Einige Wörter, die im oberen Bachtal verwendet werden, sucht man im Hochdeutschen vergebens. Dazu gehört „oiniegla“. Für Ungeübte mag der Ausdruck einem Zungenbrecher gleichkommen. Edgar Bürger aber geht er leicht von der Zunge. „Das ist im Winter unser Begriff für kältestarre Finger, die schmerzen, wenn sie in die Wärme kommen“, erklärt er. Ein Beispiel von vielen.
Der Dialekt im oberen Bachtal ist besonders, das ist dem gebürtigen Landshauser bereits vor vielen Jahren aufgefallen. An den Ufern des Zwergbachs spricht man anders als im restlichen Landkreis. Etwa in den nahe liegenden Donaustädten Lauingen, Dillingen, Gundelfingen und Höchstädt aber auch in den kleineren Landkreisgemeinden in der Nachbarschaft. Den Gründen dafür geht Bürger im neusten Band des Historischen Bürgervereins Staufen auf den Grund.
Im Bachtal wird ein Inseldialekt gesprochen
„Wir sprechen einen absoluten Inseldialekt“, sagt er. Das liege an der Lage des oberen Bachtals. Von allen Seiten bekomme die Region sprachliche Einfärbungen mit. Auch vom benachbarten württembergischen Gebiet. Die typische Mundart, das bemerkt der ehemalige Dirigent des Gesangvereins Landshausen seit einiger Zeit, geht immer mehr verloren. „Jugendliche sprechen nicht mehr unseren Dialekt, dafür ein schwäbisch eingefärbtes Hochdeutsch vermischt mit vielen englischen Begriffen“, erklärt er.
Woran diese Entwicklung liegen könnte, weiß Bürger nicht. Geht die Sprache durch den Zuzug von Menschen aus der Stadt verloren? Oder ist es einfach nicht mehr zeitgemäß, so zu sprechen? „Im Vergleich zum hübsch anzuhörenden Oberbayerisch oder dem eleganten Münchnerisch ist unsere Ausdrucksweise vielleicht etwas derb und nicht ganz so salonfähig“, mutmaßt er. Damit der Dialekt des oberen Bachtals aber nicht gänzlich verloren geht, hat Bürger die zusätzliche Zeit in der Corona-Pandemie sinnvoll genutzt und typische Ausdrucksweisen für die Nachwelt festgehalten.
Kartoffelsalat und Sauerkraut waren in der traditionellen Küche wichtig
Schon seit gut zehn Jahren sammelt er in einem kleinen Büchlein typische Worte, Redewendungen, Reime, Sprüche und Anekdoten. Für Band drei der Bücherreihe des historischen Bürgervereins Staufen stöbert Bürger aber auch in vergangenen Bräuchen und Essgewohnheiten des oberen Bachtals.
Dass Fleisch auf den Tisch kam, war in früheren Zeiten eher eine Ausnahme. Das weiß er aus eigener Erfahrung. Eines der Hauptnahrungsmittel war stattdessen Sauerkraut. Dazu wurden beispielsweise „Strietzl“, gebacken aus Kartoffelteig, Mehl und Eier, gegessen. Auch der Kartoffelsalat hatte im oberen Bachtal Tradition: Dieser war zu Schupfnudeln – sogenannten „Bauza“ – das Sahnehäubchen und zeichnete die jeweilige Köchin aus.
Dialekt und Brauchtum: Hättet ihr's gewusst?
Gibt es im Bachtal das Wort "Mund"?
Das Wort "Mund" existiert im Bachtal nicht. Man sagt "Gosch" oder noch etwas derber "Maul".
Was wird zum Rücken gesagt?
"Einen Rücken haben die Bachtaler nicht", sagt Ludwig Bürger. Stattdessen gibt es den "Buckel". Der Ausdruck bedeutet jedoch nicht, dass die Kehrseite automatisch missgestaltet sei.
Was wird im oberen Bachtal für reichen gesagt?
Was wird im oberen Bachtal für riechen gesagt?
Die Bachtaler sagen "schmegga". Das eigentliche Schmecken, wie beispielsweise beim Essen, wird selten gesagt. Da sagt man: "Des isch guat."
Sagt man im Bachtal "Ich liebe Dich"?
"Eine Liebesbekundung komme dem Bachtaler nicht leicht über die Lippen", sagt Ludwig Bürger. Falls er sich doch einmal überwindet sagt er: "I mog de".
Mehr oder minder gute Erinnerungen hat Bürger auch an „siadige Knepf“, die es in vielen Variationen gab. „Die ‚Siadige‘ konnten gefährlich sein“, sagt er. Dabei handle es sich um Knödel oder Klöße, die aus einer Art Spätzleteig gemacht und anschließend in Salzwasser gekocht wurden. „Manchmal hatten sie eine Konsistenz, dass man damit hätte Fenster einwerfen können“, erklärt er mit einem Schmunzeln.
An Allerheiligen gab es in Altenberg Bonbons
Weg von der Küche gab es im oberen Bachtal, speziell Altenberg, auch viele außergewöhnliche Traditionen. Dazu gehört beispielsweise Allerheiligen. Den klassischen Gräberbesuch, erklärt Bürger, habe man mit einem etwas makaberen Brauch verbunden. Für Kinder gab es am Grab eine sogenannte ‚Raussregge‘. Ein Lächeln umspielt seine Augen als er erklärt: „Dabei handelt es sich um eine Tüte mit Süßigkeiten oder Bonbons.“ Angeblich hätten die Verstorbenen dieses aus dem Grab herausgereicht.
Süßes gab es auch an Fasching in Altenberg. Damals waren die Kinder am Faschingsdienstag gemeinsam von Haus zu Haus gezogen und hatten Lieder gesungen. „Von den Leuten gab es dann ein kleines Geldstück, Süßigkeiten oder auch Obst geschenkt“, erinnert sich Bürger. Durch die Faschingsbälle für Kinder sei diese Tradition jedoch weggebrochen. Auch bei Hochzeiten und Todesfällen im Dorf gab es Eigenarten. Einige davon haben sich sogar bis zum heutigen Tag an manchen Orten im Bachtal gehalten. Stirbt eine Frau, läutet zuerst die kleine Kirchenglocke, bei einem Mann ist es die Große.
Dass Dialekt und Brauchtum nicht ins Museum oder ins Archiv gehören, findet auch Vorsitzender Karl-Josef Stutzmiller vom historischen Bürgerverein Staufen. Das Projekt rund um die Mundart, sagt er, habe gut in die Buchreihe gepasst und ein wichtiges Thema angestoßen. Brauchtum und Dialekt sollen nicht verloren gehen. Nicht jeder müsse deshalb in Tracht herumlaufen, betont Autor Bürger. Viele Sitten könnten heute auch gar nicht mehr umgesetzt werden. Bei einigen Dingen wünscht sich der Hobbyforscher jedoch ein Comeback. Dazu gehört die Verabschiedung. Statt dem bekannten „Tschüss“ als gängiger Gruß aus dem Norddeutschen bleibt Bürger persönlich viel lieber ganz traditionell bei „Pfia Gott“ oder kurz „Pfiade“.
„Os schätzet, wia os d’r Schnabel gewachsa isch“, Band drei der Serie des historischen Bürgervereins Staufen, gibt es unter anderem beim Autor Edgar Bürger, Endelgard Raab in Syrgenstein, der Bäckerei Römer in Staufen, der Vogtei Apotheke Bachhagel, dem Dorfladen Zöschingen und der VG Syrgenstein zu kaufen.
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