Seit sieben Wochen sind sie geschlossen, die Werkstätten der Lebenshilfe in Dillingen und Wertingen. Mehr als 400 Werkstattbeschäftigte sind seither zu Hause bei ihren Angehörigen oder in ihren Wohnheimen. Sie werden als besonders von einer durch das Coronavirus verursachten Lungenerkrankung (Covid-19) gefährdet betrachtet und dürfen seither ihre Arbeitsplätze nicht mehr betreten.
Wie Lebenshilfe-Geschäftsführer Dominik Kratzer schildert, sind die Folgen des Verlustes der Tagesstruktur für die Werkstattbeschäftigten selbst, die Familien zu Hause oder die Mitarbeiter in den Wohneinrichtungen gravierend und belasten alle mit der Situation Konfrontierten bis an die Grenze ihrer psychischen und physischen Belastbarkeit, teilweise sogar darüber hinaus. Unterstützung und Hilfe erfolgt punktuell durch Personal der Lebenshilfe.
Behindertenwerkstätten bekommen keine Entschädigungszahlungen
Nun kommt noch ein wirtschaftliches Problem hinzu: Anders als Unternehmen des freien Marktes erhalten Behindertenwerkstätten keine Entschädigungszahlungen nach dem Infektionsschutzgesetz – obwohl die Beschäftigungsverbote in den Werkstätten auf der Basis des Infektionsschutzgesetzes ausgesprochen wurden. Werkstattbeschäftigte stehen nur in einem „arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis“. Dennoch haben sie damit alle Rechte, die Arbeitnehmer in Betrieben des ersten Arbeitsmarktes haben.
Kratzer beklagt in einer Pressemitteilung, dass Werkstätten und Werkstattbeschäftigte durch mehrere Länderbehörden explizit von bestehenden Möglichkeiten der wirtschaftlichen Absicherung ausgeschlossen sind. „Die Lebenshilfe beschäftigt in ihren Werkstätten allein 430 Menschen mit Behinderung. Auf ganz Bayern hin betrachtet sind es 30.000, bundesweit sogar über 300.000.“
Die Lebenshilfe Dillingen steht auf soliden wirtschaftlichen Beinen
Die Lebenshilfe Dillingen steht laut Kratzer mit ihren Werkstätten auf soliden wirtschaftlichen Beinen. Sie zahlt den Lohn ihrer Werkstattbeschäftigten unverändert weiter. Rund 90.000 Euro überweist die Nordschwäbische Werkstätten GmbH der Lebenshilfe Dillingen monatlich an ihre Beschäftigten. Doch diesem Posten steht auf der Einnahmenseite annähernd eine Null gegenüber. Für Zeiten vorübergehender Ertragsschwankungen sind Rücklagen vorgesehen. „Aktuell zehren wir diese limitierten Rücklagen auf. Große Rücklagen dürfen wir als gemeinnützige Unternehmung nicht bilden.“ Doch Kurzarbeit kann die Lebenshilfe nicht beantragen.
Nicht nur vor dem Ungleichbehandlungsverbot der UN-Behindertenrechtskonvention betrachtet, sei das skandalös und verlange nach schneller Korrektur. Denn, so Kratzer: „Behindertenwerkstätten sind wichtiger Bestandteil von Wertschöpfungsketten. Als Zulieferer großer Unternehmen oder als Erbringer „systemrelevanter“ Dienstleistungen sind wir unverzichtbar.“ Es gebe kaum ein Produkt, in dem nicht in irgendeiner Form die Arbeitsleistung von Behindertenwerkstätten steckt. Aktuell bereiten sich die Lebenshilfewerkstätten auf eine schrittweise Lockerung des Betretungsverbots für ihre Beschäftigten und damit auch auf eine Wiederaufnahme der Arbeit und Betreuung vor. Ungeachtet noch ausstehender behördlicher Vorgaben rechnen die Dillinger damit, dass sie mit einem Teil der Beschäftigten Mitte des Monats wieder beginnen können. Hauptproblem dabei werde die Umsetzung der Abstands- und Hygieneregelungen sein, die durch das Bundesarbeitsministerium vorgegeben sind. „Ob und wann wir wieder zum gewohnten Betrieb zurückkommen werden, ist derzeit leider noch völlig ungewiss.“ (pm)
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