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Armut: Wenn das Geld nie reicht

Armut

Wenn das Geld nie reicht

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    Wir haben eine Frau getroffen, die erzählt, wie es ist, wenn die eigene Existenz bedroht ist
    Wir haben eine Frau getroffen, die erzählt, wie es ist, wenn die eigene Existenz bedroht ist Foto: Annette Zoepf

    Immer wieder taucht irgendwo ein Loch auf, immer wieder fehlt das Geld. Es reicht einfach nicht. Wo gibt es dann Hilfe? Eine 47-Jährige, die das Problem kennt, hat in Dillingen Hilfe gefunden. Bei Ingrid Braun. Sie hilft Menschen, deren Existenz bedroht ist.

    „Dass ich keine Ausbildung gemacht habe, das war mein Fehler“, erzählt die Frau. Sie sitzt in der Außenstelle des Diakonischen Werks in Dillingen, dort, wo sie immer wieder Rat sucht, wenn sie nicht mehr weiterweiß.

    Vielleicht war einfach keine Zeit für eine Ausbildung da, gejobbt hat die Frau viel. Kurz nach der Geburt ihrer ersten Tochter stand die heute 47-Jährige mit damals 21 Jahren alleine da. „Ich zog zurück zu meinen Eltern, mal bekam ich Stütze, mal arbeitete ich in der Reinigung, beim Garten- und Landschaftsbau“, erzählt sie. Der Vater ihrer Tochter starb bald nach der Geburt.

    Inzwischen ist sie verheiratet, der Ehemann arbeitet auf Baustellen. Hat er keine Aufträge, etwa im Winter, reicht das Geld nicht. „Immer wieder habe ich Hartz IV beantragt. Ohne Frau Braun hätte ich das aufgegeben.“ Da ist die schiere Papierflut, die das Jobcenter im Vorfeld für jedes Extra fordert. Deswegen fährt die Frau alle ihre Unterlagen im Kofferraum spazieren. Wird ein Antrag abgelehnt, ist dies für die dreifache Mutter nicht mal das Schlimmste, erklärt sie. Es sei vielmehr das Gefühl, ein Mensch zweiter Klasse zu sein, der sich so sehr dafür schämt, dass er seine persönliche und finanzielle Lage bis ins Detail erklären muss. „Man verzweifelt.“ Gerade das ist es, warum die Frau für die Hilfe von Ingrid Braun so dankbar ist. Die nimmt sich sehr viel Zeit für ihre Klienten, hört beim ersten Treffen immer sehr lange zu. „Soviel Zeit haben die Kollegen im

    Die Frau die sie betreut, kommt über die Runden, so lange der Ehemann arbeitet. Aber ohne Aufträge sieht es ganz anders aus, seitdem ist die Familie insolvent. Mehr als einen Teilzeitjob kann die Frau selbst nicht machen: Der Bub ist krank, allein mit der kleinen Tochter kann sie ihn am Nachmittag nicht daheimlassen. So viel Geld, dass sie die Nachmittagsbetreuung bezahlen kann, verdient die Mutter als ungelernte Kraft nicht. Zurzeit bringt auch der Vater kein Geld heim; er hat einen Bandscheibenvorfall. Dann geht das Auto kaputt, und es ist kein Geld für die Heizung mehr da. Dillingens evangelischer Pfarrer Manuel Kleiner kennt die Familie, er schickt die Mutter zu Ingrid Braun. Die dreifache Mutter ist sehr, sehr dankbar dafür, wie sie mehrmals wiederholt. Die stellt fest: Mit allen Einnahmen, etwa Kinder- und Krankengeld, liegt das Haushaltseinkommen zwar knapp über der Hartz-IV-Grenze. „Aber es reichte hinten und vorne nicht. Und dann steht schnell das Haus auf der Kippe.“

    Oder der Strom. Und wenn der erst mal abgestellt ist, warnt Ingrid Braun, dann wird es richtig kompliziert. Gespart hat die Familie noch nie etwas. „Wenn ich einen Job habe, dann gönnen wir uns mal Mc Donald’s“, sagt sie. 800 Euro hat das neue Auto gekostet. Nun wurden die Handyverträge der Familie gekündigt, künftig geht die Kommunikation wieder via Festnetz. Dennoch reicht das Geld nie. Beide Kinder wachsen, aber keiner in der großen Familie kann mit passender Kleidung helfen. Die Möbel der beiden haben auch ausgedient. „Es gab halt auch nie etwas Teures“, sagt die Frau. „Irgendwann gehen die billigen Sachen kaputt.“ Sie war noch nie mit den Kindern im Legoland, selbst der Besuch des Freibads im Sommer wird genau abgewägt. Ingrid Braun weiß, wo man im schlimmsten Fall noch Geld bekommen kann, etwa bei der Kartei der Not, dem Leserhilfswerk unserer Zeitung. Sie lässt die Hilfesuchenden erst mal erzählen, besucht sie bei Bedarf zuhause und tut dann, was sie kann – „ solange der andere sich auch einbringt, etwa, wenn es um Unterlagen geht“. Manchmal sitzen ihr Menschen gegenüber, die weinen aus Scham.

    166 Euro Heizungszuschuss hat die Mutter dreier Kinder übrigens bekommen. „Ich bin so oft zum Amt gefahren, eigentlich habe ich das Geld vertankt.“

    Der Liter Öl wurde durch die geringe Abnahme sogar noch teurer, denn für den ganzen Tank reichte der Zuschuss nicht. „Wer mehr tankt, zahlt weniger, das ist doch nicht fair“, sagt die 47-Jährige. Demnächst muss sie selbst zum Arzt, zur Darmspiegelung. Die Hoffnung liegt auf dem Mann, der nach der Reha wieder arbeiten will. Und auf Ingrid Braun, die ihr im Notfall wieder aus der Patsche hilft.

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