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Dillingen/Augsburg: Toter Dreijähriger aus Dillingen: "Sie haben das Kind umgebracht"

Dillingen/Augsburg

Toter Dreijähriger aus Dillingen: "Sie haben das Kind umgebracht"

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    Zwei Notärzte und mehrere Sanitäter hatten sich in Dillingen bemüht, das Leben des bewusstlosen Dreijährigen zu retten. Der Bub starb später in der Kinderklinik in Augsburg. Jetzt verurteilte das Augsburger Landgericht den 24-Jährigen, der das Kind beaufsichtigt hatte und mit zwei Faustschlägen tödlich verletzt haben soll, zu einer Freiheitsstrafe.
    Zwei Notärzte und mehrere Sanitäter hatten sich in Dillingen bemüht, das Leben des bewusstlosen Dreijährigen zu retten. Der Bub starb später in der Kinderklinik in Augsburg. Jetzt verurteilte das Augsburger Landgericht den 24-Jährigen, der das Kind beaufsichtigt hatte und mit zwei Faustschlägen tödlich verletzt haben soll, zu einer Freiheitsstrafe. Foto: Alexander Kaya (Symbol)

    Zu einer Freiheitsstrafe wegen Körperverletzung mit Todesfolge hat das Augsburger Landgericht einen 24-jährigen Mann verurteilt. Die Richter sind überzeugt, dass der Angeklagte im Oktober 2019 in der gemeinsamen Wohnung in Dillingen den dreijährigen Sohn seiner Lebensgefährtin durch „stumpfe Gewalt“ (Schläge gegen den Bauch) so schwer verletzt hat, dass das Kind wenige Stunden später trotz Notoperation im Krankenhaus starb.

    Der Angeklagte lässt keine Gefühlsregung unter der Maske erkennen

    Selbst angesichts dieses Richterspruchs ließ der Angeklagte keine Gefühlsregung unter seiner Mund-Nase-Maske erkennen – was der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung als „Gefühlsrohheit“ auslegte. „Sie haben das Kind umgebracht, wenn nicht gar ermordet“, leitete Richter Roland Christiani die Urteilsbegründung am zwölften Verhandlungstag seit Mitte Januar ein. Lange Zeit habe der Angeklagte keine Gefühlsregung, keine Emotionen gezeigt, sich nicht zur Sache geäußert. Um dann „aus heiterem Himmel das Märchen vom Kniefall“ zu präsentieren. Wie berichtet, hatte der Angeklagte am Ende der Beweisaufnahme mit Dutzenden Zeugen erklärt, er habe sich beim Vorbeilaufen zwischen einem Sofa und einem Regal mit den Füßen in einer am Boden liegenden Decke verfangen, sei gestolpert und mit dem Knie voraus auf das vor ihm am Boden liegende Kind gestürzt. Was ihm das Gericht ebenso wenig glaubte, wie schon zuvor Staatsanwalt Michael Nißl, der auf eine Freiheitsstrafe von elf Jahren plädiert hatte.

    Richter Christiani führte den Vergleich mit dem bekannten Silvester-Sketch „Dinner for one“ an, bei dem jemand wiederholt über einen am Boden liegenden Teppich schreitet, um im Verlaufe der Zeit immer heftiger darüber zu stolpern – aber nicht zu fallen. Christiani erklärte dem Angeklagten, dass es sich bei einer Hauptverhandlung vor Gericht nicht um ein Rollenspiel handle, bei dem jeder seinen Part zu spielen habe. Das Gericht habe den Eindruck gewonnen, dass der 24-Jährige das Verfahren nicht sonderlich ernst genommen habe. Seine Aufgabe als Angeklagter wäre es gewesen, seinen Rechtsanwälten eine Verteidigungsstrategie vorzugeben, anstatt sich zu deren Spielball machen zu lassen. Christiani fragte den 24-Jährigen, ob er für immer damit leben wollen würde, den Dreijährigen „bestialisch umgebracht zu haben“ und dann vom Gericht wegen der Lüge vom Kniefall freigesprochen worden zu sein. Aufgrund nicht erkennbarer Gefühlskälte selbst noch bei der Urteilsverkündung sei das Bild vom Angeklagten, das das Gericht habe, ein anderes, als es viele Zeugen von ihm gezeichnet hätten.

    Aussagen im Streifenwagen waren für das Gericht ein Quasi-Geständnis

    Entgegen verschiedener Erklärungen des Angeklagten und der Verteidigung zu möglichen Ursachen für die tödlichen Bauchverletzungen des Buben erachtete das Gericht die Aussage des 24-Jährigen bei seiner Verhaftung im Streifenwagen als Quasi-Geständnis. Damals, im Mai 2020, hatte der Angeklagte gegenüber zwei Kriminalpolizisten unter Tränen gesagt, ihm sei an jenem Abend im Oktober der Geduldsfaden gegenüber dem anhaltend schreienden Kind gerissen und er habe zweimal mit der Faust zugeschlagen. Weniger der eigenen Verteidigung als dem vom Gericht gelobten Staatsanwalt sei es zu verdanken gewesen, dass der Angeklagte nicht wegen Mordes, auch nicht wegen Totschlags, sondern „nur“ wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt worden sei. Deswegen, weil dem Angeklagten zu seinen Gunsten keine Tötungsabsicht gegenüber dem von ihm geliebten Kind nachzuweisen sei. Die drei Verteidiger des 24-Jährigen hatten zuvor auf Freispruch plädiert, weil die todbringende Verletzung durch ein Unfallgeschehen zustande gekommen sei.

    Zwei Notärzte und mehrere Sanitäter mühten sich vor Ort, um das Leben des Kindes zu retten

    Der 24-jährige Berufssoldat hatte an jenem Oktobertag die beiden kleinen Kinder seiner ehemaligen Lebensgefährtin in der gemeinsamen Wohnung in Dillingen beaufsichtigt, während die Mutter fortgefahren war, um ein Pferd zu kaufen. Abends gegen 18.25 Uhr hatte die Mutter einen Anruf ihres Partners erhalten, dass der Dreijährige nicht mehr atme. Sie hatte den Notarzt alarmiert und war selbst in die Wohnung zurückgeeilt. Vor Ort mühten sich zunächst zwei Notärzte und mehrere Sanitäter eine Stunde lang um das Leben des bewusstlosen Kindes.

    Anschließend wurde der Bub in die Kinderklinik nach Augsburg gefahren, wo er trotz einer mehrstündigen Notoperation wenig später starb. Unter Tatverdacht geriet der Angeklagte, als das Obduktionsergebnis der Rechtsmedizin bekanntgeworden war, wonach der Bub an schwersten inneren Verletzungen gestorben war, die die Rechtsmediziner in „stumpfer Gewaltanwendung“ vermuteten, möglicherweise durch Faustschläge oder Tritte. Diesem Gutachten schenkte das Gericht am Ende Glauben.

    Das Augsburger Landgericht verurteilte den 24-Jährigen zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und neun Monaten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Verteidiger Felix Dimpfl, Johannes Römer und Donatella Angino sagten, sie würden das Urteil dem Bundesgerichtshof zur Prüfung vorlegen.

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