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Covid-19: Kreis Dillingen: Haben wir Corona jetzt etwa überstanden?

Covid-19

Kreis Dillingen: Haben wir Corona jetzt etwa überstanden?

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    Und ab in den Urlaub: Diese Fluggäste waren in München am Flughafen auf den Check-in. Ob darunter auch Menschen aus dem Landkreis Dillingen sind?
    Und ab in den Urlaub: Diese Fluggäste waren in München am Flughafen auf den Check-in. Ob darunter auch Menschen aus dem Landkreis Dillingen sind? Foto: Peter Kneffel/dpa/Symbolbild

    „Ja, die erste heiße Phase haben wir erst mal überstanden. Die Infektionsrate liegt bei null“, sagt Dr. Uta-Maria Kastner. Seit Wochen hat das Coronavirus die Leiterin des Dillinger Gesundheitsamtes beschäftigt – und das sieben Tage die Woche. Jetzt, fast drei Monate nach dem Lockdown, ist Zeit für eine erste Bilanz.

    „Das Gravierende waren die Fälle im Seniorenheim in Bissingen“, sagt Kastner. Dort sind, wie berichtet, bislang 25 Menschen an Covid-19 gestorben. Die Arbeit dort habe alle viel Zeit und Kraft gekostet – doch warum war es dort so schlimm? In vielen Landkreisen, erklärt die Medizinerin, gab oder gibt es eine Pflegeeinrichtung mit großen Problemen. „Mal waren Aichach oder das Ries mehr betroffen oder weniger, mal wir. Es gab unterschiedliche Erkrankungswellen.“ Doch in Covid-19: Wieder stirbt eine Seniorin im Bissinger Heim). Allerdings sei das bei Älteren teils schwer zu erkennen. „Sie entwickeln nicht das typische Fieber und den Husten, sondern es tritt häufig eine allgemeine Schwäche auf – was bei jemandem, der nicht so mobil ist, nicht unbedingt gleich auffällt.“ Erst dann komme plötzlich eine Lungenentzündung dazu und die wiederum sei bei solchen Patienten schwer zu bekämpfen. (Das Pflegeheim als Mahnmal).

    Auch die Leiterin des Gesundheitsamtes besuchte das Bissinger Seniorenheim

    Auch Dr. Kastner war mehrmals in Bissingen vor Ort. Bedenken, sich anzustecken, hatte sie nicht. Sie sei kein ängstlicher Typ. Mit der richtigen Arbeitskleidung sei man zudem gut geschützt. (Quarantänemaßnahmen im Pro Seniore Bissingen aufgehoben)Der Katastrophenschutz habe dem Bissinger Seniorenheim gleich zu Beginn des Corona-Ausbruchs Schutzausrüstungsmaterial geliefert.

    Im ehemaligen Dillinger Gesundheitsamt arbeitet ein besonderes Team

    Seit Beginn der Corona-Pandemie arbeiten mehr Menschen für das Dillinger Gesundheitsamt. So wird Dr. Kastner in ihrem neuen Büro im Erweiterungsbau des Landratsamtes von ihren zwei Kolleginnen und dem Team des Stammpersonals unterstützt. Auch die Hygienekonzepte in Schulen und Kitas werden geprüft. In der ehemaligen Unterkunft der Behörde in der Weberstraße ist vor Wochen das 22-köpfige Contact-Tracing-Team eingezogen.

    Sie vervollständigen aktuell die Meldungen über Krankheitsfälle ans Robert-Koch-Institut über Symptome, Krankheitsverläufe oder Vorerkrankungen, die teils erst im Nachhinein erhoben werden konnten. Wird jemand positiv auf Covid-19 getestet, muss er seine intensiven Kontakte dem Gesundheitsamt melden. Auf die Liste gehören die Personen, mit denen man bis zwei Tage vor Ausbruch der Symptome näheren Kontakt hatte. Das Team in der Weberstraße besteht aus Ärzten, Medizinstudierenden und Beamtenanwärtern verschiedener Behörden sowie einem weiblichen Containment-Scout (Hilfe bei der Nachverfolgung von Kontakten) vom

    Warum die Dillinger Medizinerin mit schweren Krankheitsverläufen rechnet

    Deswegen befürchtet die Leiterin des Gesundheitsamtes, dass es künftig zu mehr schwereren Verläufen kommen könnte. Sie appelliert: Wer bei sich eine Geschmacks- oder Geruchsstörung, Husten oder Halsschmerzen feststellt, sollte sich testen lassen. Das Ziel sei, möglichst frühzeitig eine Infektion zu erkennen. Das Kontakt-Verfolgungsteam im ehemaligen Gesundheitsamt ist vorerst bis September im Dienst. Wie es weitergeht, hänge von den Entscheidungen des Bayerischen Staatsregierung ab. Die Teststation in Lauingen sei wegen der gesunkenen Fallzahlen zuletzt in reduzierter Form in Betrieb gewesen. Sie könne jedoch jederzeit wieder hochgefahren werden.

