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Dillingen: Bundesminister Müller: „Ich habe gezögert, den Ulrichspreis anzunehmen“

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Bundesminister Müller: „Ich habe gezögert, den Ulrichspreis anzunehmen“

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    Bundesentwicklungsminister Gerd Müller wird mit dem Europäischen St.-Ulrichspreis ausgezeichnet. Wegen der Corona-Krise wurde die Preisverleihung, die an diesem Samstag geplant war, verschoben. Das Foto zeigt den CSU-Politiker im Jahr 2017, als er Papst Franziskus in Rom im Rahmen einer Generalaudienz den von seinem Ministerium entwickelten Marshallplan mit Afrika überreichte.
    Bundesentwicklungsminister Gerd Müller wird mit dem Europäischen St.-Ulrichspreis ausgezeichnet. Wegen der Corona-Krise wurde die Preisverleihung, die an diesem Samstag geplant war, verschoben. Das Foto zeigt den CSU-Politiker im Jahr 2017, als er Papst Franziskus in Rom im Rahmen einer Generalaudienz den von seinem Ministerium entwickelten Marshallplan mit Afrika überreichte. Foto: L’ Osservatore Romano

    Er steht in einer Reihe mit Politikern wie Helmut Kohl, Roman Herzog und Lech Walesa: Bundesentwicklungsminister Gerd Müller erhält den Europäischen St.-Ulrichspreis. Der Festakt mit dem CSU-Politiker hätte am heutigen Samstag in Dillingen stattfinden sollen (Gerd Müller erhält den Ulrichspreis). Doch dann kam Corona. Die Ulrichsstiftung zog die Notbremse und verschob die Feier. Eine fröhliche Preisverleihung mit Menschenansammlungen, so hieß es, sei in Zeiten der Pandemie nicht möglich – vorerst. Nach drei Abstimmungen im Bundestag und mehreren Terminen in seinem Ministerium in Berlin war Gerd Müller am Donnerstagabend auf der Heimfahrt ins Allgäu am Handy zu erreichen. Wir sprachen mit dem Ulrichspreisträger, was er denn an seinem freien Samstag nun vorhat.

    Haben Sie denn nach der Verschiebung der Preisverleihung am Samstag wenigstens einen freien Tag?

    Müller: Nein, es gibt wegen der Corona-Krise in meinem Wahlkreis im Allgäu viel Gesprächsbedarf mit der heimischen Wirtschaft. Aber ich kann auch zu Hause bei meiner Frau sein, das ist auch mal schön. Dennoch wäre ich am Samstag sehr gerne nach Dillingen gekommen, denn der Ulrichspreis ist für mich etwas ganz Besonderes. Ich kann mich noch gut an die erste Preisverleihung im Jahr 1993 an Bischof Alfons Nossol erinnern.

    "Ich erinnere mich noch an den Backenstreich"

    Sie bewerten den Ulrichspreis demnach gar nicht als kleine Auszeichnung in der Provinz?

    Müller: Im Gegenteil, ich habe großen Respekt vor diesem Preis. Und ich habe anfangs auch gezögert, ihn anzunehmen, weil ich mir nicht sicher bin, ob ich ihn verdient habe. Deshalb nehme ich die Auszeichnung stellvertretend für die Gemeinschaft derjenigen entgegen, die sich in christlichem Geist – und damit auch im Geist des heiligen Ulrich – für andere Menschen einsetzen.

    Kennen Sie denn den heiligen Ulrich?

    Müller: Ja klar. Ich bin als Bauernbub in Unterbleichen bei Krumbach aufgewachsen. Der heilige Ulrich ist doch unser Bistumspatron. Und er war, was wenige wissen, Abt in Kempten, meiner jetzigen Heimat. Ich bin in dieser katholischen Diözese Augsburg aufgewachsen. Bischof Josef Stimpfle, der ebenfalls ein großer Verfechter des europäischen Gedankens war, hat mich gefirmt, ich erinnere mich noch an den Backenstreich. Ich kenne auch Bischof Bertram Meier (Wofür steht der neue Bischof Bertram Meier?). Dass Bischof Ulrich eine große Persönlichkeit ist, war mir bewusst. Dieser Heilige steht für diese christlich-europäische Tradition.

    "Vertreter der Kirchen leisten Gutes in den Entwicklungsländern"

    Warum eigentlich?

    Müller: Das werde ich bei der Verleihung genauer erörtern.

    Wann wird das sein?

    Müller: Ich denke, dass ein neuer Termin im November geplant ist.

