Startseite
Icon Pfeil nach unten
Dillingen
Icon Pfeil nach unten

Dattenhausen: Anruf in Michigan: Was erwarten Sie von Joe Biden, Herr Stark?

Dattenhausen

Anruf in Michigan: Was erwarten Sie von Joe Biden, Herr Stark?

    • |
    Martin Stark und seine Frau Erika leben seit 1969 in den USA.
    Martin Stark und seine Frau Erika leben seit 1969 in den USA. Foto: Stark

    Gleich kommt Besuch zu ihm nach Michigan. Aber zuvor nimmt Martin Stark sich noch Zeit für ein kurzes Interview mit unserer Zeitung. Fast 7000 Kilometer weit weg wohnt der 80-Jährige in den USA in Michigan. Vor einem halben Jahrhundert ist er ausgewandert und hat schon einiges erlebt.

    Aber so einen Wahlkampf? „Das hat es noch nie gegeben. Nicht in den vergangenen Jahren, seit wir hier leben, und auch nicht in den Jahren davor, seit die USA eine Demokratie haben“, sagt Stark am Telefon. Es ist Samstagabend in Dillingen, Nebel satt draußen. In Michigan scheint die Sonne bei 21 Grad. Da wird verkündet: Joe Biden ist der neue Präsident der USA. Endlich.

    Wird Donald Trump wirklich das Weiße Haus räumen?

    Stark hofft, dass Donald Trump bis zur Amtsübergabe am 20. Januar 2021 das Weiße Haus in Washington auch tatsächlich räumt. Der Präsident sei eine schwere Enttäuschung gewesen. „Er war nur Präsident für sich selbst. Und macht jetzt ein Theater, man muss sich direkt schämen. Will die Wahl nicht annehmen und stattdessen klagen, klagen und klagen, aber das wird ihm nichts bringen“, meint der 80-Jährige zuversichtlich. Die Gerichte würden sich von Trump Gott sei Dank nicht beeinflussen lassen.

    Der Demokrat Joe Biden ist der 46. Präsident der USA und löst damit den Republikaner Donald Trump ab.
    Der Demokrat Joe Biden ist der 46. Präsident der USA und löst damit den Republikaner Donald Trump ab. Foto: Stark

    Dieser habe das Land so tief gespalten, dass Stark selbst mit seinen Freunden in den vergangenen Wochen nicht mehr über Politik reden wollte. Es sei schnell aggressiv diskutiert worden, erzählt er. Doch dem Demokraten Joe Biden sei der Sieg nicht mehr zu nehmen. „So wie ich das sehe, wollen viele Amerikaner jetzt einfach Ruhe und dass die Streitereien aufhören.“

    Biden sei zwar nicht unheimlich beliebt gewesen, dennoch traut der Wahlamerikaner dem Demokraten mehr zu – schließlich sei der 77-Jährige seit 40 Jahren in der Politik und wisse, wie das Geschäft läuft. „Ich denke, Biden wird der Präsident für alle sein.“ Und auch das Verhältnis zwischen den USA und Deutschland wieder verbessern. Im besten Fall wären die vergangenen vier Jahre vergessen.

    Der Dattenhausener traut Biden viel mehr zu, auch im Kampf gegen Corona

    Im Kampf gegen die Corona-Pandemie traut Stark dem Neuen ebenfalls mehr zu. Trump habe in der Situation keine Verantwortung übernommen und die Folgen des Virus abgestritten. „Aber die Lage ist wirklich schlimm. In den USA sind inzwischen 240000 Menschen im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben, und die Zahlen steigen weiter.“ Biden werde zusammen mit Experten versuchen, die Pandemie einzudämmen. Ein Lockdown sei aber keine Strategie, vermutet Stark. Da würde die Wirtschaft zu viel Schaden nehmen.

    Der Plan der Starks damals war: Vier Jahre USA und dann zurück in den Landkreis Dillingen

    Seit dem Jahr 2000 hat Martin Stark die amerikanische Staatsbürgerschaft. Dabei wollten er und seine Frau ursprünglich nur vier Jahre bleiben, damals, 1969. Bis der älteste Sohn, gerade zwei Jahre alt, in die Schule geht. Sein Bruder Max, selbst 1952 ausgewandert, hatte Martin später in die USA gelotst. Der große Bruder war im Juli dieses Jahres im Alter von 89 Jahren in Michigan gestorben (wir berichteten). „Zur Rückkehr ist es nie gekommen“, sagt Stark.

    Die neue Heimat sei für ihn tatsächlich das Land der unbegrenzten Möglichkeiten gewesen. All seine Kinder seien richtige Amerikaner geworden. Der Älteste, inzwischen selbst Vater von drei Kindern, sei erfolgreicher Boss einer Firma in San Diego. Martin Stark ist stolz auf die Familie und dankbar für den innigen Zusammenhalt auch über den Atlantik hinweg. Wenn er so begeistert spricht, fehlen im manchmal die deutschen Worte.

    Der Deutsch-Amerikaner ist heute Aufsichtsratsvorsitzender der Firma Bekum America Cooperation, die Maschinen für die Herstellung von Plastikgefäßen baut. Derzeit seien die Auftragsbücher so voll wie nie. Das Unternehmen arbeitet für medizinische, pharmazeutische und Lebensmittelfirmen. Von den 140 Beschäftigten sei nur die Verwaltung im Homeoffice. „Wir haben ein sehr strenges Hygienekonzept hier: Jeden zweiten Tag wird die Firma desinfiziert. Bislang gab es nur einen einzigen Coronafall.“

    Kaum ein Flieger geht, doch der Dattenhausener würde gerne mal wieder heimreisen

    Konferenzen fänden entweder per Video oder Telefon statt. Andernfalls biete ein großer Saal die Möglichkeit, genügend Abstand einzuhalten. Die Maskenpflicht gehört dazu. Dank moderner Technik ist inzwischen auch die Fernwartung möglich, wenn eine Maschine des Unternehmens in einem anderen Teil der Welt nicht tut, was sie soll. „So müssen unsere Mitarbeiter nicht fliegen und sich unnötig der Gefahr einer Corona-Infektion aussetzen. Abgesehen davon geht zurzeit auch kaum ein Flugzeug“, erklärt Stark.

    Er selbst würde gerne wieder in eines steigen und abheben in Richtung Heimat. „Ich habe kein Heimweh, aber mein Bruder Hermann hat schon recht, wenn er sagt: Die Heimat ist wie eine Mutter, die Wahlheimat wie eine Stiefmutter. Ich will so bald wie möglich wieder nach Hause reisen. Hoffentlich klappt es nächstes Jahr.“

    Bis dahin wird er weiter regelmäßig mit seinem Bruder telefonieren. Denn da gibt es ein Thema, das die beiden noch etwas mehr fesselt als Trump und Corona: Fußball. „Es gibt keinen größeren FC-Bayern-Fan als mich“, sagt Stark und lacht. Tatsächlich verfolgt der Wahlamerikaner von Michigan aus unglaublich viele Spiele. „Ich kann mehr sehen als der Hermann in Dillingen.“ Nach dem Besuch am Nachmittag hat sich der 80-Jährige selbstverständlich noch das Spiel des FC Bayern gegen den BVB angeschaut.

    Aufregender sei bloß noch, was bis 20. Januar 2021, dem Tag der Amtsübergabe zwischen Trump und Biden, passiert. „Das wüsste ich schon gern. Es wird spannend.“

    Lesen Sie dazu auch:

    Sechs Dinge, die sich unter US-Präsident Joe Biden ändern werden

    Stimmen nach Biden-Sieg: "Trump, you're fired!"

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden