Mitten im oberen Kesseltal liegt der Ort Diemantstein. Wer ihn auf der Staatsstraße passiert, erkennt ohne geschulten Blick, dass sich auf dem steilen Jurafelsen über der Kessel einst eine mächtige Burg befunden haben muss. Heute markieren die mächtigen Grundmauern, die erhaltenen Wirtschaftsgebäude der Vorburg und die Pfarrkirche sowie der Pfarrhof an exponierter Stelle über dem Tal das frühere Burgareal. Begründet wurde die vermutlich um 1140 errichtete Burg durch das Adelsgeschlecht der Edelfreien vom Stain. Sie waren zu den Herren von Fronhofen und Hohenburg verwandt. Der Name der Burg leitete sich von dem Rufnamen Thiemo her, der in dieser Adelsfamilie mehrfach vorkam. Nachgewiesen sind die Edelfreien von Diemantstein bis um das Jahr 1280. Mit dem Tode des „Cunrad von deme Steine“ starb das Geschlecht allem Anschein nach aus und wurde wohl von einer Ministerialenfamilie abgelöst.
Hier gilt Hainricus de Lapide als Stammvater, der ziemlich sicher als Dienstmann in Diemantstein eingeheiratet hat und der zahlreiche Nachkommen hatte. Dies wiederum führte zu einer ganzen Reihe von Nebenlinien der Familie, unter anderem in Tuifstädt, Burgmagerbein und Zoltingen.
Aus der Hauptlinie der Herren vom Stein entstammten insbesondere im 15. Jahrhundert viele bedeutende Persönlichkeiten, unter anderem der Dillinger Vogt Heinrich vom Diemantstein, der Ellwanger Dekan Georg vom Diemantstein, der Neresheimer Abt Heinrich vom Diemantstein sowie eine ganze Reihe von Pflegern und Vögten im Ries, im angrenzenden Württemberg und im südlichen Allgäu. Währenddessen war die Diemantsteiner Hauptlinie ebenso wie die Trochtelfinger Nebenlinie im Besitz umfangreicher Lehengüter der Grafen von Oettingen am Südrand des Rieses.
Im 16. Jahrhundert zählten die beiden Brüder Christoph Leonhard und Sebastian vom Stein zu Diemantstein zu den Mitgliedern der Reichsritterschaft und bekleideten nacheinander das Amt des pfalz-neuburgischen Landvogts zu Höchstädt. An einen der vielen ehemaligen Burgherren in Diemantstein erinnert heute noch ein zwei Meter hohes Kalksteinepitaph in der Pfarrkirche St. Ottilia, die sich heute an der Stelle der ehemaligen Burgkapelle hoch über dem Dorf und dem Tal der Kessel erhebt. Es ist das Grabmal Johann Stephans von Diemantstein. Er ist in voller Rüstung dargestellt und seitlich eingerahmt von insgesamt 16 Wappen verwandter Adelsfamilien.
Er machte als Soldat Karriere
Zu seinen Lebzeiten, in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, geprägt von den unseligen Zeiten des Dreißigjährigen Krieges, war die vom Vater ererbte Herrschaft für Johann Stephan und seine drei Brüder zu klein, als dass alle ihr Auskommen hätten fristen können. Sie umfasste damals nur noch die Burg, den Vorhof, 21 Höfe im Dorf, drei Höfe zu Oberringingen, fünf Höfe in Oberliezheim sowie je einen in Hochdorf, Zoltingen und Schmähingen. So suchte Johann Stephan von Diemantstein sein Glück in der Fremde und machte als Soldat Karriere. Als treuer Diener zweier kaiserlicher Oberbefehlshaber befehligte er schließlich deren Leibgarden, die aus Dragonern bestanden.