    So eine Ausnahmesituation wie mit Corona hat Dr. Kastner noch nicht erlebt, aber Quarantäne-Regeln sind ihr vertraut: Bei Quarantäne bekommt der Betroffene einen entsprechenden Bescheid und der Arbeitgeber kann eine Entschädigung für den Arbeitsausfall bei der Regierung von Schwaben beantragen. Das gelte auch für Selbstständige. Auch bei der Vogel- und der Schweinegrippe habe es im Landkreis vereinzelte Fälle gegeben und bei einer Masernerkrankung gebe es ebenfalls die Möglichkeit der häuslichen Isolierung. „Und bei Tuberkulose. Die kommt zurzeit auch vor, komischerweise.“

    Abstand einhalten, Schutzmaske tragen - das alles gilt nach wie vor

    Die Leiterin des Gesundheitsamtes zieht bislang eine positive Bilanz. Es sei gut gelaufen. Sie würde alles noch mal genauso entscheiden. „Aber ich traue dem Frieden noch nicht“, sagt Dr. Kastner. Jetzt würden sich wieder mehr Menschen treffen als während des Lockdowns – verständlicherweise. Man habe den Drang, andere zu sehen. „Doch man sollte sich dabei immer wieder ins Gedächtnis rufen, Abstand zu halten. Und wenn das nicht geht, tragen Sie eine Maske. Es hilft schon viel.“ Sie würde grundsätzlich empfehlen, sich die Corona-App der Bundesregierung, wenn sie so funktioniert wie angekündigt, auf das eigene Smartphone herunterzuladen. „Wer weiß schon ein paar Tage später, wen er alles getroffen hat.“

    Dr. Uta-Maria Kastner, Leiterin des Dillinger Gesundheitsamtes
    Dr. Uta-Maria Kastner, Leiterin des Dillinger Gesundheitsamtes Foto: Cordula Homann

    Die aktuellen weltweiten Demonstrationen gegen Rassismus (Wie eine Lauingerin die Proteste in den USA erlebt)will die Leiterin des Gesundheitsamtes nicht verteufeln. Schließlich ginge es um ein wichtiges Thema. Dem Infektionsschutz diene das aber nicht. Junge Menschen hätten weniger Krankheitssymptome und würden auch bei einer Infektion gesünder durchkommen. Deshalb werde das Abstandsgebot häufig nicht so ernst genommen. Es sei aber trotzdem sehr wichtig. Bei Älteren, und zwar bereits ab 60, sieht es zwar anders aus, sagt Kastner. Dennoch dürfte die Sorge um Senioren auf keinen Fall dazu führen, dass sie weggesperrt werden. Das sei weder notwendig, noch mit dem Grundgesetz vereinbar. „Aber ich erlebe viel Unsicherheit, was den Umgang mit älteren Menschen betrifft.“ Wie berichtet, ist in Gundelfingen für einen besonders umtriebigen Bewohner des Pflegeheims ein Container aufgestellt worden (Senior in Container ausgelagert: „Menschlich eine schwierige Entscheidung“). „Das war in dem Fall schon die beste Lösung.“ Der Infektionsschutz und die Rechte der Öffentlichkeit müssten immer wieder mit dem Schutz und den Rechten des Individuums abgewogen werden.

    Dr. Kastner warnt noch mal eindringlich: „Die Corona-Pandemie ist auf keinen Fall vorbei.“ Bislang seien nur wenige mit dem Virus in Kontakt gekommen. Das müssten alle – doch ganz, ganz, ganz langsam. Dr. Kastner rechnet vor: 276 Meldungen über Covid-19 gab es im Landkreis Dillingen. Geht man von einer Dunkelziffer in zehnfacher Höhe aus, seien rund 3000 Personen mit dem

    Lachen und singen: lieber alleine

    Mit einem Impfstoff rechnet sie noch nicht so schnell. Zehn Personen aus dem Landkreis Dillingen nehmen derzeit freiwillig an einer Studie über Antikörper am Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit teil. Sie alle waren mit Covid-19 infiziert. Nun wird untersucht, ob und welche Antikörper sich danach bilden. Manche wirken nicht, manche nicht dauerhaft. Wenn es nächstes Jahr einen Impfstoff geben sollte, müssten sich erst mal sehr viele Menschen damit impfen lassen. Das koste wiederum Zeit. Sie hofft vorerst auf Sommerwetter, dann würden die Menschen hinausgehen. Denn innerhalb eines Raumes verbreitet sich das Virus erfolgreich über Tröpfchen und Schwebeteilchen, die sogenannten Aerosole. Daher sollte man Zimmer lüften – und sich nicht mit mehreren darin aufhalten.

    Sich draußen zu treffen, ist grundsätzlich besser. Die Viren mögen UV-Strahlung nicht, das weiß man. „Lachen und singen – das alles ist allein oder draußen im Moment gesünder – wenn auch nicht so schön.“ Kastner hofft, dass jetzt etwas Ruhe einkehrt. Dann würde sie gerne ein paar Tage Urlaub machen. In Deutschland, im Norden, wie immer. Bis dahin erholt sie sich bei Spaziergängen im Wald. In zwei, drei Wochen könne man absehen, ob die Infektionszahlen wieder ansteigen.

    Doch die Medizinerin rechnet eher im Herbst mit steigenden Fallzahlen, dann zusammen mit der Grippe. Deswegen sollte man sich dagegen auch impfen lassen. Und vielleicht, so hofft sie, tun das ja heuer mehr Menschen als sonst.

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