Die Einordnung des bayerischen Ministerpräsidenten zur aktuellen Energiesituation könnte kaum klarer sein. "Wir stehen vor der vielleicht größten Krise der Nachkriegsgeschichte", sagt Markus Söder bei einer Pressekonferenz auf der Herbstklausur der CSU-Landtagsfraktion im oberfränkischen Kloster Banz. Mit dem Handeln der Bundesregierung ist er alles andere als einverstanden. Es drohe eine Pleitewelle, die vor allem den Mittelstand treffe, sowie "eine Krise der Infrastruktur", etwa sozialer Einrichtungen.
Im Gespräch mit unserer Redaktion hatte sich der CSU-Chef bereits zu Beginn der Woche für eine Deckelung des Gaspreises und die Abschaffung der Gasumlage ausgesprochen und für eine Debatte über die Schuldenbremse im Bund plädiert. "Wir befinden uns in einer ökonomischen Krise, die größer ist als bei Corona", sagte er.
Die Aufgabe der CSU in der Energiekrise? Druck auf die Ampel
Die Aufgabe seiner Partei sieht er darin, Druck auf die Ampelregierung auszuüben, damit diese die richtigen Entscheidungen treffe. "Die Kernkraftwerke müssen weiterlaufen", fordert er bei der Klausur im Kloster Banz. "Auch bei Kohlekraftwerken muss mehr Dampf gemacht werden." 16 davon sollen möglichst bald in Betrieb genommen werden.
Trotz seiner Forderung nach mehr Kohleenergie will Söder in Bayern die Energiewende voranbringen. Dafür sei mehr Windkraft in den Staatsforsten und ein Wasserkraftwerk an der Salzach geplant.
Über Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der beim Thema Gasumlage zuletzt keine klare Linie zu haben schien, sagt der CSU-Chef: "Der Minister hat völlig den Überblick verloren." Sein Fazit: "Letzte Ausfahrt verpasst, die Glaubwürdigkeit ist dahin."
Markus Söder will Rettungsschirm und Härtefallfonds
Außer mehr Atom- und Kohlestrom fordert die CSU auch einen Rettungsschirm für Stadtwerke, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen. Er sei für eine vernünftige Finanzpolitik, aber die "Hilfe für Land, Leute und Wirtschaft" gehe vor. Für bayerische Vereine und Pflegeeinrichtungen mit existenziellen Sorgen plant der Ministerpräsident einen Härtefallfonds mit bis zu einer Milliarde Euro. Woher das Geld kommen soll, wurde am Mittwoch nicht klar. Die Schuldenbremse will Söder einhalten. Das geplante neue Entlastungspaket des Bundes hält er aktuell nicht für zustimmungsfähig, die Absprache mit den Ländern habe gefehlt.
Söders scharfe Formulierungen in Richtung Bundesregierung können schon als Wahlkampf mit Blick auf die Landtagswahl in einem Jahr verstanden werden. Das zeigt sich, als er die eigene Partei lobt, noch bevor er auf die Energiesituation in Deutschland eingeht. Umfragen und die Eindrücke von Terminen im Freistaat zeigen laut dem Ministerpräsidenten: "Erkennbar hat sich die CSU wieder stabilisiert."
Beim Wohnungsbau verspricht der Ministerpräsident Besserung
In einem Punkt lässt Söder Kritik zu: beim Wohnungsbau. Hier verspricht er Besserung. Bis Ende des Jahres sollen 8000 Wohnungen in Bau oder Planung sein. "Das reicht natürlich nicht."
Außerdem sei der Länderfinanzausgleich, bei dem der Freistaat größter Zahler ist, ein Klotz an Bayerns Bein. "Die neun Milliarden Euro können auf Dauer so nicht akzeptiert werden." Der CSU-Chef fordert eine Deckelung und Verwendungsnachweise. "Wir werden erneut eine Klage prüfen, so kann es nicht weitergehen", sagt Söder. "Dauerhaft ist das ein Anschlag auf den Föderalismus." Bayern hatte zusammen mit Hessen 2013 schon einmal gegen den damaligen Länderfinanzausgleich geklagt. Nach einer Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern haben sie ihre Klage 2017 zurückgezogen.
Bayern gegen Berlin – diesen vermeintlichen Gegensatz stellt er am Mittwoch immer wieder in den Vordergrund. Nicht nur bei der Energiepolitik schaut der Ministerpräsident kritisch auf die Stadt, in der er vergangenes Jahr selbst gerne als Kanzler gelandet wäre. "Es gibt die Alternative zwischen Berliner Wokeness und bayerischer Liberalitas Bavarica." Er habe zwar gerne viele Polizisten auf der Straße, wolle sich aber keine Meinung vorschreiben lassen. Hier sei die Freiheit in Bayern größer als in der Hauptstadt.
In den Grünen sieht Söder eine Partei, die fest in Berliner Werten verankert ist. Eine Koalition schließt er aus. "Schwarz-grün ist kein bayerisches Modell."