Die Social-Media-App Tiktok erfreut sich gerade bei jüngeren Menschen immer größerer Beliebtheit. Die sogenannten Tiktok-Challenges, medienwirksame, mitunter sehr gefährliche Mutproben, haben großen Einfluss auf Kinder und Jugendliche. Neben besorgten Eltern sind auch Datenschutzbeauftragte wegen Tiktok in Alarmbereitschaft. Die US-Regierung erwägt wegen der zu großen Nähe des Tiktok-Konzerns ByteDance zur chinesischen Regierung gar ein vollständiges Verbot der beliebten Video-App. Immer mehr westliche Regierungen verbieten zudem die Nutzung der Tiktok-App auf den Handys ihrer Mitarbeiter. Auch der deutsche Verfassungsschutz warnt mittlerweile vor intransparenter Datenabschöpfung durch den chinesischen Staat.
Doch welche Gefahren birgt die App genau? Von mangelndem Kinder- und Jugendschutz bis zur Datenschutzlage - wir erklären Ihnen, was die App so gefährlich macht.
Was ist Tiktok?
Tiktok ist eine Ende September 2016 gegründete, chinesische Video-Plattform für Android- und iOS-Betriebssysteme. Das Prinzip der App besteht darin, dass sich Nutzerinnen und Nutzer von einem Kurz-Video zum nächsten scrollen können, und dabei fleißig kommentieren, teilen und die "Shorts" mitunter in eigenen Videos nachahmen. Mittlerweile gehört Tiktok zu den beliebtesten Social-Media-Plattformen weltweit. Die Plattform statista.com zählt für das Jahr 2023 bereits über eine Milliarde aktive Tiktok-Nutzer. Damit gehört die App zu den sechs beliebtesten Social-Media-Plattformen der Welt. Einer der größten Konkurrenten von Tiktok war übrigens die App Musical.ly. Ende 2017 kaufte Tiktok den Konkurrenten für über eine Milliarde US-Dollar und übernahm dabei auch die 200 Millionen Nutzer der App.
Das Erfolgsrezept der Tiktok-App ist ein Software-Algorithmus, der die Videos seiner Nutzerinnen und Nutzer individualisiert und fortlaufend an die jeweiligen Präferenzen anpasst. Berücksichtigt werden unter anderem, welche Inhalte favorisiert werden und ob man ein Video bis zum Schluss anschaut oder sofort weiterblättert. Eine der Sorgen im Westen ist, dass dieser Datenschatz für politische Zwecke missbraucht werden könnte.
Gefahren der App: Fehlender Kinder- und Jugendschutz
Dass sich die App Tiktok gerade bei Jüngeren größter Beliebtheit erfreut, dürfte vielen nicht entgangen sein. Für die USA hat die New York Times kürzlich recherchiert: Mehr als ein Drittel der nordamerikanischen Tiktok-Nutzer sind 14 Jahre alt oder jünger. Ähnliche Zahlen dürften für Europa vorliegen. Zwar ist die Nutzung der Tiktok-App offiziell erst ab 13 Jahren erlaubt. Doch auf dem beliebten Musical.ly-Nachfolger tummeln sich auch immer mehr Kinder im Grundschul-Alter. Das Problem: Die Altersabfragen können leicht übergangen werden. Hier lesen Sie, warum die Nutzung für Kinder und Jugendliche so einfach ist:
- Jugendschutz: Zwar ist Tiktok offiziell erst ab 13 Jahren erlaubt, allerdings wird das Mindestalter nicht wirksam überprüft, weshalb die App auch von deutlich jüngeren Kindern heruntergeladen werden kann. Die App fragt bei der Einrichtung zwar nach dem Geburtsdatum, doch ob die Angaben stimmen, überprüft Tiktok nicht. Eltern, denen das zurecht Sorgen bereitet, sollten daher die Jugendschutzeinstellungen des Play Stores auf dem Smartphone Ihres Nachwuchses anpassen und verschärfen.
- Immerhin: Tiktok hat bereits vor drei Jahren eine Kontrollfunktion eingerichtet, die die Chatfunktion für unter 16-Jährige untersagt sowie Livestreams erst ab 18 Jahren und ab 1000 Followern möglich macht. Zudem können Minderjährige keine virtuellen Geschenke senden und empfangen. Ob sich jedoch die jüngsten Tiktok-Nutzer, die ihr Alter falsch angeben, so von den Inhalten fernhalten lassen, ist anzuzweifeln.
Tiktok-Trends: So einflussreich sind Tiktok-Challenges und Mutproben
Das Motto, je krassere und aufsehenerregendere Videos, desto erfolgreichere Platzierungen durch den Algorithmus, bewegt zahlreiche Kinder und Jugendliche, an sogenannten Tiktok-Challenges teilzunehmen - mit zum Teil gesundheitsschädigenden bis lebensgefährlichen Konsequenzen. MDR Brisant listet die gefährlichsten Tiktok-Trends der letzten Jahre:
- Für viel Negativ-Schlagzeilen hat die sogenannte "Blackout Challenge" gesorgt. Insbesondere Teenager strangulierten sich hierbei vor laufender Kamera so lange, bis ihnen schwarz vor Augen bis zu Ohnmachtsanfällen wurde. Mehrere Kinder sollen laut MDR den gefährlichen Trend mit ihrem Leben bezahlt haben.
