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Bissingen: Was es mit der Sebastiani-Bruderschaft in Bissingen auf sich hat

Bissingen

Was es mit der Sebastiani-Bruderschaft in Bissingen auf sich hat

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    Der heilige Sebastian ist der Schutzpatron der Bissinger Sebastiani-Bruderschaft.
    Der heilige Sebastian ist der Schutzpatron der Bissinger Sebastiani-Bruderschaft.

    Gut zwei Jahrzehnte nach Ende des Dreißigjährigen Krieges, im Jahr 1671, wurde in Bissingen die Sebastiani-Bruderschaft gegründet. Der heilige Sebastian, dessen Namenstag am 20. Januar gefeiert wird, wird bereits seit dem 4. Jahrhundert als Pest- und Brunnenheiliger verehrt. Auch zahlreiche Bauern- und Wetterregeln erinnern an ihn.

    Die Herausforderungen von damals übertreffen die Corona-Pandemie

    Die Schrecken des schlimmsten Krieges, den unser Land und seine Bewohner je erleben mussten, Hunger und die Pest stellten die Menschen zur Gründungszeit der Bissinger Bruderschaft vor Herausforderungen, welche die gegenwärtige Corona-Pandemie mit all ihren furchtbaren Folgen und Einschränkungen noch deutlich übertraf. Nach durchaus realistischen Angaben durch die Geschichtsforschung forderte der unselige Dreiklang aus Krieg, Hunger und Krankheiten in der ersten Hälfte und Mitte des 17. Jahrhunderts zwei Drittel der Bevölkerung in Süddeutschland und auch in unserer Region.

    Die Not gab Anstoß zur Gründung

    Die damalige Not war es, welche die Angehörigen der Pfarrei St. Peter und Paul dazu veranlasste, eine christliche Bruderschaft zu gründen. Von staatlicher Hilfe war in jener Zeit nicht einmal ansatzweise die Rede. Die Gläubigen suchten vielmehr die Hilfe bei Gott und den Heiligen, insbesondere auch bei dem Pestpatron St. Sebastian, und sahen daneben einen konkreten Ansatzpunkt zu einem besseren Leben in gegenseitiger Hilfe durch eine Bruderschaft. Aus den Statuten der neugegründeten Sebastiani-Bruderschaft ging hervor, dass ihre Angehörigen in seelischer Not, in Krankheit und Pestgefahr brüderlich zusammenstehen und sich gegenseitig helfen wollen.

    Die Pfarrkirche St. Peter und Paul in Bissingen. Hier finden die Bruderschaftsprozessionen und das Gedenken an die verstorbenen Mitglieder der Sebastiani-Bruderschaft statt. Heute umfasst diese rund 2100 Gläubige.
    Die Pfarrkirche St. Peter und Paul in Bissingen. Hier finden die Bruderschaftsprozessionen und das Gedenken an die verstorbenen Mitglieder der Sebastiani-Bruderschaft statt. Heute umfasst diese rund 2100 Gläubige.

    Neben der sozialen Unterstützung sind auch die religiöse Förderung und wahre Nächstenliebe in den Leitgedanken niedergeschrieben. Wohl maßgeblich beteiligt an der Gründung der Bruderschaft und am Verfassen ihrer Statuten war im Jahr 1671 der damalige Ortspfarrer Georg Berthele. In seiner Wirkungszeit wurde von 1682 bis 1686 auch die Pfarrkirche innerhalb der seinerzeit geschlossenen Ringmauer des Bissinger Schlosses neu erbaut. Diese Kirche war allerdings viel kleiner als die heutige Pfarrkirche, die im 19. Jahrhundert errichtet wurde. Teile dieser Kirche wurden als Grundmauern in den Neubau während der Jahre 1858–1862 übernommen.

