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Coronavirus: Bissinger Altenpflegerin: „Wir haben Hoffnung“

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Bissinger Altenpflegerin: „Wir haben Hoffnung“

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    Trotz Maske ist zu erkennen, dass Betreuerin Sabine Schiele (links) und Seniorin Monika Zechmeier lächeln. Ein Bild, das gerade in der jetzigen Zeit im Bissinger Pro-Seniore-Heim Hoffnung machen soll.
    Trotz Maske ist zu erkennen, dass Betreuerin Sabine Schiele (links) und Seniorin Monika Zechmeier lächeln. Ein Bild, das gerade in der jetzigen Zeit im Bissinger Pro-Seniore-Heim Hoffnung machen soll.

    Alle gratulieren und es gibt sogar ein Ständchen. Trotzdem ist dieser Geburtstag, den eine Seniorin im Bissinger Pro Seniore diese Woche erlebt, anders als all die Jahre zuvor. Die lieben Enkel dürfen die Oma nicht besuchen und es gibt kein Kaffeekränzchen mit der Familie im Aufenthaltsraum oder im Garten. Und die herzlichen Umarmungen bleiben auch aus. Alles verboten – aus Sicherheitsgründen. Seit fast vier Wochen herrscht in der Einrichtung im Kesseltal Ausnahmezustand. Das Coronavirus hat sich rasend schnell im Heim verbreitet, viele Bewohner und Mitarbeiter haben sich angesteckt. Und Stand Dienstag sind 16 Senioren an den Folgen von Covid-19 verstorben. Die schlechten Nachrichten aus dem Kesseltal haben sich in den vergangenen Tagen nur so überschlagen. Deshalb hatte eine Mitarbeiterin die Idee, den Senioren eine Freude zu machen und organisierte die Augsburger Pianistin Ivana Sousek. Mehr als eineinhalb Stunden spielte sie an diesem Tag an unterschiedlichen Stellen auf dem Gelände rund um die Einrichtung Lieder. „Unsere Bewohner haben die Fenster aufgemacht und sich sehr gefreut“, erzählt sie. Besonders die ältere Dame, die Geburtstag hatte. Denn das erste Lied war nur ihr gewidmet.

    Dillinger Gesundheitsamt meldet weiterhin Infizierte aus der Einrichtung

    Wer an diesem Nachmittag mit dem Fahrrad am Heim vorbeigefahren ist oder beim Supermarkt gegenüber einkaufen war, der hat das Ständchen gehört. Auch Lydia*. Sie hat sogar zugeschaut. Sie ist seit zwei Jahren als Altenpflegerin in der Bissinger Einrichtung tätig. Ihren Namen will sie nicht in der Zeitung lesen. Sie wohnt in einem kleinen Dorf, erzählt sie. Dort würden die meisten zwar wissen, dass sie in der Bissinger Einrichtung arbeitet – trotzdem will sie anonym bleiben. „Ich will einfach nicht ständig darauf angesprochen werden“, sagt sie. Darauf, dass im Pro Seniore seit fast einem Monat das Coronavirus grassiert und nicht in den Griff zu bekommen ist. Immer noch meldet das Dillinger Gesundheitsamt, dass es im Heim neue Infizierte gibt. Der Höhepunkt scheint nicht erreicht. Trotz der extremen Maßnahmen: Bewohner werden strikt voneinander getrennt, es sind Pandemiezonen eingerichtet, ständig finden Gesundheitschecks statt.

    Altenpflegerin der Pro-Seniore-Einrichtung: "Wir geben alles"

    Auch das Interview mit Altenpflegerin Lydia* findet vor der Tür im Freien statt. Bis zu den zwei Bänken vor dem Eingang kommt man nur, wenn man an einer kleinen Klingel, die an einem Bauzaun angebracht ist, kräftig klingelt. Statt schöner Bluse ist Lydia* mit einem gelben Kittel, Handschuhen und Maske ausgestattet. Diese Arbeitskleidung, erzählt sie, ist mittlerweile normal. „Wir haben uns sofort von Anfang an alle an die Hygienevorschriften gehalten und versuchen wirklich alles, um das Virus zu bekämpfen. Wir geben alles“, sagt sie und zuckt mit den Schultern. Mehr könnten sie und ihre Kollegen nicht tun. Und dabei machen sie alle schon mehr als genug. Alltagshelden in der Altenpflege, wie sie auch Ministerpräsident Markus Söder nennt, gibt es im Bissinger Heim viele. Lydia* ist eine davon. Sie schildert: „Alle Mitarbeiter kommen überpünktlich, jeder hilft jedem und bleibt bei Bedarf länger. Viele haben sogar auf Urlaub verzichtet.“ Sie selbst auch.

    Pfleger versuchen Familie der Bewohner zu ersetzen

    Die tägliche Arbeit habe sich in der Einrichtung nicht grundlegend geändert, sagt sie. Die Umstände dagegen schon und es gibt einen anderen Bedarf. „Mittlerweile nimmt die Betreuung unserer Bewohner noch mehr Zeit in Anspruch. Wir ersetzen ihre Familien. Nur mit uns können sie reden. Sie brauchen unsere Ansprache.“ Hinzu komme die ständige Überwachung der Gesundheit. Wer hat welche Symptome oder nicht? Was ist normal, was nicht? Dann das tägliche Bangen. Darum, dass es keine neuen Ansteckungen mehr gibt. Und darum, dass kein Bewohner mehr an den Folgen des Coronavirus sterben muss. Lydia* blickt auf die Eingangstür. Sie versucht, die richtigen Worte zu finden. Ihre Stimme wird ein wenig leiser, als sie sagt: „Wir sind nicht nur Mitarbeiter. Jeder von uns hat einen persönlichen Bezug zu den Bewohnern. Einen zu verlieren, ist auch für uns schwer.“

    Altenpfleger kommen emotional an ihre Grenzen

    Nicht zu vergessen: die eigene Gesundheit. Vier mal wurde Lydia* bereits getestet. Das Warten auf das Ergebnis sei alles andere als angenehm. Vier mal negativ. „Ich habe keine Angst. Ehrlich nicht. Wir halten alle Schutzmaßnahmen ein und sind gut ausgerüstet“, betont sie immer wieder. Dennoch musste auch sie schon aus Sicherheitsgründen zuhause bleiben, viele Kollegen sind in Quarantäne. Und natürlich komme der ein oder andere Mitarbeiter an Grenzen. Vor allem emotional. Regelmäßig, erzählt die Fachkraft, kommt ein Seelsorger ins Haus und ist für das Personal da. Auch sie selbst habe dieses Angebot schon in Anspruch genommen. „Das tut gut und man schöpft neue Kraft“, sagt sie. Denn, und das ist Lydia* im Interview besonders wichtig, die Arbeit als Altenpfleger mache Spaß. Trotzdem. Es sei die tägliche Abwechslung und der Kontakt zu den Menschen. Auch wenn das aktuell unter erschwerten Maßnahmen stattfinde. „Wir bleiben positiv und wir lachen auch mal. Denn wir haben Hoffnung. Auf jeden Fall.“

    INFO Künstler die den Bissinger Senioren eine musikalische Freude vor dem Gebäude machen wollen, können sich in der Einrichtung melden.

    * Der Name Lydia ist frei von unserer Redaktion erfunden und steht in keinem Zusammenhang mit den genannten Personen im Artikel.

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