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Dillingen/Haunsheim: Lebenscafé Dillingen: „Jeder trauert anders“

Dillingen/Haunsheim

Lebenscafé Dillingen: „Jeder trauert anders“

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    Das Lebenscafé in Dillingen ist ein Ort an dem Menschen, die trauern zusammenkommen und Halt finden. Auch in der aktuellen Corona-Situation sorgen sich die Ehrenamtlichen um die trauernden Menschen.
    Das Lebenscafé in Dillingen ist ein Ort an dem Menschen, die trauern zusammenkommen und Halt finden. Auch in der aktuellen Corona-Situation sorgen sich die Ehrenamtlichen um die trauernden Menschen. Foto: Polednia

    Von der Pflege Demenzerkrankter bis hin zur Betreuung Anonymer Alkoholiker: Die 80-jährige Ursula Poremba hat sich schon immer im sozialen Bereich engagiert. Seit fünf Jahren ist die Haunsheimerin Trauerbegleiterin im Lebenscafé Dillingen. Im Interview spricht sie über ihre Erfahrungen in der Trauerarbeit.

    Wie sind Sie Trauerbegleiterin geworden?

    Poremba: Ich habe zunächst die Ausbildung zur Hospizbegleiterin gemacht. Und irgendwann stand die Frage an, wer Interesse daran hätte das Team der Trauerbegleiter zu verstärken. Ich wusste zwar schon, dass es die Trauerbegleitung gibt, aber ich war noch nie bei so einem Treffen. Also habe ich es einfach ausprobiert. Und dann habe ich festgestellt, wie wichtig es ist, dass man in der Trauer Ansprechpartner hat. Dass man einen Platz hat, wo man sich artikulieren und seine Trauer rauslassen kann. Seit 2017 bin ich mit im Team der Trauerbegleiter.

    Wer darf ins Lebenscafé kommen?

    Ist jeder Mensch für die Hospiz- und Trauerarbeit geeignet?

    Poremba: Das möchte ich nicht beurteilen. Manchmal wissen wir ja gar nicht, was in uns steckt. Welche Ressourcen in uns schlummern. Aber man muss bestimmt eine gewisse Portion Empathie mitbringen. Das muss jeder für sich herausfinden, inwieweit man sich einbringen kann.

    Wie sieht so ein Nachmittag im Lebenscafé konkret aus?

    Poremba: Zurzeit muss man sich ja anmelden. Ansonsten sieht es so aus: Wir treffen uns normalerweise am zweiten Mittwoch im Monat. Da kann jeder kommen. Wir stellen uns vor und jeder bekommt ein Namensschild. Dann kann man sich erst einmal kennenlernen mit Kaffee und Kuchen. Es ist ein sehr schönes und gemütliches Ambiente. Die Menschen sollen sich wohlfühlen. Dann redet und beschnuppert man sich eine Weile. Viele kennen sich auch schon. Danach kann jeder erzählen was einen bewegt. Das ergibt sich dann automatisch. Einer fängt zum Beispiel an über seine Probleme mit der Trauer zu sprechen.

    Sind Sie allein vor Ort?

    Poremba: Wir sind immer zu zweit im Team. Wir überlegen uns einen Impuls, das was wir den Menschen in dieser Sitzung mitgeben wollen. Wir lesen zum Beispiel Geschichten vor oder ein Gleichnis aus der Bibel. Die Trauerbegleiter geben aber keine Ratschläge oder Regeln vor. Wir begleiten die Trauernden, sodass sie ihren Weg finden. Das ist unsere Aufgabe.

    Das Tabuthema Tod

    Gehen wir als Gesellschaft gut mit dem Thema Sterben um?

    Poremba: In unserer Gesellschaft wird der Tod unglaublich tabuisiert. Man erwartet eigentlich von den todkranken und trauernden Menschen, dass sie ihre Emotionen nur dosiert zeigen und stark sind. Das verhindert die Auseinandersetzung mit der eigenen Trauer.

    Was macht das Lebenscafé anders?

    Poremba: In unserem Forum sind alle in einer ähnlichen Situation und da kann man sich austauschen. Da würde keiner Oberflächlichkeiten sagen wie „Ach ja, es wird schon wieder“ oder „Kopf hoch“, wie es allgemein üblich ist. Jeder in der Gruppe kann diese Emotionen nachfühlen. Je natürlicher man das Ganze gestaltet, umso mehr hilft es den Menschen.

