie am Dillinger Krankenhaus zur Gewinnung von Hausärzten und Hausärztinnen, reiche nicht aus, um das Problem zu lösen.
Die Angst um die Krankenhäuser im Kreis bleibt
Die Gesundheitsversorgung bereitet Schrell darüber hinaus weitere Sorgen: Er fürchtet, dass die Bundesregierung von 1900 Krankenhäusern bundesweit nur 1200 erhalten will. Die Ausgleichszahlungen für die Kliniken seien gekappt worden, noch dazu müssen die Häuser inzwischen planbare Operationen wieder verschieben. Doch gerade die spülen Geld in die klammen Kassen. „50 Euro pro Patient und Tag vom Freistaat, das ist eine nette Geste. Aber der Bund muss das Problem angehen. Sonst wird es Krankenhäuser geben, die gut aufgestellt sind und dennoch ein Defizit einfahren.“
Auch da wäre eine Strukturreform notwendig. Die Intensivbetten im Kreis Dillingen seien voll, der Pflegeaufwand für die Corona-Patienten teils extrem. „Würden wir aber noch mehr Kranke aufnehmen, und den Personalschlüssel unterschreiten, müssten wir Strafzahlungen leisten – wie krank ist dieses System?“, meint Schrell wütend.
Die Pläne für die beiden Kreiskliniken Dillingen und Wertingen
Dennoch gibt es weitere Pläne für die beiden Kliniken im Kreis: „Wir werden die Akutgeriatrie am Krankenhaus Wertingen einrichten. Dafür suchen wir noch die chefärztliche Besetzung. Wir brauchen mehr Personal als bislang. Außerdem bauen wir die neue Pflegeschule – um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken“, listet Schrell auf. Das neue Altenheim sei Sache der Stadt Wertingen. „Und das Ärztehaus ist nicht umsetzbar“, sagt er und atmet hörbar aus. Fraktionsübergreifend gefasste Beschlüsse hätten dafür existiert. Doch dann machte ein von der CSU angeführter Bürgerentscheid die Pläne zunichte. In Dillingen werden die Notaufnahme und die Intensivstation neu gebaut und der Linkskatheter-Platz eingerichtet. Die Planungen laufen laut Schrell bereits. Der Landkreis wolle auch künftig in beide Häuser investieren und sie in kommunaler Trägerschaft erhalten. Mit anderen Häusern in umliegenden Landkreisen sollen mögliche Synergien oder Optimierungen ausgelotet werden.
Und, wann fällt jetzt die Entscheidung über die Kandidatur
So ist Schrells Blick auf 2022 doch voller Hoffnung. Hoffnung, dass man im Frühjahr 2022 wieder in den Normalbetrieb zurückkehren kann. Dass das Vereinsleben im Kreis wieder aufblüht.
Aber wann fällt denn jetzt die Entscheidung über eine weitere Kandidatur? Schrell lächelt. Ende dieses Jahres wolle er sich entscheiden. „Wenn ich Bürgermeister von ihrem Amt verabschiedet habe, habe ich immer gesagt, denkt daran, der Chefsessel daheim ist besetzt. Das spräche für eine Verlängerung.“