    Ein neues Buch gibt es auch

    Wo sehen Sie Ihre Verdienste für die Einheit Europas in christlich-abendländischer Tradition?

    Müller: Eine Leitlinie meines Handelns und auch des christlichen Weltverständnisses ist es, dass der Starke dem Schwachen hilft. Und als Entwicklungsminister verstehe ich meinen Auftrag darin, dass das starke Deutschland den Entwicklungsländern die Hand reicht. Dort arbeiten wir mit tausenden Idealisten der evangelischen Kirche und der katholischen Kirche zusammen, die auch im Geist des heiligen Ulrich unterwegs sind. Es ist viel zu wenig im öffentlichen Bewusstsein, was diese Vertreter der Kirchen Gutes in den Entwicklungsländern leisten. Auch in der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ (Dillingen feiert „Ärzte ohne Grenzen“)und der Gemeinschaft St. Egidio, die beide schon den Ulrichspreis erhalten haben, sind großartige Persönlichkeiten am Werk. Von diesem Ulrichspreis geht ein starkes Zeichen für die Einheit Europas und ein friedvolles Miteinander in dieser Welt aus. Und am Samstag hätte ich ebenfalls ein kleines Zeichen setzen und mein neues Buch mit dem Titel „Umdenken“ in Dillingen vorstellen wollen.

    Was steht da drin?

    Müller: Das werden Sie in diesen Tagen im Mantelteil Ihrer Zeitung lesen.

    Sie befürchten in Afrika wegen Corona eine humanitäre Katastrophe?

    Müller: Das Virus ist weltweit unterwegs, und in Afrika gibt es keine intensivmedizinische Versorgung – in Äthiopien zum Beispiel sind gerade 150 Intensivbetten für 110 Millionen Menschen vorhanden. Was die Hygiene betrifft: In Flüchtlingslagern ist nicht mal ausreichend Wasser zum Trinken da, geschweige denn zum Händewaschen. Wenn das Coronavirus in Afrika grassieren sollte, wird es hunderttausende Tote geben. Meine Hoffnung ist es, dass die Situation wegen des warmen Klimas und der vergleichsweise jungen Bevölkerung nicht dramatisch wird. Wir haben aber bereits jetzt in Afrika eine Wirtschafts- und Finanzkrise, die sich zu einer Hungerkrise aufbaut. In Afrika gibt es kein festes Einkommen und kein Kurzarbeiter-Geld. Millionen Menschen, , die sonst von der Hand in den Mund leben, stehen jetzt vor dem Nichts.

    Inzwischen gibt es in vielen Städten in Deutschland wegen der Einschränkung der freiheitlichen Grundrechte Corona-Demos. War der Lockdown der vergangenen Wochen richtig?

    Müller: Wenn Sie nach Italien, Spanien und Großbritannien schauen, dann ist die Antwort ein klares „Ja“. Aber es ist auch klar, dass wir jetzt schauen müssen, dass die Wirtschaft wieder in Schwung kommt.

    Von Nächstenliebe im Kleinen und Großen

    Wenn es um christliches Handeln geht, was ist dann zu tun?

    Müller: Hauptaufgabe sind die Solidarität und die Nächstenliebe. Und das beginnt zu Hause, in der Familie, in der Nachbarschaft. Wenn es beispielsweise darum geht, Familien zu helfen, die jetzt Kinder zu betreuen haben – und nicht wissen, wie sie das lösen sollen. Die Solidarität fängt in der Nachbarschaft an und reicht bis zur internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Der Starke muss dem Schwachen helfen.

    Dann haben Sie ja bei der Ulrichspreisverleihung einiges zu sagen.

    Müller: Ja, ich freue mich sehr auf diesen Termin in Dillingen. Deutschland wird in dieser Zeit die EU-Ratspräsidentschaft innehaben. Und ich habe mir vorgenommen, diesen Festakt zu nutzen und einige grundsätzliche europapolitische Fragen aufzuwerfen.

    Interview: Berthold Veh

    Zur Person: Bundesentwicklungsminister Gerd Müller gilt als Grüner unter den Schwarzen. Der CSU-Politiker wurde am 25. August 1955 geboren. Er stammt aus Unterbleichen bei Krumbach. Von 1989 bis 1994 gehörte Müller dem Europäischen Parlament an. 1994 wurde der Kemptener (Wahlkreis Oberallgäu) erstmals in den Deutschen Bundestag gewählt. 2005 machte ihn Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium. Seit 2013 ist der heute 64-Jährige Bundesentwicklungsminister und hat sich dabei über die Parteigrenzen hinaus Ansehen erworben.

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