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Dillingen: Ein altes Dillinger Handwerkerviertel entdeckt

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Ein altes Dillinger Handwerkerviertel entdeckt

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    Auf diesem Gelände in der Dillinger Kapuzinerstraße werden zwei große Wohn- und Geschäftshäuser gebaut. Zuvor müssen allerdings die archäologischen Untersuchungen abgeschlossen sein.
    Auf diesem Gelände in der Dillinger Kapuzinerstraße werden zwei große Wohn- und Geschäftshäuser gebaut. Zuvor müssen allerdings die archäologischen Untersuchungen abgeschlossen sein. Foto: Berthold Veh

    Unter den Dillinger Großbaustellen genießt das Projekt in der Kapuzinerstraße vermutlich die größte Aufmerksamkeit. Denn an der gewaltigen Grube in der Einkaufsmeile kommen die meisten Besucher vorbei. Viele Passanten wundern sich, warum bei den beiden geplanten Wohn- und Geschäftshäusern gegenwärtig wenig vorangeht. Anstelle von Bauarbeitern, die den Müller-Markt in die Höhe ziehen sollen, sind Archäologen vor Ort, die in mühevoller Kleinarbeit den Boden nach den Hinterlassenschaften früherer Dillinger untersuchen. Dr. Andreas Heimerl und sein Team graben im Auftrag des Investors und unter Aufsicht des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege das Gelände um. Und was das siebenköpfige Team bisher entdeckt hat, lässt das Herz des Grabungsleiters höherschlagen. „Es sind schöne Dinge“, sagt Heimerl und zeigt auf eine Plastikbox. In ihr liegen Tonscherben von Töpfen, Ofenkacheln, auch Knochen von Essensresten. Auf einen fragenden Blick hin schränkt der Augsburger ein: „Es gibt hier kein Königsgrab.“ Der Archäologe sagt das im Wissen, dass sich viele Menschen nur für sensationelle Funde interessieren. Für Kenner seien aber auch die Entdeckungen auf dem Areal der neuen Wohn- und Geschäftshäuser bedeutend.

    Archäologen machen mitunter negative Erfahrungen

    Andreas Heimerl und seine Frau Britta, die ebenfalls Archäologin ist, machen bei ihrer Arbeit mitunter unschöne Erfahrungen. „Wir werden oft als Bauverzögerer und Leute, die sinnlos Geld vernichten, beschimpft“, sagt Britta Heimerl. Ihr Mann entgegnet auf solche Anwürfe mit der Frage, ob eine Gesellschaft ihre Kulturgeschichte „wirklich auf den Müll schmeißen will“. Dann könne man Baugruben einfach ausheben und das Material ohne Untersuchung entsorgen.

    Dem 56-Jährigen ist anzumerken, dass er für die Archäologie brennt. „Auch in Dillingen ergeben sich wichtige Erkenntnisse zur Stadtgeschichte“, sagt Heimerl. So haben die Ausgräber auf dem Gelände neben den Scherben Pflanzgruben, geziegelte Wasserzisternen und Fundamente aus Kalkstein gefunden. „Das sind die Überreste einer Gartenanlage aus dem 18. und 19. Jahrhundert“, informiert der Chef der Grabungsfirma. Bedeutender sei aber die Entdeckung einer spätmittelalterlichen Siedlung aus dem 14. und 15. Jahrhundert, die damals schon außerhalb der Stadtmauer lag. „Die Reste von Öfen, die wir gefunden haben, sind sehr interessant“, sagt Heimerl und zeigt auf den rot verfärbten Lehm. Außerhalb der Häuser in der Stadt hätten hier Handwerker mit Feuer hantiert. Innerhalb der Bebauung wäre dies zu gefährlich gewesen. Heimerl weiß, dass er in aller Regel „keine Funde aus Gold und Silber“ vorlegen kann. Es sei für ihn aber ebenso spannend, wenn er beispielsweise, wie in der Vergangenheit an einem anderen Ort geschehen, die vier Phasen einer Stadtentwicklung dokumentieren könne. Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege teilt auf Anfrage mit, dass es noch keinen vollständigen Bericht über die Bedeutung der Funde geben kann. Dazu muss erst die Dokumentation der Augsburger Archäologen vorliegen. Dorothea Gehringer, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, spricht aber von „schönen, ausführlichen und spannenden Funden unter anderem aus dem Mittelalter, die die Lebenssituation der Dillinger Handwerker von damals aufzeigen“.

    Im Frühjahr 2021 sollen die Geschäfte eröffnen

    Elmar Nothhelfer ist Prokurist der Stadthaus Dillingen GmbH, die das Wohn- und Geschäftshaus errichtet, in das auch der neue Müller-Markt und der Händler MyShoes einziehen wird. Das Wohn- und Geschäftshaus nebenan baut die VR-Bank Donau-Mindel. Nothhelfer bedauert die Verzögerung, sieht aber die Notwendigkeit der archäologischen Untersuchungen ein. „Das muss dokumentiert werden“, sagt Nothhelfer. Die Archäologiefirma blockiere nichts, sie mache ernsthaft ihre Arbeit. Ziel ist es laut Nothhelfer, dass das Wohn- und Geschäftshaus der Stadthaus Dillingen GmbH Ende 2020 fertig sein soll. Mit der Eröffnung der Geschäfte ist im Frühjahr 2021 zu rechnen.

    Die Arbeiten dauern voraussichtlich noch mindestens vier Wochen

    Andreas Heimerl rechnet damit, dass die archäologischen Ausgrabungen „noch mindestens vier Wochen“ dauern werden. Am Ende präsentiert der Augsburger doch noch ein wenig Silber – einen Kreuzer aus dem Jahr 1828, der in der Zeit von König Wilhelm von Württemberg geprägt wurde. Ein Dillinger dürfte die Münze verloren haben. Und Britta Heimerl zeigt ein schönes Parfümfläschchen – vermutlich ebenfalls aus dem 18. oder 19. Jahrhundert. Ob die beiden Teile einmal in einer Ausstellung im Dillinger Stadt- und Hochstiftmuseum zu sehen sein werden, sei allerdings fraglich.

    Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Nicht klagen über Archäologen

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