Die Plakataktion hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Naturschützer aus dem Landkreis Dillingen haben sich bei Diemantstein getroffen und gegen die geplante Umgehungsstraße protestiert. Dafür haben sie eine 350 Quadratmeter große Folie ausgelegt, die den möglichen Flächenfraß für eine Umgehung an dieser Stelle im Kesseltal darstellen soll. Stefan Rieder hat von der Aktion in der Heimatzeitung gelesen – und die Argumente, die von den Naturschützern gegen eine Umgehungsstraße aufgezählt wurden, sind für ihn „an den Haaren herbeigezogen“.
Für Rieder, seine Familie und viele Anwohner in Diemantstein seien sie ein Schlag ins Gesicht gewesen. „Ich möchte, dass die Öffentlichkeit weiß, wie wir gebeutelt sind. Immer haben wir gehofft, dass etwas passiert. Es ist jedes Mal im Sand verlaufen. Diese Angst haben wir jetzt wieder“, sagt Rieder. Und das nach so vielen Jahren. Laut Stefan Rieder wurde schon vor 40 Jahren angekündigt, dass der kleine Ort im Kesseltal eine Umgehungsstraße bekommen soll. Die gibt es bis heute nicht. Dabei brauche man die dort so dringend. Rieder hat dazu seine ganz eigene, traurige Geschichte.
Traurige Erinnerungen an einen Rosenmontag in Diemantstein
Rosenmontag, 1975. Dieses Datum hat sich für Stefan Rieder, der gemeinsam mit seinen Geschwistern und Eltern in Diemantstein aufgewachsen ist, eingebrannt. Sein Bruder ist an diesem Tag tödlich verunglückt. Mit drei Jahren. Der kleine Bub sah in der Bushaltestelle gegenüber Kinder und wollte zu ihnen rüberrennen. Dabei wurde er von einem Lastwagen erfasst. Peter stirbt noch an der Unfallstelle. Bruder Stefan, der damals zehn Jahre alt war, und die Eltern, bekommen alles mit. „Das trägt man sein Leben lang mit sich und es ist nicht der einzige tödliche Unfall, der passiert ist“, sagt Rieder.
Die Kreuzung bei Thalheim etwas oberhalb von Diemanststein sei besonders gefährlich. Mit einer Umgehungsstraße würde diese Stelle laut Rieder ebenfalls entschärft werden.
Der Diemantsteiner wandte sich an Politiker, Behörden und Verbände
Der gebürtige Diemantsteiner, der mittlerweile in Dillingen lebt, schildert, dass sich die Verkehrssituation in den vergangenen Jahren immer mehr verschärft habe. Vor allem die Lastwagen nehmen zu. „Wer bei meinen Eltern im Haus einen Kaffee trinken und sich unterhalten will, der muss jede Minute für mindestens zehn Sekunden aufhören zu reden. Man versteht das eigene Wort nicht mehr. Vor der starken Steigung von neun Prozent am Ortsende müssen die Lastwagenfahrer noch zweimal runterschalten, um über den Berg zu kommen.
Jedes der über 2600 Fahrzeuge, die täglich durch den Ort fahren, spricht für sich“, argumentiert Rieder. Das hat er so auch in einem Brief geschrieben, den er Anfang des Jahres an Bissingens Bürgermeister Stephan Herreiner, Landtagsabgeordneten Georg Winter, Bundestagsabgeordneten Ulrich Lange, an zuständige Planer im Bundesverkehrsministerium sowie Naturschützer und den Bauernverband geschickt hat – und er hat Antworten erhalten. Unter anderem von Bürgermeister Herreiner. „Er findet es schade, dass die Befürworter einer Umgehungsstraße so leise sind. Wenn man was hört, dann nur die Gegner. Das ist so. Viele haben resigniert, aber jetzt muss man was unternehmen“, so Rieder.
