Die Zahlen sind schockierend und traurig: Im Bissinger Seniorenheim Pro Seniore sind zwei Bewohnerinnen in Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorben. Mehr als 40 weitere Seniorinnen und Senioren so wie rund ein Dutzend Mitarbeiter der Einrichtung sind infiziert. So Stand am Dienstag. Im Bissinger Heim herrscht Ausnahmezustand: Hygienemaßnahmen sind auf höchster Stufe, Pflegekräfte von benachbarten Einrichtungen helfen aus, täglich müssen sogenannte Covid-19-Screenings, Fiebermessungen und Symptombeobachtungen gemacht werden.
Katastrophenschutz frägt bei Notfallseelsorgern an
Und trotzdem, das betont Pfarrer Klaus Ammich im Gespräch mit unserer Zeitung, versuchen sowohl die Bewohner als auch die Mitarbeiter bei Pro Seniore positiv zu bleiben. Ammich war gemeinsam mit Frank Kienle und Dominik Kratzer am Ostermontag über Stunden im Kesseltaler Heim. Die drei Geistlichen sind Notfallseelsorger im Landkreis Dillingen und wurden von der Führungsgruppe Katastrophenschutz angefragt. Ammich erklärt mit Nachdruck, dass sie als Notfallseelsorger nicht auf eigene Initiative aktiv werden, sondern agieren, wenn sie offiziell angefordert und gebraucht werden. So war es am Osterwochenende der Fall im Bissinger Seniorenheim.
Stressbewältigung für Mitarbeiter und Seelsorge für Senioren
„Wir wollen uns nicht aufdrängen. Die Anfrage für das Bissinger Heim war die erste im Bezug auf Corona“, erklärt Ammich weiter. Gemeinsam mit der Heimleitung sowie der Pflegedienstleitung haben sich die Seelsorger deshalb am Vormittag des Ostermontags vor der Tür im Freien im ersten Schritt abgestimmt, ob und wer, in welcher Form Bedarf an der Notfallseelsorge hat. „Wir wollen uns nicht wichtig machen, sondern unterstützend tätig sein“, erklärt der Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft Buttenwiesen. So habe man sich verständigt, einerseits Stressbewältigung für die Mitarbeiter anzubieten und andererseits Seelsorge für die Bewohner.
Vor allem die Senioren haben das Angebot laut Ammich gerne angenommen. Viele Stunden war der Notfallseelsorger am Montag im Pro Seniore – hat zugehört und Trost gespendet. „Vor allem die Kontaktbegrenzung ist für die älteren Menschen sehr, sehr schwierig und lastet auf ihnen. Ich war mehr oder weniger der Einzige in letzter Zeit, der zu Besuch war und sich auch mal ihre Lebensgeschichten anhörte – ganz unabhängig von Corona“, so Ammich weiter. Dabei betont der Geistliche, dass das Personal in Bissingen mehr als bemüht sei und sich trotz der schlimmen Situation rührend um die Bewohner kümmert. Das sei in den Gesprächen deutlich geworden. Trotzdem: „Den regelmäßigen Besuch der Kinder oder Enkel können die Mitarbeiter auch nicht ersetzen.“ Die Isolation belaste die Menschen im Heim sehr, damit gehe viel an wichtigem Lebensrhythmus verloren.
Corona-Krise mit Zusammenhalt überstehen
Und natürlich sei auch der Umstand, dass so viele Bewohner mit dem Coronavirus infiziert sind, zwei Seniorinnen sogar bereits gestorben sind, belastend. „Ich habe versucht, einfach ein wenig Hoffnung zu geben. Ich habe ein kleines Foto mitgebracht, auf dem ein Steg zu sehen ist, der in Richtung eines Sonnenaufganges führt. Es ist ein kleiner Versuch, etwas Licht in die Situation zu bringen. Worte sind vergänglich, Bilder kann man anschauen“, sagt Klaus Ammich. Für ihn und seine Kollegen Kienle und Kratzer war der Einsatz am Ostermontag auch deshalb besonders, da sie die Menschen aufgrund der wichtigen Hygienemaßnahmen nur in kompletter Schutzmontur besuchen konnten – Kittel, Handschuhe, Mundschutz, Glassichtschutz. „Wir haben über die Notfallseelsorge dafür die notwendigen Schulungen bekommen. Wir sind speziell vorbereitet – zum Schutz für uns und die Bewohner“, sagt Ammich.
Das Corona-Update vom 13. April
Trotz der akuten Situation im Bissinger Pro Seniore sind die Menschen dort zuversichtlich – so auch der Eindruck des Notfallseelsorgers. Er formuliert es so: „Ich bewundere die Senioren, wie sie damit umgehen: nicht leichtsinnig, aber gelassen und mit viel Geduld. Auch die Bemühungen des Personals helfen. Alle ziehen an einem Strang. Das war schön und tröstlich zu sehen.“
Im Landkreis Dillingen sind, Stand Dienstag, 179 Menschen am Coronavirus erkrankt, genesen sind 73, in Quarantäne befinden sich 186.
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