    Am 28. Mai 1686 verstarb Pfarrer Georg Berthele nach drei Jahrzehnten währender Seelsorgetätigkeit in Bissingen, die vor allem auch durch die Bruderschaftsgründung bis in die Gegenwart fortwirkt. Der Pfarrer selbst ist im Gründungsbuch der Bruderschaft als „Joh. Georg Bertelen, Pfarrer und Cammerer allhier“ nebst seiner Schwester und Pfarrhaushälterin „Anna Maria Bertelen, lödig“ verzeichnet. Das Bruderschaftsbuch wird bis heute aufbewahrt. In verblasster Schrift ist auf dem abgegriffenen Deckel zu lesen: „Corpus Congregationis Sancti Sebastiani in Markht Bißingen 1671“. Im Buch sind, wie es heißt, „Statuta, Regal und Sazungen der Neu aufgerichten Bruederschaft S. Sebastiani zu Markht Büßingen an der Kößl im Jahr 1671“ verzeichnet. Den größten Teil des ersten Bruderschaftsbuches nimmt ein alphabetisch geordnetes Verzeichnis der Mitglieder vom Gründungsjahr bis ins Jahr 1711 ein.

    Ganze Familien sind dort eingetragen

    Oft sind es ganze Familien, die über Generationen eingeschrieben sind, und es tauchen eine ganze Reihe von Namen auf, deren Familien seit 350 Jahren bis in der Gegenwart in Bissingen und in den Ortsteilen im unteren Kesseltal ansässig sind. Das Einzugsgebiet der eingeschriebenen Mitglieder reicht indessen weit über die engere Heimatregion hinaus. Auch in Zeiten, als die Globalisierung noch kein Begriff war, gab es oft mehr Mobilität, als man heute vermuten möchte.

    So sind als Heimatorte von Mitgliedern der Sebastiani-Bruderschaft unter anderem auch Städte wie Salzburg, Heidelberg, Würzburg, Coburg oder Rosenheim angegeben. Daneben finden sich auch Angaben wie „aus Tyrol“, „aus dem Schweizerland“ oder „von Apazell in der Schweiz“.

    Nicht selten sind auch die Berufsbezeichnungen der Mitglieder angegeben, vor allem bei Vertretern des geistlichen Standes. Zahlreiche Patres und Angehörige der benachbarten Propstei Unterliezheim sowie des nicht weit entfernten Klosters Mönchsdeggingen, das über die Marienwallfahrtskirche Buggenhofen enge Beziehungen zu Bissingen pflegte, sind verzeichnet. Auch die Inhaber der weltlichen Gewalt sind vertreten, vor allen Dingen die oettingischen Amtmänner, ihre Gemahlinnen und Bediensteten des unmittelbar neben der Kirche gelegenen Schlosses.

    Alois Strasser ist heute Sprecher der Bruderschaft

    Heute steht Alois Strasser der Sebastiani-Bruderschaft als Sprecher vor. Er ist damit Oberhaupt einer Gemeinschaft, die gegenwärtig rund 2100 eingeschriebene Mitglieder umfasst und deren Ziele bis heute lebendig geblieben sind, in diesen Zeiten mit ihren für die gegenwärtigen Generationen ganz neuen Herausforderungen vielleicht sogar möglicherweise eine gewisse Renaissance erfahren sollten.

    Alois Strasser ist eines wichtig: „Die Statuten von 1671 wurden im Laufe der vergangenen Jahrhunderte schon mehrfach angepasst, sie müssen lebendig bleiben! Dies gilt gerade auch in Zeiten, in denen es nicht mehr selbstverständlich ist, dass alle Neugetauften nach dem Willen der Eltern gleich in die Bruderschaft aufgenommen werden.“ Heute sind es nach seinen Angaben nur noch um die zehn Neuaufnahmen pro Jahr. Dennoch ist die Bruderschaft im Gemeindeleben der Pfarrei fest verankert und bringt sich mit feierlichen Prozessionen in besonderen Gottesdiensten mit ein. Aller verstorbenen Bruderschaftsmitglieder wird bis heute mit Sterbegebet, Ablassgebet und Messopfern gedacht.

    Welche Möglichkeiten, das 350-jährige Jubiläum der Bruderschaft in besonderer Weise zu feiern, das Coronajahr 2021 allerdings lässt, ist zu Jahresbeginn offen.

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