Die Dragoner waren Reitersoldaten und galten als die Elite der kaiserlichen Truppen. Johann Stephans erster Kommandeur war der kaiserliche Feldmarschall Holzapfel, der der Nachwelt bis heute aus Schillers literarischem Meisterwerk „Wallenstein“ ein Begriff ist. Holzapfels Schicksal war insofern tragisch, als er in der allerletzten Schlacht des Dreißigjährigen Krieges, unmittelbar vor Friedensschluss, am 17. Mai 1648 bei Zusmarshausen einen Pistolenschuss in den Rücken erhielt, an dem er noch am gleichen Tage in Augsburg verstarb. Nach Holzapfels Tod kommandierte Johann Stephan von Diemantstein die Leibgarde dessen Nachfolgers, des vom Kaiser aus spanischen Diensten zurückberufenen Generals Ottavio Piccolomini. Aus einer römischen Familie stammend, aus der auch Papst Pius II. hervorging, war Piccolomini im Kriegsjahr 1634 maßgeblich an der Ermordung Wallensteins beteiligt und kämpfte im gleichen Jahr auch in der Schlacht von Nördlingen mit. Im letzten Kriegs- und ersten Friedensjahr 1648 stand er an der Spitze des kaiserlichen Heeres, stets umgeben von den Leibgardedragonern, die von Johann Stephan von Diemantstein befehligt wurden. Dieser kehrte allerdings vier Jahre später, 1652, aus den kaiserlichen Diensten nach Diemantstein zurück. Der Grund dafür war, dass er nach dem Tode des Vaters die Herrschaft über den heimatlichen Besitz übernehmen musste.
Wie Heinrich Zirkel 1967 in der Zeitschrift „Der Daniel“ schrieb, kann es bedauert werden, dass Johann Stephan von Diemantstein keine schriftlich fixierten Lebenserinnerungen hinterlassen hat. Als kaiserlicher Generaladjutant, der die Elitetruppe zweier kaiserlicher Oberkommandierender in jenen bewegten Zeiten kommandierte, hätte er vieles für die Nachwelt Interessante zu berichten gewusst. So jedoch ist die einzige schriftliche Hinterlassenschaft in Diemantstein die Inschrift an der Unterseite des Grabepitaphs an der inneren Rückwand der Kirche: „Hier liegt begraben der weiland frei Reichs hoch edel geborene Johann Stephan von und zu Diemantstein, der römisch-kaiserlichen Majestät gewesenen Generaladjutant und beider Generäle Holzapfel und Piccolomini Hauptmann über deren Leibgarde-Dragoner, den 30. Oktober Anno 1669 in Gott selig verschieden“.
1711 eine eigene Pfarrei in Diemantstein
In den Jahren nach Johann Stephans Tod verschärften sich die Auseinandersetzungen der Herrschaft Diemantstein mit der Grafschaft Oettingen. Ein Hauptgrund waren die konfessionellen Gegensätze. Es gab mehrfache Wechsel zwischen dem katholischen und dem evangelischen Bekenntnis. 1679 wurde die seit 1661 vollständig von oettingischem Gebiet umgebene Herrschaft Diemantstein vom kaiserlichen Reichshofrat in Wien als Reichsritterschaft bestätigt, die Ausübung der katholischen Religion bestätigt und die Herrschaft unter den ausdrücklichen Schutz der Herzöge von Pfalz-Neuburg gestellt. 1711 wurde Diemantstein zu einer eigenen Pfarrei ernannt, deren Patronat den Stein zu Diemantstein zustand. Nachdem der sogar in den Grafenstand erhobene kaiserliche General und Direktor der Reichsritterschaft am Kocher, Adam von Diemantstein, 1730 kinderlos verstarb, erlosch die Herrschaft Diemantstein. Sie wurde von den Schwestern Adams nach blutigen Erbauseinandersetzungen an das Reichsstift Sankt Ulrich und Afra in Augsburg veräußert und von dort 1777 an den Fürsten Kraft Ernst von Oettingen-Wallerstein verkauft.
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