- Beim "Sleepy Chicken Trend" wird Hähnchenfleisch zusammen mit dem Fiebersaft "Nyquil" angebraten. Soll angeblich gut schmecken und beim Einschlafen helfen. Doch das sonderbare Gemisch kann gravierende gesundheitliche Schädigungen, wie massive Atemprobleme zur Folge haben. Wird nämlich der Fiebersaft erhitzt, verdampfen Wasser und Alkohol, was wiederum die Konzentration der anderen Wirkstoffe verstärkt und leicht zu einer Überdosis führen kann.
- Weniger gesundheitsschädigend, dafür umso krimineller waren in der Vergangenheit etwa sogenannte "Kia Challenges". Nachdem sich auf Tiktok das Gerücht verbreitet hatte, dass die Autos der Marken Kia und Hyundai sich besonders einfach ohne Schlüssel kurzschließen lassen, gab es eine Welle von unbedarften Tiktok-Nachahmern, die sich spaßeshalber als Autoknacker betätigten.
- Harmlosere Phänomene sind dagegen Trends wie etwa das sogenannte "Cash-Stuffing", eine Tiktok-Mode, die zum Sparen anhält. Für Eltern wohl einer der angenehmeren Tiktok-Auswüchse.
Vorsicht bei Werbung und "In-App-Käufen": Diese weiteren Gefahren sollten Sie kennen
Die Verbraucher-Plattform chip.de listet weitere Risiken, die die Nutzung der Tiktkok birgt - vor allem in den Händen von Kindern- und Jugendlichen. Welche das sind, lesen Sie hier:
- Käufe innerhalb der App: TikTok steht zwar kostenlos zum Download zur Verfügung, doch dahinter verbergen sich Kostenfallen. Denn Nutzerinnen und Nutzer haben die Möglichkeit, ihre Favoriten mit sogenannten "Coins" zu unterstützen. Schnell können Kinder so mit ein paar Kilcks bis zu 100 Euro loswerden. Eltern können dem entgegenwirken, indem sie die "In-App-Käufe" deaktivieren.
- Unscheinbare Werbung: Seit September 2019 sind Werbeanzeigen auf Tiktok erlaubt. Werbung erscheint so unscheinbar auf der Übersicht (im sogenannten "Feed"-Bereich), wo die bereits angeschauten oder geposteten Videos des Nutzers erscheinen und wird kaum als solche gekennzeichnet. Mit nur einem Klick werden Nutzer auf die entsprechende Webseite oder den Online-Shop weitergeleitet.
- Kontakt mit Fremden: In der Standard-Einstellungen von Tiktok kann jeder beliebige Nutzer über die Kommentar- oder Chatfunktion mit den mitunter jüngeren Nutzern der App in Kontakt treten. Eltern sollten daher sicherstellen, dass die Profil-Einstellungen auf privat gestellt sind.
- Datenschutz: Wie auch bei anderen Social-Media-Plattformen sollte besondere Vorsicht bei der Frage gelten, welche sensiblen und persönlichen Daten man der App anvertraut und somit in die undurchschaubaren Weiten des Internets entlässt. Die Gefahr des unbewussten Umgangs mit persönlichen Daten ist bekanntlich bei Kindern tendenziell größer. Laut chip.de ist zudem nicht sicher, welche Daten gespeichert bleiben, nachdem Tiktok-Videos oder gar das Konto gelöscht und die 30 Tage Reaktivierungszeit verstrichen sind.
Datenschutzsorgen: US-Regierung und deutscher Verfassungsschutz warnen
Datenschutzsorgen haben nicht nur Eltern bezüglich der von ihren Kindern geposteten Videos, sondern auch Regierungen um die Diensthandys ihrer Mitarbeiter. Immer mehr westliche Regierungen verbieten daher die Tiktok-App auf den Mobilfunkgeräten ihrer Mitarbeiter. Neben der Europäischen Union haben laut euronews.com auch die USA, Dänemark, Belgien und Kanada eine Nutzung der Tiktok-App auf den Handys ihrer Mitarbeiter untersagt. Die US-Regierung erwägt sogar einen vollständigen Verbot der Tiktok-App.
Der Grund: Tiktok befindet sich im Besitz des chinesischen Unternehmens ByteDance. Der Konzern behauptet zwar, dass er die Daten seiner Nutzer nicht an die chinesische Regierung weitergibt, doch einige Sicherheitsexperten sehen darin nicht mehr als ein Beschwichtigungsversuch. "Wenn Sie sich Umfang der Daten, der Metadaten, der Inhalte bei Tiktok anschauen auf der einen Seite, und wenn Sie sich dann auch anschauen, welche Einflussmöglichkeiten staatliche Stellen auf solche Unternehmen haben, dann kann das nur Bauchschmerzen auslösen. Und die habe ich", sagte der Vizepräsident des deutschen Inlandsgeheimdienstes, Sinan Selen, unlängst dem RND. „Wir sind im Ausmaß dessen, worauf staatliche Stellen, gerade in China Zugriff nehmen können, nicht klar genug - ich glaube, das ist das Kernproblem bei der ganzen Sache“, so der Sicherheitsexperte weiter.