    Wie unterscheidet sich die Trauer der Besucher?

    Poremba: Es ist eigentlich immer der ähnliche Schmerz. Die ähnliche Trauer. Es ist manchmal schwieriger, wenn Menschen kommen, die erst vor kurzem jemanden verloren haben. Wir haben mittlerweile auch Männer in unserer Gruppe, das war am Anfang nicht so.

    Gibt es Momente aus dem Lebenscafé, die sie besonders beschäftigen?

    Poremba: Ein Mann hat seine Lebenspartnerin verloren. Das gemeinsame Haus war voll mit Dekoration von seiner Frau und Erinnerungsstücken. Der Mann hatte ein schlechtes Gewissen. Einerseits haben ihn die vielen Gegenstände erdrückt, andererseits haben sie ihn an seine verstorbene Partnerin erinnert. Er hatte Schwierigkeiten, die Sachen zu entsorgen. Und überhaupt sich sein eigenes Umfeld zu schaffen. Das Aufräumen ist ein Stück weit auch ein Abschied nehmen. Dann rückt er ein Stück weiter in seiner Trauer.

    Lachend nach Hause gehen

    Ist Humor ein wichtiger Bestandteil des Lebenscafés?

    Poremba: Ja, Humor ist ein wichtiger Teil. Wir lachen und weinen auch. Es ist ja nicht nur eine Trauersituation. Oft hält sich das die Waage. In dem Moment, in dem man sich öffnet, kommen auch andere Emotionen neben der Traurigkeit zum Vorschein. Man fühlt sich freier und da werden auch Blockaden gelöst. Was mich dann richtig freut, ist, wenn die Menschen lachend nach Hause gehen.

    Sorgen Sie sich um die Trauernden wegen der Lockdown-Situation? Ist die Situation schwierig?

    Poremba: Sorgen nicht, aber ich denke schon viel an sie. Es ist natürlich für alle schwierig. Wir können das Lebenscafé im November nicht öffnen. Dafür können wir aber Einzelgespräche am Telefon und Spaziergänge anbieten.

    Die Haunsheimerin Ursula Poremba ist Trauerbegleiterin.
    Die Haunsheimerin Ursula Poremba ist Trauerbegleiterin. Foto: Polednia

    Nehmen Sie selbst auch etwas aus jeder Sitzung mit?

    Poremba: Ja, ich nehme immer etwas Positives mit. Wenn es ein gelungener und erfüllter Nachmittag war – unabhängig davon, ob ich traurig oder fröhlich war – wenn ich Menschen helfen konnte, macht mich das glücklich.

    Gab es schon mal eine Situation, die Sie überfordert hat?

    Poremba: Nein, mich hat noch nie etwas überfordert.

    Wünschen sich die Trauernden häufigere Treffen?

    Poremba: Manchen hätten gerne einen zweiten Tag im Monat zum Treffen und auch am Wochenende. Denn die Wochenenden und Feiertage sind nämlich das Schlimmste für jemanden, der trauert. Alle Familien sind für sich und die Geschäfte haben zu. Und der Mensch ist alleine mit sich, da braucht es mehr Angebote.

    Im nächsten Leben eine Psychologin

    Ihr Mann ist vor fünf Jahren gestorben: Hat das Ehrenamt bei der eigenen Trauerbewältigung auch geholfen?

    Poremba: Ja in gewisser Weise schon, weil mein Fokus nicht mehr so eng bei mir selbst war. Ich habe mich mehr auf die Ausbildung und die Anderen konzentriert. Das war wunderbar. Meine eigene Trauer habe ich eigentlich ganz gut bewältigen können. In meinem Innersten wusste ich, wie es geht. Aber das ist bei jedem anders. Trauer ist etwas ganz individuelles und jeder trauert anders. Männer trauern anders als Frauen. Je nach Mentalität und wie jemand emotional ausgerichtet ist, dementsprechend trauert er auch. Da gibt es kein Schema F. Wenn man akzeptiert, dass der Tod etwas Unausweichliches ist, dann kommt man damit eigentlich ganz gut zurecht.

    Wären Sie in ihrem nächsten Leben gerne Psychologin?

    Poremba: Ja, würde ich tatsächlich gerne sein. Ich habe mich auch schon viel damit beschäftigt. Auf mein Inneres kann ich mich immer verlassen. So finde ich aus jeder Krise heraus.

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