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Corona-Krise: Pest, Cholera und Nervenfieber

Corona-Krise

Pest, Cholera und Nervenfieber

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    An die oft verheerenden Krankheitsepidemien früherer Tage erinnern manchmal noch schriftliche Aufzeichnungen, gelegentlich aber auch Denkmäler und Mahnmäler. Ein kleines Pestmal aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges ist in Bissingen an der Mauer des Pfarrhofes gegenüber der Pfarrkirche zu sehen.
    An die oft verheerenden Krankheitsepidemien früherer Tage erinnern manchmal noch schriftliche Aufzeichnungen, gelegentlich aber auch Denkmäler und Mahnmäler. Ein kleines Pestmal aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges ist in Bissingen an der Mauer des Pfarrhofes gegenüber der Pfarrkirche zu sehen.

    Es ist ein relativ unscheinbares steinernes Mahnmal, das die Jahrhunderte auf der Mauer des Pfarrhofes in Bissingen überdauert hat. Viele Leute fahren oder gehen in normalen Zeiten daran vorbei, ohne ihm groß Beachtung zu schenken. Wer es in Auftrag gab und wie viel es kostete, ist unbekannt. Fest steht aber, dass dieses kleine, nur etwa 40 Zentimeter hohe Denkmal im Zusammenhang mit der Pest steht, die nicht nur einmal in unserer Gegend wütete. Die Blicke der beiden in Stein gemeißelten Frauen richten sich nach oben, zu dem dort abgebildeten Totenschädel und Knochen.

    Angesichts der weltweit grassierenden Corona-Pandemie wird auch in diesen Tagen und Wochen vielen Menschen bewusst, wie rasch Krankheit und Tod alle Lebenspläne durchkreuzen können – und damit etwas, was wir alle in unserer schnelllebigen Zeit ansonsten meist gerne verdrängen und ignorieren.

    Immer wieder gab es im Landkreis Dillingen große Krankheitswellen

    Immer schon gab es Krankheitswellen, die oft nur lokal, gerade bei der Pest aber immer auch schon Länder und Grenzen übergreifend wüteten und oft viele Opfer forderten und ganze Epochen prägten. Das geschah zwar bisher nie in einem derart weltumfassenden Maß und binnen weniger Wochen wie jetzt bei der Ausbreitung des Covid-19-Virus’, aber die Menschheit verfügte auch nie zuvor über die heutigen medizinischen, technologischen und gesellschaftlichen Bekämpfungsstrategien gegen dieses Virus. Die Opferzahlen der Corona-Pandemie sind erschütternd. Aber die Mediziner und die Wissenschaftler der Gegenwart kennen zumindest ihren Feind. Das war in früheren Jahrhunderten nicht so.

    Oft im Gefolge von verheerenden Kriegen, als die Widerstandskraft der Bevölkerung ohnehin geschwächt war, schlichen sich epidemische Krankheiten wie die Pest, die Cholera oder das sogenannte „Nervenfieber“ ein. Ob die Pest, die sich von den Häfen des Mittelmeeres aus ab dem Jahr 1348 binnen weniger Jahre als „schwarzer Tod“ über ganz Europa ausbreitete und die Millionen Opfer forderte, schon damals auch in unserem nordschwäbischen Landstrich wütete, lässt sich nicht mehr sicher feststellen. Ein Indiz dafür könnte allerdings die Gründung des Dillinger Leprosenhauses sein, das erstmals 1359 Erwähnung findet. Es ist auch nicht immer klar, ob die Krankheiten, die grassierten, richtig gedeutet wurden. Das könnte auch auf eine „Flecktyphus“-Epidemie im Jahre 1448 zutreffen, von der es in Gundelfingen heißt, der Pfarrfriedhof habe nicht mehr ausgereicht, die vielen, vielen Toten aufzunehmen. Diese seien in einem eigenen Pestfriedhof bei der heute nicht mehr existierenden St. Wendelinskapelle begraben worden. Nachzulesen ist dies in dem ersten Landkreisbuch des Kreises und der Stadt Dillingen, erschienen im Jahre 1967. Dort sind noch zahlreiche weitere Epidemien und ihre Folgewirkungen genannt.

    Schon vor 400 Jahren gab es Ausgangsbeschränkungen

    Unter anderem, interessant gerade angesichts der gegenwärtigen Ausgangsbeschränkungen, hat der Augsburger Bischof Johann Otto von Gemmingen im Herbst 1592 wegen einer großen Krankheitswelle („der sterblichen Läuf halber“) zunächst die Abhaltung eines Preisschießens in Dillingen verboten und anschließend über die Stadt eine „Verkehrssperre“ verfügt. Ähnliches geschah in den Jahren 1596/97, als in Lauingen innerhalb nicht einmal eines Jahres eine Seuche 134 Menschen dahinraffte. In Gundelfingen starben, vermutlich an der gleichen Seuche, innerhalb von 22 Tagen 104 Personen. Einen Höhepunkt erreichten die Epidemien in den furchtbaren Jahren des Dreißigjährigen Krieges in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Die ansteckenden Krankheiten kamen zu den Kriegsverheerungen und den ständigen Hungersnöten noch hinzu. Große Teile der Landbevölkerung flüchteten sich in die Städte, um dort vermeintlich Schutz zu haben. In Dillingen stieg die Zahl der Todesfälle von 110 im Jahre 1632 auf 452 im Jahre 1634. Fast zeitgleich musste in Lauingen der Gottesacker deutlich erweitert werden. Mehr als 300 Jahre später, im Jahr 1964, wurden binnen kurzem gleich zwei Großgräber, die während des Dreißigjährigen Krieges als Pest-Massengräber angelegt wurden, im Zuge von Bauarbeiten freigelegt.

    Das eine befand sich im Ostteil von Höchstädt in der Flur Elligmahd/Jesuitengarten, das andere am Lindenberg mitten in Bissingen. Als hier im April 1964 bei Bauarbeiten ein Graben gezogen werden sollte, stieß man in etwa 60 Zentimeter Tiefe auf ein Massengrab. Die zahlreichen, durcheinander liegenden menschlichen Schädel- und Knochenreste ließen darauf schließen, dass das bis dato nur mündlich überlieferte Pestgrab gefunden worden war, das gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges, wohl im Jahre 1644, angelegt worden war. Es liegt auch nahe, dass die Erinnerung an dieses Grab auch der Grund war, warum der Lindenberg in Bissingen über alle Generationen hinweg seither großteils unbebaut blieb. Als der schreckliche Krieg 1648 endlich zu Ende ging und sich die Überlebenden, zu denen sich im Übrigen viele von der Obrigkeit angeworbene Zuwanderer aus Tirol, Südtirol und anderen Regionen gesellten, an den Wiederaufbau machten, entstand sicherlich in Bissingen auch die Idee, dieser Zeit der Not und der Krankheiten das kleine Pest-Denkmal gegenüber der Pfarrkirche und nahe beim Pfarrhof zu errichten. Seinen Sinn hat es, wie Corona zeigt, bis heute nicht verloren.

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