Manche brettern mit Tempo 70 durch Diemantstein
Die Plakataktion habe den allerletzten Anstoß für den Schritt in die Öffentlichkeit ausgelöst, vor allem die Argumente, die laut Rieder dabei genannt wurden. „Wenn jemand behauptet, dass die Abgasbelastung im Ort steigt, wenn man eine Umgehungsstraße baut, da muss ich sagen: Diese Person kann nicht bis Drei zählen. Jetzt fährt der Verkehr direkt durch den Ort. Drei Meter an den Fenster vorbei. Wenn eine Umgehungsstraße kommt, dann fahren doch alle weiter draußen. Wie können dann die Abgase steigen?“, so Rieder. Das Gleiche gelte im Bezug auf Lärm. Der werde doch ein paar Meter weiter nicht höher. Rieder sagt deutlich, dass von dieser Ortsstraße eine große Gefahr ausgehe. Teils mit 70 Stundenkilometern würden die Autos durch Diemantstein brettern, direkt an der Gartentür vorbei. „Die Anwohner brauchen dringend eine Umgehungsstraße. Sie sind so gebeutelt.“
Karl Heider bestätigt das zu hundert Prozent. Er ist circa 50 Meter von der Ortsdurchfahrt Diemantstein geboren und aufgewachsen. Jetzt wohnt er rund 400 Meter von der Straße entfernt, wie er an einen Brief an unsere Zeitung schreibt. Und weiter: „Es befremdet mich schon gewaltig, welches Urteil sich Bürger in einer solchen Protestaktion anmaßen, die Diemantstein ohne Navi im Auto vermutlich nicht mal finden und kaum einen inneren Bezug zu diesem Ort haben.“ Dass beim Bau solcher Umgehungsstraßen Argumente für und gegen öffentlich und teils kontrovers diskutiert würden, sei in Ordnung. „Tatsache ist aber, dass der Durchgangsverkehr in den letzten Jahren massiv zugenommen hat. Vor allem der Schwerlastverkehr ist seit der Einführung der Mautpflicht auf der Strecke zwischen Dillingen, Donauwörth und Nördlingen lukrativer geworden“, so Heider. Diemantstein und auch Hohenaltheim würden „extrem leiden“.
Die Diemansteiner sollen darüber reden, egal, welche Meinung sie vertreten
Das Auslegen einer 350 Quadratmeter großen Plastikfolie sei eine „einseitige Stimmungsmache gegen eine ernste Angelegenheit“. Karl Heider stimmt deshalb Stefan Rieder zu, dass die Anwohner laut werden müssten. „Für mich als Diemantsteiner Ureinwohner ist wichtig, dass bei allem, was mit der Umgehungsstraße kommt, die unmittelbaren Straßenanlieger eine Stimme bekommen beziehungsweise haben. Egal, ob sie dafür oder dagegen sind“, so Heider, und weiter: „Das am Tisch und in den Schränken vibrierende Geschirr bei der vorbeifahrt von Lastwagen, ist nicht übertrieben.“
Heider und Rieder sind sich auch einig, dass Naturschutz wichtig sei. Aber: „Was wir bei diesem Thema nicht brauchen, ist ein geheuchelter Naturschutz, der die Schönheit des Kesseltals anpreist und im gleichen Wortlaut den seit Jahrzehnten unmittelbar an dieser Straße wohnenden Anliegern noch voller Zynismus einen erheblichen Verlust der Wohnqualität androht“, so Heider, und Rieder schreibt: „Wir sind selbst aktive Naturschützer. Aber man muss nicht nur die Natur schützen, sondern auch die Menschen.“ Mit Blick auf die Entwicklung in umliegenden Ortschaften, etwa in Unterliezheim, würde man sehen, was möglich sei. Auch dort gab es Widerstände gegen eine Umgehung. Aber auch dort seien früher 40-Tonner durch den Ort gebrettert. „Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen. Das ist ein Lebensgefühl dort, das hat Qualität.“ Genau das wünscht er sich für seinen Heimatort Diemantstein.
Was sagt das Staatliche Bauamt zur Lage in Diemanstein?
Wilhelm Weirather, Behördenleiter am Staatlichen Bauamt Krumbach, kennt die Situation in Diemantstein und bestätigt, dass „die Planungsüberlegungen für eine Ortsumgehung schon sehr weit zurückgehen“. Bereits in den 1990er-Jahren seien erste Konzeptstudien erstellt worden. Damals sei die Maßnahme im Ausbauplan für Staatsstraßen nicht in der entsprechenden Dringlichkeit enthalten gewesen. Finanzierungsmöglichkeiten gab es nicht. Erst in den Jahren 2009 und 2011 sei die Ortsumgehung jeweils bei der Fortschreibung des Ausbauplans in die höchste Dringlichkeitsstufe eingereiht worden. „Ab diesem Zeitpunkt hat das Staatliche Bauamt den offiziellen Planungsauftrag erhalten und mit der konkreten Entwurfsplanung sogleich begonnen“, so Weirather. Ziel sei neben der Entlastung vom Durchgangsverkehr die Stärkung der Achse Höchstädt–Nördlingen und damit eine gute infrastrukturelle Anbindung des ländlichen Raumes an die Ballungszentren.
Konkret zu Diemantstein sagt Behördenleiter Weirather, dass „die planerischen Arbeiten sehr weit gediehen sind, wir aber immer noch auf Anregungen und Hinweise aus der Gemeinde beziehungsweise aus der Bevölkerung reagieren und versuchen, die Dinge planerisch zu verarbeiten.“ Derzeit finden Abstimmungen mit der Regierung von Schwaben statt. Über einen Realisierungszeitraum könne er keine Aussage treffen.
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